Wettbewerb um Auszubildende hat begonnen
Ausbildungsplatzbörse www.bau-ausbildung.de
Die langjährige Strukturkrise in der Bauwirtschaft hat auch bei der Ausbildungssituation ihre Spuren hinterlassen. Zuletzt stabilisierte sich die Zahl neuer Auszubildender auf niedrigem Niveau. Für Betriebe wird es immer schwieriger, ausscheidende Mitarbeiter durch qualifizierten Nachwuchs zu ersetzen. Welchen Herausforderungen muss sich die Branche beim Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs stellen?
Ausbildungszahlen halbiert
Seit Mitte der neunziger Jahre hat sich die Gesamtzahl der Auszubildenden in der Bauwirtschaft mehr als halbiert. Ähnlich stark, nämlich mit über 40 %, fällt der Rückgang bei den Ausbildungsbetrieben aus. Die Ausbildungsquote – das ist der Prozentanteil der Auszubildenden an den Gesamtbeschäftigten – ist in diesem Zeitraum aufgrund der ebenfalls stark gesunkenen Beschäftigtenzahlen jedoch weitgehend stabil geblieben. Sie lag Ende 2009 mit 6,8 % in etwa im langjährigen Durchschnitt.
Entwicklungen zuletzt kritisch
Die aktuelle Ausbildungsquote gibt also noch keinen Anlass zur Sorge. Betrachtet man allerdings die Entwicklungen in den Jahren 2008 und 2009 genauer, wird diese Einschätzung relativiert:
n Die Zahl der Ausbildungsanfänger brach 2008 unerwartet um fast 11 % gegenüber dem Vorjahr ein.
n In 2009 folgte ein Rückgang um weitere 2 %, und auch für 2010 zeichnet sich bislang keine Erholung ab.
n Bis spätestens 2011 werden diese Entwicklungen auf die Ausbildungsquote durchschlagen, denn die Zahl der Beschäftigten in der Branche ging zuletzt nur leicht zurück. Damit wird eine Ausbildungsquote von weniger als 6 % schon für die nahe Zukunft zunehmend wahrscheinlich.
Demografie als größte Herausforderung
Was bedeuten diese Zahlen für die Bauwirtschaft und ihren Bedarf an Fachkräften? Viele Tatsachen sprechen dafür, dass sich die Bauwirtschaft intensiver als viele andere Branchen mit den Folgen der demografischen Entwicklung in Deutschland beschäftigen muss. Sowohl Prognosen als auch aktuelle Zahlen geben dazu klare Hinweise.
a) Altersstruktur in der Bauwirtschaft:
Der Anteil der Beschäftigten in der Bauwirtschaft mit einem Lebensalter unter 35 Jahren sinkt seit Jahren kontinuierlich. Im Jahr 1995 betrug dieser Anteil noch über 40 % (Angestellte: über 30 %) und ist aktuell bereits auf unter 30 % (Angestellte: unter 20 %) gesunken. Demgegenüber schiebt sich also ein „demografischer Bauch“ der über 35-Jährigen unaufhaltsam Richtung Renteneintrittsalter, das in der Bauwirtschaft aktuell knapp unter 62 Jahren liegt. Mit dieser Altersgruppe wird in den kommenden Jahren auch eine Vielzahl ausgezeichneter Fach- und Führungskräfte die Bauwirtschaft verlassen. Schon heute klagen Unternehmen immer häufiger über fehlenden Polier-Nachwuchs.
b) Prognosen zur Bevölkerungsstruktur:
Während die Altersstruktur in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts noch weitgehend die Merkmale einer klassischen Alterspyramide aufwies, hat sich diese in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert, denn die bevölkerungsstärk-sten Jahrgänge sind in einem immer höheren Alter anzutreffen. Im Jahr 2000 lag der bevölkerungsreichste Jahrgang bei den 38-Jährigen. Bis 2050 ist der stärkste Jahrgang bei den 60-Jährigen zu erwarten. Stand vor kurzem noch ein 64-jähriger Arbeitnehmer einem 16-Jährigen gegenüber, werden es bereits im Jahr 2025 zwei 64-Jährige sein.
c) Prognosen zu Schulabsolventen:
Wie der Berufsbildungsbericht der Bundesregierung zeigt, gab es im Jahr 2009 zum wiederholten Mal weniger Absolventen/innen aus allgemeinbildenden Schulen. Ebenso war die Zahl der Abgänger aus beruflichen Schulen rückläufig. Bei den Abiturienten wird es in den Jahren 2010 bis 2013 vorübergehend stärkere Zuwächse aufgrund doppelter Abiturientenjahrgänge geben – als Folge der Umstellung der Schulzeit von 13 auf 12 Jahre. Die größte Nachfrage nach Ausbildungsplätzen kommt jedoch von den Absolventen der Haupt-, Real- und Gesamtschulen. Deren Zahl sinkt bereits seit 2005 und wird bis zum Jahr 2020 um rund 30 % geringer sein als im Jahr 2004.
