Kapital Mensch
Wichtigste Triebkraft für den nachhaltigen ErfolgUnternehmen die ihre Mitarbeiter gut behandeln, haben eine um 30% bis 40% höhere Produktivität. Ein Gespräch mit dem Innsbrucker Leadership-Experten Hans H. Hinterhuber.
80 Prozent des Unternehmenserfolgs lassen sich auf fünf Faktoren zurückführen: Führung, Strategie, Mitarbeiter, taktische Maßnahmen und … Glück. Diese Faktoren seien wichtiger als die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die mit nur 20% zum nachhaltigen Erfolg beitrügen. Was für den ehemaligen Direktor des Instituts für Strategische Unternehmensführung der Universität Innsbruck in der Konsequenz heißt: Das Schicksal eines Unternehmens ist weitgehend hausgemacht.
Gute Führung
Dabei, so Hinterhuber, zeigten Untersuchungen, dass eine herausragende Führungsleistung wiederum die wichtigste Triebkraft für den nachhaltigen Erfolg ist. Langfristig überdurchschnittliche Ergebnisse seien immer auf das Wirken der Führungspersönlichkeit an der Spitze und seines Teams zurückzuführen. Womit nicht allein die engere Entourage des Chefs gemeint ist, sondern die Gesamtheit der in einem Unternehmen Führenden, sprich alle Vorgesetzten. Hinterhuber: „Je schwieriger die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind, desto wichtiger wird deren stimulierendes Wirken, wird der Faktor ‚Führung‘.“ Werde es, ein Umfeld zu schaffen, in dem die Energien der Mitarbeiter mobilisiert und sie zu unternehmerischem Denken animiert werden. Optimal nennt Hinterhuber ein Sauerteigpotential von etwa 5-10% unternehmerisch denkenden und sich verhaltenden Mitarbeitern.
Persönlichkeiten
Was charakterisiert nun so wirkende Führungs-Persönlichkeiten? Pauschal, Offenheit für Menschen, Situationen, Umstände. Entscheidend dabei sind für Hinterhuber zwei Eigenschaften: Die Bereitschaft, auch andere neben sich gelten zu lassen, niemanden gezielt zu ducken und klein zu machen. Und sich nicht von Vorhandenem - im Geist wie in der Sache - in Fesseln legen zu lassen. Im Detail mithin eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit Menschen und Ideen gegenüber; Misstrauen gegenüber Das-geht-nicht-Künstlern; der Wille, Bestehendes in Frage zu stellen, inklusive der eigenen eingefahrenen Denkmuster und Überzeugungen; Fantasie; Innovationsgeist; Gespür für neue Möglichkeiten und Marktentwicklungen. Und Umsetzungsstärke. Hinterhuber: „Persönlichkeiten dieses Zuschnitts tun, was sie sagen und was sie wollen; sind bereit, etwas zu wagen, kalkulierte Risiken einzugehen; suchen nach eigenen Wegen. Benchmarking, die Orientierung an den Erfolgen anderer, ist nicht unbedingt ihre Sache.“ Nicht zuletzt aus diesen sowohl wissenschaftlich gesicherten als auch erfahrungsgestützten Erkenntnissen unterscheidet Hinterhuber Leadership und Management. Leadership steht für die Qualifikation anzuregen, Mitdenkende um sich zu versammeln, Möglichkeiten zu erschließen, die andere nicht gesehen haben, Veränderungen und Innovationen zu schaffen, in die Zukunft hinein zu wirken. Management für allfälliges Problemlösen. Oder Optimieren von etwas, was bereits besteht. Am besten, sagt Hinterhuber, „wenn Führende je nach Situation über beides verfügen. Und entsprechend situativ von einem auf das andere umschalten können.“
Bei all dem geht es für Hinterhuber „heute aber weniger darum, schneller als die Konkurrenten Arbeitsplätze wegzurationalisieren und Aufgabenbereiche oder Produktionen in Niedriglohnländer zu verlagern, sondern vielmehr darum, alle Kräfte im Unternehmen zu mobilisieren und Strategien zu entwickeln, die das Unternehmen langfristig stärker machen, die Produktivität erhöhen und Ergebnisse bringen“. So gesehen rangiert Leadership/unternehmerisches Verhalten für ihn vor Management. Was aus seiner Sicht dieses Eigenschaftsbündel keineswegs abwertet. Lediglich verdeutlicht, dass die souveräne Bewältigung des Tagesgeschehens mit all seinen Problemen zur Zukunftssicherung eines Unternehmens auf allen Ebenen allein nur noch bedingt genügt, um einen Betrieb auf Kurs und wettbewerbsfähig zu halten.
Leader statt Manager
Worauf es Hinterhuber ankommt, verdeutlicht er an einigen Schlüsselsätzen. Zum Beispiel: „Ich liebe es, mich mit Menschen zu umgeben, die in dem, was sie machen, besser und klüger sind als ich selbst“. Wer dem zustimmt, ist mehr ein Leader, wer dem nicht zustimmt, mehr ein Manager. Quintessenz: Leadership heißt, Talente fördern, heißt keine Angst haben vor unabhängigen und häufig schwierigen, weil eigenständig denkenden Mitarbeitern. Oder: „Es ist meine Aufgabe, alles zu wissen, was in meinem Bereich vor sich geht“. Quintessenz: Wer dem zustimmt, ist mehr ein Manager. Mit diesen und einer Reihe von ähnlichen Aussagen, denen man zustimmen oder nicht zustimmen kann, lassen sich für Hinterhuber auch Anregungen gewinnen, wie das eigene Führungsverhalten zu verbessern wäre. Leadership lasse sich innerhalb bestimmter Grenzen lernen.
