Marktchancen durch Contracting

Die Bedeutung des Energiemanagements für die Bauwirtschaft

Eine Untersuchung der fünfzehn größten deutschen Bauunternehmen zeigt ein relativ uneinheitliches Bild über das Angebot von Energiedienstleistungen bzw. Contracting. Lediglich ein Bauunternehmen hat eine Unternehmung gegründet, die ausschließlich Energiedienstleistungen anbietet; darüber hinaus bieten einige der Unternehmen Energiedienstleistungen im Rahmen ihres FM-Dienstleistungsportolios an.

1. Einführung

Klima- und Umweltschutz sind Aspekte, die für unsere Gesellschaft, sowohl insgesamt als auch in Teilbereichen, zunehmend wichtiger werden. In Abhängigkeit von der allgemeinen Situation der Verfügbarkeitsreserven der Energieträger oder der Energiepreisentwicklung werden diese Themen jeweils in unterschiedlicher Intensität in der Öffentlichkeit diskutiert. Die für Verbraucher relativ ungünstigen Steigerung vor allem der Rohölpreise vor zwei Jahren, die einen direkten negativen Einfluss auf das verfügbare Einkommen der privaten Endkunden hatte, erhöhten die allgemeine Aufmerksamkeit für Energiefragen stark und führten zu teilweise leidenschaftlichen und kontroversen Debatten in der politischen Arena. Unstrittig ist jedoch, dass ein „weiter so“ keine geeignete zukunftsfähige Strategie sein kann und dass wir mit unseren Ressourcen insgesamt bewusster und schonender, d.h. ökonomisch ausgedrückt, auch ressourceneffizienter, umgehen müssen.

Dies betrifft grundsätzlich alle energieverbrauchenden Akteure in der Bundesrepublik Deutschland: Den Staat mit seinen unterschiedlichen Institutionen, sämtliche Unternehmen sowie die privaten Haushalte. Da ein hoher Anteil des Energiebedarfs durch die Nutzung von unterschiedlichen Immobilien- und Gebäudearten entsteht, stellt sich die Frage, inwieweit Energiemanagement für die deutsche Bauwirtschaft von Bedeutung ist. Im vorliegenden Aufsatz soll daher der Versuch unternommen werden, die mögliche Bedeutung des Contractings, einer Form des Energiemanagements, für deutsche Bauunternehmen zu skizzieren.

 

2. Einordnung des Contracting
in eine Angebotsstruktur von klassischen Bau- sowie baunahen Dienstleistungen

In Abbildung 1 werden die Hauptphasen einer Immobilie in einem Produktlebenszyklusmodell dargestellt (Die Abbildung spiegelt die zeitlichen Proportionen der einzelnen Hauptphaseninnerhalb des Produktlebens nicht wider). Die Betrachtung eines Bauwerks unter Lebenszyklusaspekten stellt für die Bauunternehmen einen Paradigmenwechsel dar, die sowohl den Unternehmen als auch ihren Kunden und weiteren Interessengruppen enorme Optimierungspotentiale bietet, da hier ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt wird. Ursprünglich lag der Fokus der Wertschöpfungsaktivitäten klassischer Bauunternehmen im Bereich des Bauprozesses; seit Mitte der 90er Jahre diversifizieren die Unternehmen zunehmend in vor- und nachgelagerte Geschäftsfelder. Die Leistungsangebote der Unternehmen in vorgelagerten Bereichen umfassen im Wesentlichen Beratungs-, Planungs- und Genehmigungsleistungen bzw. Leistungen für die Finanzierung des Projekts/des Bauwerks. Da die jährlichen Betriebskosten je nach Gebäudeart zwischen zehn und
dreißig Prozent der Baukosten erreichen können, ist dieser Phase auch aus ökonomischer Sicht eine besondere Aufmerk-samkeit zu widmen. Die unterschiedlichen Leistungen, die sich auf den Betrieb der Immobilie erstrecken, werden üblicherweise unter dem Begriff Facility Management (FM) zusammengefasst, wobei weiter in kaufmännisches, technisches und infrastrukturelles FM differenziert wird.

