Vorsicht (Verjährungs)Falle! – Teil 2
Verjährungsfragen im Zusammenhang mit Vertragserfüllungs-
und Gewährleistungsbürgschaften
Nachdem wir in der letzten Ausgabe die allgemeinen Grundsätze des Beginns der Verjährungsfrist im Fokus der Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern betrachtet und erörtert hatten, soll der Fokus in diesem Beitrag nunmehr auf Verjährungsfragen und Verjährungsfallen im Zusammenhang mit Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaften gerichtet werden. Diese Rechtsfragen sind von erheblicher praktischer Bedeutung und auch im Beratungsumfeld haftungsträchtig.
Frage 6: Wann verjähren Bürgschaftsforderungen?
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 29.01.2008 (NZBau 2008, 377) entschieden, dass die Fälligkeit der Forderung aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft (Bürgschaftsforderung) mit der Fälligkeit der – durch die Bürgschaft gesicherten – Hauptschuld eintritt. Sie ist dabei nicht von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig. Die Parteien können allerdings auch etwas anderes zur Fälligkeit vereinbaren. Seit Geltung (ab 01.01.2002) der kürzeren Regelverjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) wurde zunächst heftig diskutiert, wann Forderungen eines Bürgschaftsgläubigers gegen den Bürgen fällig werden und wann demnach die Verjährungsfrist zu laufen beginnt und schließlich Verjährung eintritt. Nach § 199 Abs. 1 BGB hängt der Beginn der kurzen Regelverjährungsfrist u. a. von der Anspruchsentstehung (= Fälligkeit) ab. Der BGH hat in der für die Praxis wichtigen Grundsatzentscheidung vom 29.01.2008 geklärt, dass die Fälligkeit der Forderung aus der Bürgschaft an die Fälligkeit der Hauptschuld gekoppelt ist. Nach den gesetzlichen Vorschriften ist eine Leistungsaufforderung des Gläubigers als Fälligkeitsvoraussetzung einer Bürgschaftsforderung nicht vorgesehen. Im Übrigen spricht auch der im Bürgschaftsrecht geltende Grundsatz der Akzessorietät (Abhängigkeit der Forderung aus der Bürgschaft von der Hauptschuld) im Hinblick auf Entstehung, Durchsetzbarkeit und Erlöschen der Forderung dafür, dass die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung (schon) mit der Fälligkeit der Hauptschuld eintritt.
Schließlich – und dies war auch das Hauptargument im Zusammenhang mit der Verjährung von Gesamtschuldnerausgleichsansprüchen – soll dem Gläubiger nach den gesetzlichen Vorschriften auch nicht die Möglichkeit eröffnet sein, den Verjährungsbeginn und die Notwendigkeit verjährungsunterbrechender Maßnahmen beliebig hinauszuzögern. Die Tatsache, dass im Einzelfall längere Verjährungsfristen des gesicherten Anspruchs (der Hauptschuld) eine vorzeitige Inanspruchnahme des Bürgen erforderlich machen können, rechtfertigt kein abweichendes Ergebnis. Dies schon deshalb, weil es den Parteien des Bürgschaftsvertrages (Bürgschaftsgläubiger und Bürge) frei steht, die Geltendmachung der Forderung (Leistungsaufforderung) als vertragliche Fälligkeitsvoraussetzung zu vereinbaren.
Frage 7: Welchen Fall betraf das BGH-Urteil vom 29.01.2008?
Die BGH-Rechtsprechung betraf den Fall einer Bürgschaft nach der Makler- und Bauträgerverordnung (MaBV). § 7 MaBV sichert u. a. den Rückgewähranspruch des Erwerbers bei etwaiger Nichtigkeit des Bauträgervertrages. Solche Bürgschaften sind Vorauszahlungsbürgschaften und sollen sicherstellen, dass der Erwerber bei einem Scheitern oder einer nicht vollständigen oder nicht ordnungsgemäßen Vertragsdurchführung seine nicht durch entsprechende Leistung des Bauträgers verbrauchten Vorauszahlungen zurückerhält (Absicherung des Vorauszahlungsrisikos).
Frage 8: Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus der BGH-Rechtsprechung?
Mängelhaftungsbürgschaften müssen im Hinblick auf den Verjährungsbeginn anders behandelt werden. Es steht nämlich insoweit nach wie vor im Streit, ob die Verjährung der Ansprüche aus einer solchen Bürgschaft bereits dann beginnt, wenn der Auftraggeber nach fruchtloser Fristsetzung gegenüber dem Auftragnehmer aus der Mängelhaftung heraus auf Geldzahlung gerichtete Ansprüche geltend machen kann (also der Sicherungsfall eingetreten ist) oder ob es dazu noch eines weiteren aktiven Handels des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer bedarf, durch den er kenntlich macht, nur Zahlungsansprüche gegen ihn geltend machen zu wollen (z. B. durch ein Zahlungsaufforderungsschreiben an den Auftragnehmer). Nach fruchtlosem Fristablauf zur Mängelbeseitigung hat der Besteller nach wie vor ein Wahlrecht. Er kann einerseits vom Unternehmer noch Nachbesserung verlangen; er kann andererseits aber auch dazu übergehen, einen Kostenvorschussanspruch geltend zu machen.
Bis zu einer endgültigen Klärung dieser Streitfrage muss vom Auftraggeber der sichere Weg bestritten und deshalb von einem Verjährungsbeginn mit Ablauf der fruchtlosen Fristsetzung ausgegangen werden. Auch in diesem Fall gilt allerdings, dass der Bürge und der Bürgschaftsgläubiger im Bürgschaftsvertrag eine längere Verjährung individuell vereinbaren können. Davon losgelöst zu betrachten ist die Frage, ob es zusätzlich einer Leistungsaufforderung gegenüber dem Bürgen bedarf, um die Fälligkeit auszulösen.