Und wie steht es mit dem viel diskutiertem Charisma? Empirische Befunde zeigen: Es besteht kein Zusammenhang zwischen dem Charisma eines Unternehmers beziehungsweise einer Führungskraft und der nachhaltigen Performance eines Unternehmens. Wichtiger als Charisma ist die „geistige Stimulierung“ der Belegschaft. Ist das, was die großen und kleinen Chefs anregen, wie sie die Mitarbeiter inspirieren, welche Fragen sie aufwerfen. Und wie sie die mit ihren Leuten diskutieren, auf deren Überlegungen und Anregungen reagieren, wie sie mit Fehlern und Fehlschlägen umgehen.
Ausstrahlung
Charismatische Führung, sagt Hinterhuber, „ist keine auf Dauer wirksame Führung.“ Und lenkt damit auf ein ganz heikles Stück Unternehmensrealität hin, den Zwiespalt zwischen ICH und WIR. Grundsätzlich gilt: Unternehmen sind dann erfolgreich, wenn sie nachhaltig ihre Kapitalkosten verdienen. Führungskräfte betrachten sich als erfolgreich, wenn sie rasch befördert werden und Karriere machen. Es gilt folglich, den organisationalen vom persönlichen Erfolg zu unterscheiden.
Untersuchungen zeigen, dass es etwa nur 10% bis 15% aller Führungskräfte gelingt, organisationalen mit persönlichem Erfolg zu verbinden. Unternehmen tun deshalb gut daran, ein System zu installieren, das organisationalen und nicht persönlichen Erfolg belohnt. „ Es muss sichergestellt werden, dass die Führungstätigkeiten, die das Unternehmen stärker machen, belohnt werden, nicht aber die Führungstätigkeiten, die der persönlichen Karriere dienen“, sagt Hinterhuber. Werde hier kein Gleichgewicht eingerichtet, erreichten brillierende, nicht aber brillante Führungskräfte die Spitze. Nicht weil sie sich um die Kunden und die Mitarbeiter, kurz das Unternehmen gekümmert hätten, sondern dank wirksamen Networkings und Aufscheinens im richtigem Augenblick.
Keine Blender, bitte
In diesem Sinne „blendende“ Kräfte werden nicht gebraucht. Was auch nicht zählt, ist die Zahl der Führungsaufgaben, die jemand im Laufe seiner Karriere wahrgenommen hat, sondern deren Qualität. Gebraucht, sagt Hinterhuber, „werden pragmatische Visionäre mit einem Händchen für Menschen und Sinn für Humor.“ Visionäre, weil das Unternehmen für die kommenden Herausforderungen vorbereitet werden muss. Pragmatisch, weil man sich von der Vision zurücklehnen und das Machbare gestalten und umsetzen muss. Sinn für Humor, weil das der einzige Weg ist, die Balance angesichts des Widerstands gegenüber Veränderungen im Unternehmen zu wahren.
Erfolg
Und Händchen für Menschen, weil empirische Untersuchungen zeigen, dass Unternehmen die ihre Mitarbeiter gut behandeln, eine um 30% bis 40% höhere Produktivität haben und nachhaltig eine entsprechen höhere Wertsteigerung erzielen. Hinterhuber: „Unternehmen, die ihre Mitarbeiter gut behandeln, verwandeln eine faire Behandlung der Mitarbeiter in einen Wettbewerbsvorteil.“ Schließlich gehen die Mitarbeiter so mit den Kunden um wie das Unternehmen mit ihnen umgeht.
Und, um das nicht zu vergessen, wie steht es nun mit dem besagten Glück, das auch zu erfolgreicher Unternehmensführung gehört? Oder, in Hinterhubers Sinne genauer, der Fähigkeit, das Glück anzuziehen. Anziehungskraft auf Fortunas Geneigtheit haben – wen wundert es? – Fleiß, Beharrlichkeit, Umsicht im Denken und Handeln. Beispielhaft dafür das früher geflügelte Wort „Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige.“ Glück und Unglück, korrigiert Hinterhuber landläufige Sichtweisen, seien niemals Zufall, sondern die Folge richtigen oder falschen Verhaltens. Richtiges Verhalten zu verstehen als das Ergebnis konstruktiven, positiven und eigenverantwortlichen Denken, Fühlens und Handelns. Falsches Verhalten zu verstehen als dessen genaues Gegenteil, als Ergebnis destruktiven, negativen und unselbständig-abhängigen Denkens, Fühlen und Handelns. Wie sagte doch der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker und Sozialpsychologe Erich Fromm? „Glück ist kein Geschenk der Götter, sondern die Frucht innerer Einstellung.“
Dipl.Betriebswirt Hartmut Volk, Freier Wirtschaftspublizist, Redaktionsbüro Wirtschaft&Wissenschaft, Bad Harzburg, E-Mail: Hartmut.volk@t-online.de
„Glück ist kein Geschenk
der Götter, sondern die Frucht
innerer Einstellung.“