Im Mittelpunkt: Der Mensch
Gute Gründe für mehr Menschenorientierung in der Unternehmensführung
Die Quelle, aus der das notwendige berufliche Engagement fließt, ist bekannt: intrinsische Motivation, der ganz persönliche Antrieb etwas zu leisten, Begeisterung für die Arbeit. Doch wie der Gallup Engagement Index seit geraumer Zeit zeigt, steht es um diese Quelle nicht zum Besten. Zu viele Berufstätige haben sich innerlich von ihrem Arbeitgeber zurückgezogen, identifizieren sich nicht mehr mit der Firma. Und - was in diesem Zusammenhang ja auch gesehen werden muss - frustrieren sich tagtäglich selbst mit stupidem Dienst nach Vorschrift. Dr. Anna Maria Pircher-Friedrich, Professorin für Human Resources Management am Management Center Innsbruck führt diesen beklagenswerten Zustand wesentlich mit darauf zurück, dass die Sinngebung im Arbeitsprozess heute viel zu kurz kommt.
Diagnose
Dieser Diagnose hat Pircher-Friedrich, ein ganzes Buch gewidmet: „Mit Sinn zum nachhaltigen Erfolg“. Unlängst ist es in der 3. Auflage erschienen. Wie erklärt Pircher-Friedrich nun den verbreiteten mangelnden Einsatzwillen der Belegschaften? Menschen sind ihrem Wesen nach sinn- und werteorientiert. Wird dieses Bedürfnis nicht erfüllt, fehlt ihnen ein wesentlicher Antrieb für den persönlichen Einsatz. Belegschaften, die Sinn in ihrem Tun sehen und sich aus diesem Empfinden heraus mit ‚ihrem‘ Unternehmen identifizieren, entwickeln von sich aus ein höheres Maß an Engagement! Dieser Zusammenhang sei nicht nur zu beobachten, auch zahlreiche Studien belegten ihn.
Pircher-Friedrich: „Kocht die Selbstmotivation auf kleiner Flamme oder fehlt die ganz und gar, bleibt das Unternehmen unter seinem möglichen Leistungsniveau. Oder anders ausgedrückt, schadet es sich selbst.“ Und das sei auch mit noch so ausgeklügelten organisatorischen Maßnahmen nicht zu kompensieren. Pircher-Friedrich: „Wer die Praxis kennt, weiß: So wichtig Organisation ist, wichtiger ist der Geist, der sie belebt.“
Was tun, was lassen
Gefragt, was sie in diesem Sinne tun und lassen würde, müsste sie über Nacht die Zügel einer Firma in die Hand nehmen, antwortet sie mit präzisen Vorstellungen:
1. Ich würde das im Unternehmen und vor allem in der Führungsspitze herrschende Menschenbild unter die Lupe nehmen. Erkenne ich hier eine gewisse „Fehlsichtigkeit“, würde ich als ersten Schritt zu mehr Sinngebung top-down einen korrigierend-aufklärenden Veränderungsprozess dieses Menschenbildes in die Wege leiten.
2. Ich würde allen, Vorgesetzten wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Sinnvision und die Mission des Unternehmens erläutern und mich bemühen, sie dafür zu gewinnen. Der Weg, den ich dazu wählen würde, wäre, ihnen das WOZU des Betriebs zu verdeutlichen und ihnen aufzuzeigen, wie sie zu diesem WOZU beitragen können. Ich würde mich aber auch nicht scheuen, allen klar zu sagen, dass sie aus eigener Initiative heraus in ihrem eigenen Interesse diesen Beitrag auch leisten müssen. Ebenso würde ich ihnen sagen: Arbeitsplatzsicherung ist genauso wie die Pflege des Betriebsklimas eine Gemeinschaftsaufgabe, an der alle mitwirken müssen.
3. Ich würde die strategischen Entscheidungen strikt auf die Kundenversprechen und den Kundennutzen hin ausrichten. Als geistige Leitlinie würde ich dazu ausgeben: Gesagt heißt auch getan! Der alte Begriff „Handschlagqualität“ ist im Geschäftsleben keineswegs überholt. Ob Kunde oder Lieferant,
4. Ich würde alle durch Ziele und den Geist des Hauses verdeutlichende Werte in dieses „Gesagt heißt Getan“ einbinden und alle entsprechend in die Pflicht nehmen. Als Motto würde ich die König Ludwig II von Bayern zugeschriebenen Worte ausgeben: In anderer Glück das eigene finden, ist dieses Lebens Seligkeit; und anderer Menschen Wohlfahrt gründen, schafft göttliche Zufriedenheit. Aus dieser Zufriedenheit entsteht im Rahmen des heute Möglichen Kundenbindung und das so wichtige Empfehlungsverhalten der Kunden. Kein Unternehmen kann auf beides verzichten!
5. So würde ich Sinn, Werte und Strategie im Steuerungssystem des Unternehmens verankern und einen Wandel des Geistklimas im Unternehmen herbeiführen. Und damit nicht zuletzt auch die Selbstgestaltungs- und Selbstentwicklungsanstrengungen aller Unternehmensmitglieder unumgänglich machen.
6. Das setzt voraus, dass ich nicht dem reinen Zahlenfetischismus verfalle. Zahlen sind unverzichtbar. Aber sie sind immer nur das Ergebnis menschlichen Denkens und Handelns. Also muss ich das in den Mittelpunkt rücken. Die Lern- und Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens stärke und sichere ich nur, wenn die Art und Weise wie Menschen denken und miteinander umgehen verbessert wird. Dazu müssen sich Führende wie Geführte von den gewohnten „Normen“ lösen, damit ein neuer, in des Wortes wahrstem Sinne sinnvollerer Geist in den Betrieb einziehen kann, aus dem heraus sich ein die Selbstmotivation fördernderes und stützenderes betriebliches Innenleben entwickeln kann.
… und die Praxis?
Bleibt die heikle Frage: Wie soll das in der Praxis klappen, wenn immer mehr Verantwortliche zur Selbstabsicherung auf Beraterrat zurückgreifen und dieser Beraterrat Unternehmen oft mehr durcheinander als auf den richtigen Weg bringt? Pircher-Friedrich: „Aus der Theorie wissen wir und erfolgreiche Führende leben es bereits vor: Führung beginnt beim Ich. Um bei den Mitarbeitern anzukommen, müssen Führende zunächst bei sich selbst ankommen. Als grundlegende Voraussetzung dafür müssen sie hart an ihrer persönlichen Entwicklung arbeiten. Es ist einfacher, Berater zu beauftragen und die Tools zu wechseln, als das eigene Führungsverhalten zu überdenken und sich vorbildlich zu verhalten. Leider honoriert die Praxis bislang ein solches selbstverantwortliches Verhalten wenig. Da liegt das eigentliche Problem vieler Betriebe.“
Dipl.Betriebswirt Hartmut Volk,Redaktionsbüro Wirtschaft&Wissenschaft, Bad Harzburg,
Hartmut.volk@t-online.de
Das Buch: Anna-Maria Pircher-Friedrich, „Mit Sinn zum nachhaltigen Erfolg – Anleitung zur werte- und wertorientierten Führung“, Erich Schmidt Verlag, Berlin, 3. neu bearbeitete Auflage 2011, 244 Seiten, € 34,95. Bestellung dieses Buches unter:
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