In der Vergangenheit hat u.a. das OLG Frankfurt am Main den Beginn der Verjährungsfrist für Ansprüche aus einer selbstschuldnerischen Gewährleistungsbürgschaft mit Eintritt des Sicherungsfalls – also durch die reine Entstehung des gesicherten Anspruchs – angenommen. Eine besondere Inanspruchnahme des Bürgen durch den Auftraggeber soll danach für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist nicht erforderlich sein. Danach sei die tatsächliche Inanspruchnahme ohne Bedeutung für die Fälligkeit. Es käme lediglich darauf an, dass der Auftraggeber einen auf Geldzahlung gerichteten Gewährleistungsanspruch habe. Das OLG Frankfurt wurde später vom BGH in dem bereits erörterten Urteil bestätigt. Bei Ansprüchen aus einer Bürgschaft handelt es sich nämlich nicht um sogenannte verhaltene Ansprüche, weil der Bürge nicht gehindert sei, auch ohne Anforderung mit befreiender Wirkung zu leisten (vgl. dazu OLG Hamm IBR 2007, 193).
Frage 9: Wann beginnt die Verjährung bei einer Gewährleistungsbürgschaft?
Mit Blick darauf, dass Mängelansprüche gegen Unternehmer im Vergleich zu Ansprüchen des Bauherrn gegen den Bürgen aus der Gewährleistungsbürgschaft unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegen können, ist die Frage der Entstehung eines Anspruchs gegen die Bürgin verjährungs-
rechtlich von großer Bedeutung.
Ansprüche aus einer Gewährleistungsbürgschaft werden erst dann fällig, wenn neben oder anstelle des Mängelbeseitigungsanspruchs ein auf Geldzahlung gerichteter Anspruch besteht. Deshalb ist es immer wieder Thema gerichtlicher Auseinandersetzungen, wann beispielsweise ein Kostenvorschussanspruch entsteht, der auch den Beginn der Verjährung für Bürgschaftsforderungen in Gang setzt. Frage ist dabei, ob ein Kostenvorschussanspruch des Bauherrn bereits dann entsteht, wenn der Unternehmer unter angemessener Fristsetzung zur Mängelbeseitigung fruchtlos aufgefordert wurde oder erst dann, wenn er sich entschließt, die Mängel selbst zu beseitigen und einen entsprechenden Vorschussanspruch geltend zu machen.
Das OLG Karlsruhe hat mit Beschluss vom 03.02.2009 (IBR 2010, 84) entschieden, dass der werkvertragliche Kostenvorschussanspruch nicht schon dann entsteht, wenn der Unternehmer mit der Mängelbeseitigung in Verzug ist, sondern erst dann, wenn der Besteller sich entschließt, die Mängel selbst zu beseitigen und den entsprechenden Vorschussanspruch geltend zu machen (ebenso KG IBR 2007, 76; OLG Köln IBR 2006, 93; OLG Dresden IBR 2008, 94). Mithin muss also schon dann, wenn der Besteller nach fruchtlosem Fristablauf der gesetzten Frist zur Mängelbeseitigung gegenüber dem Unternehmer Zahlung eines Kostenvorschusses verlangt wird, die Verjährungsfrist und der Lauf der Verjährung gegenüber dem Gewährleistungsbürgen im Blick behalten werden.
Frage 10: Wann beginnt die Verjährung bei Vertragserfüllungsbürgschaften?
Die Forderung aus einer selbstschuldnerischen Vertragserfüllungsbürgschaft wird mit der Hauptforderung fällig. Dabei entsteht der durch die Vertragserfüllungsbürgschaft gesicherte Anspruch des Auftraggebers auf Ersatz von Restfertigstellungsmehrkosten, sobald der Auftragnehmer die Fertigstellung verweigert. Im konkreten Fall des OLG Stuttgart (IBR 2010, 27) verweigerte der vorläufige Insolvenzverwalter die weitere Fertigstellung und ließ die Baustelle räumen.
Nachdem der Auftraggeber eine Brücke durch ein anderes Unternehmen fertig stellen ließ, ohne den Vertrag zu kündigen, verlangte er die Mehrkosten der Fertigstellung vom Vertragserfüllungsbürgen. Nach Auffassung des OLG Stuttgart war der Anspruch aus der Bürgschaft verjährt, da er gemeinsam mit der Hauptschuld fällig geworden sei und die Regelverjährungsfrist sodann abgelaufen war. Mit Blick darauf, dass im konkreten Fall die Fälligkeit nicht mit der Kündigung eintreten konnte, da eine solche nicht erklärt wurde, musste das OLG Stuttgart auf den Zeitpunkt der Erfüllungsverweigerung durch den Insolvenzverwalter abstellen. Das OLG Stuttgart erwähnte im Gegensatz zum OLG Karlsruhe, dass die Fälligkeit des Anspruchs (hier auf Erstattung der Fertigstellungsmehrkosten) nicht allein von der Wahl des Auftraggebers zwischen Erfüllung und Kostenerstattung abhänge, da der Auftragnehmer darauf keinen Einfluss habe. Dies zeigt, dass sich der Bürgschaftsgläubiger keineswegs auf obergerichtliche Entscheidungen rechtssicher berufen kann, vor allem dann nicht, wenn es unterschiedliche Rechtsprechung dazu gibt.
Wann beginnt die Verjährung der Ansprüche aus einer Mängelhaftungsbürgschaft?