Kaufmännisches FM umreißt im Kern die kaufmännischen Funktionen, die für den Gebäudebetrieb erforderlich sind (z.B. Buchhaltung, Verwaltung, Einkauf); technisches FM erstreckt sich überwiegend auf das Betreiben, Instandhalten und Instandsetzen der technischen Anlagen, während bei infrastrukturellem FM im Schwerpunkt geschäftsunterstützende Wertschöpfungen wie z.B. Hausmeister-dienste, Catering und Sicherheitsleistungen erbracht werden. Contracting, d.h. Energiemanagement ist demnach, auch aufgrund der technischen Komplexität, grundsätzlich dem Technischen FM zuzuordnen.

 

3. Formen des Contracting

Contracting wird in Anlehnung an die DIN 8930-5 in die folgenden Formen unterschieden, die sich auch in ihrer Leistungstiefe unterscheiden: 

n Energie(ein)spar-Contracting oder Performance Contracting

n Energieliefer-Contracting oder Anlagen- bzw. Nutzenergieliefer-Contracting

n Finanzierungs-Contracting oder Third-Party-Finance

n Technisches Anlagenmanagement oder Betriebsführungs-Contracting 

Beim Energie-Contracting werden zwischen dem Contractor und dem Kunden Energieeinsparziele definiert, die durch eine maximale Mengen- und Kostenreduktion erreicht werden soll. In der Regel ein vereinbarter Teil dieser Einsparung als Vergütung an den Contractor fließen. Die Leistungstiefe nimmt beim Energieliefer-Contracting zu. Bei dieser Contractingvariante übernimmt der Contractor ebenfalls die Planung und die Installation der Energiezentrale und liefert, je nach vereinbartem Leistungsumfang, unterschiedliche Medien wie Wärme und Strom zu fest vereinbarten Konditionen. Das Finanzierungs-Contracting umfasst die Planung, die Finanzierung und die Errichtung der Energieanlage. Die Verantwortung für den Betrieb, die Instandhaltung und die Instandsetzung  verbleibt beim Immobilieneigentümer. Beim Technischen Anlagenmanagement bildet der optimale Betrieb neuer oder bestehender Anlagen den Kern der Dienstleistung.

Die Vergütung kann unterschiedlich zwischen den Vertragspartnern geregelt werden und reicht von Festvergütung, über Vergütung nach Aufwand bis hin zu Vergütungen, die sich anteilig an den erzielten Einsparungen orientieren.

 

4. Grundsätzliche Möglichkeiten und notwendiger Kompetenzaufbau

Die Bauunternehmen können ihre Contracting Dienstleistungen grundsätzlich in folgenden Segmenten anbieten:

n Über den gesamten Lebenszyklus bei sämtlichen zu erstellenden Immobilien (siehe Abbildung 2, Darstellung A)

n Bei sämtlichen Bestandsgebäuden in der Betriebsphase, z.B. initiiert durch notwendige Baumaßnahmen (siehe Abbildung2, Darstellung B)

n In spezifischen Branchen, jeweils über den gesamten Lebenszyklus oder in einzelnen Phasen (siehe Abbildung 2, Darstellung C und D)

Zunächst muss ein Bauunternehmen jedoch prüfen, ob Contracting als Angebotsleistung grundsätzlich in Frage kommt. Bei derartigen Erwägungen können zwei unterschiedliche Grundformen gewählt werden, die einen Bezug zu den im Marketing verwandten Ansätzen des „ressource-based view“ und des „market-based view“ herstellen. Verkürzt ausgedrückt kann diese Untersuchung ihren Ausgang entweder auf der Basis verfügbarer interner Ressourcen nehmen oder auf der Basis der  Bedingungen des Marktumfelds. Im konkreten Fall muss sich  ein Bauunternehmen demnach fragen, welche Kompetenzen es bereits besitzt, und welche Marktpotentiale sich daraus ergeben; andererseits könnte ein Unternehmen die Bedürfnisse des Marktes analysieren und daraus ableiten, wie es sich in die Lage versetzt, diesen Ansprüchen zu entsprechen. Unabhängig welchen Ansatz ein Unternehmen wählt, entscheidend ist, dass die notwendigen Kompetenzen für die Contracting Dienstleistungen die Ausgangsbasis darstellen, um die mögliche Lücke zwischen den erforderlichen und den eigenen verfügbaren Kompetenzen
dezidiert herauszuarbeiten zu können. In einem nächsten Schritt ist zu klären, wie die etwaige Kompetenzlücke geschlossen werden kann. Dazu kann ein Unternehmen grundsätzlich folgende Wege wählen:

n Aus eigener Kraft durch organisches Wachstum

n Aus eigener Kraft durch Akquisitionen

n Mit einem Partner in unterschiedlichen Konstellationen

Mit den jeweiligen Optionen sind unterschiedliche Vor- und Nachteile verbunden. So ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein organischer Aufbau mehr Zeit in Anspruch nimmt als eine Akquisition des erforderlichen Know-hows oder als eine Kooperationsform, andererseits entsteht bei den erstgenannten Möglichkeiten tendenziell ein Integrations- und Abstimmungsbedarf. Die Vorteilhaftigkeit der Handlungsoptionen kann nur unternehmensspezifisch festgelegt werden.

 

5. Markteinschätzung

Fachleute der renommierten Institution trend: research vom März 2009 beziffern den Markt für Contractingleistungen in Deutschland auf etwa 20 Milliarden Euro, wobei bis zum Jahr 2015 ein jährliches Wachstum von deutlich über zehn Prozent prognostiziert wird. Nach dieser Studie sind erst sieben Prozent des deutschen Marktes ausgeschöpft, was das noch nicht erschlossene Potential bei über 90 Prozent ansiedelt. Die wachstumsstärksten Segmente sind demnach die Industrie, der öffentliche Bereich sowie der Gesundheitssektor. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Dynamik in der Wirtschaft mögen einige Zahlen nicht nachhaltig belastbar sein, es wird jedoch deutlich, dass in diesem Segment enorme Potentiale liegen

 

6.Gegenwärtige Bedeutung des Contracting für deutsche Bauunternehmen und Fazit

Eine Untersuchung der fünfzehn größten deutschen Bauunternehmen zeigt ein relativ uneinheitliches Bild über das Angebot von Energiedienstleistungen bzw. Contracting. Lediglich ein Bauunternehmen hat eine Unternehmung gegründet, die ausschließlich Energiedienstleistungen anbietet; darüber hinaus bieten einige der Unternehmen Energiedienstleistungen im Rahmen ihres FM-Dienstleistungsportolios an. Die überwiegende Anzahl der Unternehmen bietet jedoch keine oder nur partielle Leistungen aus diesem Bereich an. Daraus kann man plausibel folgern, dass diese Energiedienstleistungsmarktsegmente für Bauunternehmen in der Tendenz nur von geringer bis mittlerer Bedeutung sind.

Obwohl das Angebot von Energiedienstleistungen nicht zum originären Geschäft von Bauunternehmen zählt, zeichnen sich hier sehr deutlich interessante Perspektiven ab, die grundsätzlich gut mit einem integrierten FM-Ansatz in Einklang zu bringen sind. Zwei Tendenzen begünstigen eine wachsende Bedeutung des Energiemanagements: erstens, die Kosten für Energie werden mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit steigen und zweitens, der Trend zur Spezialisierung und zum Outsourcing von Nicht-Kernaktivitäten wird ebenfalls zunehmen. Die daraus resultierenden Potentiale sollten frühzeitig erkannt werden, um sich zeitgerecht im Markt zu positionieren.

... zunächst prüfen, ob Contracting grundsätzlich in Frage kommt!

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