Die zuletzt stärker zurückgehenden Ausbildungszahlen in der Bauwirtschaft sind also möglicherweise erst der Beginn einer elementaren Herausforderung für die Bauwirtschaft: der Nachwuchsgewinnung vor dem Hintergrund demografischer Entwicklungen im Wettbewerb mit anderen Branchen.
Kampf um die Schulabgänger
Schon ein Blick auf Öffentlichkeitsarbeit und Medienaktivitäten lässt keinen Zweifel: Der Kampf um die besten Schulabgänger ist längst in vollem Gange. Immer häufiger ziehen großflächige Werbeanzeigen für Ausbildungsplätze, nicht zuletzt auch von großen Lebensmitteldiscountern, die Aufmerksamkeit auf sich. Die Ausbildung junger Menschen wird stärker als in der Vergangenheit als Zukunftssicherung gesehen, für die sich auch Marketinginvestitionen lohnen.
Dabei ist es kein Geheimnis, dass die Unternehmen und Branchen von sehr unterschiedlichen Positionen heraus in diesen Wettbewerb gehen. Seit jeher ziehen einige Ausbildungsberufe Bewerber sehr stark an, während andere Berufe mit unbesetzten Ausbildungsstellen zu kämpfen haben. Laut einer Erhebung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) aus dem Jahr 2008 befanden sich Bauberufe weder in der Gruppe der 10 Berufe mit dem größten Bewerber-überhang noch in der Gruppe der 10 Berufe mit den meisten unbesetzten Ausbildungsstellen.
Branchenimage als Erfolgsfaktor
Bereits im Rahmen der Leitbildentwicklung Bau wurde festgestellt, dass die wirtschaftliche Lage einer Branche enormen Einfluss besitzt auf die Attraktivität für potenzielle Arbeitnehmer. Wird die Bauwirtschaft mit schlechten Zukunftsperspektiven assoziiert, wie eine Umfrage des Instituts Allensbach noch im Jahr 2007 ergab, so sind dies grundsätzlich ungünstige Voraussetzungen für die Gewinnung von Nachwuchskräften. Bei der Umfrage unter 16- bis 29-Jährigen war die Bauwirtschaft bei den Kriterien „sichere Arbeitsplätze“ und „gute Zukunftsaussichten“ lediglich im letzten Viertel aller bewerteten Branchen platziert. Und so sehen die harten Fakten aus: 92 % wünschten sich einen sicheren Arbeitsplatz, aber nur 26 % verbanden dies mit dem Beruf des Baufacharbeiters. 81 % legten darauf Wert, dass ein Beruf Zukunft hat und Erfolg verspricht, aber nur 33 % waren davon überzeugt, dass der Beruf des Baufacharbeiters dies erfüllt. 71 % legten Wert auf ein hohes Einkommen, aber nur 22 % waren der Meinung, dass dies bei dem Beruf des Baufacharbeiters der Fall ist. Dagegen hat die Umfrage erfreulicherweise aber auch ergeben, dass die Baubranche bei der Bewertung „bietet interessante und vielseitige berufliche Möglichkeiten“ mit Rang 3 eine Spitzenplatzierung erreichte.
Pro Bauwirtschaft
Die Wettbewerbssituation ist also schwierig, und gerade deshalb muss sich die Bauwirtschaft auf Ihre Stärken konzentrieren: Attraktivität der Berufe, überbetriebliche Infrastruktur, finanzielle Ausbildungsförderung, Höhe der Ausbildungsvergütungen.
16 verschiedene Berufe der Stufenausbildung in den Sparten Hochbau, Tiefbau und Ausbau und weitere Bauberufe wie z.B. Baugeräteführer und Bauzeichner repräsentieren das breite Spektrum des Bauens. Welche andere Branche bietet vergleichbar vielfältige Aufgaben und Tätigkeiten? Bietet die Möglichkeit, Wahrzeichen die jeder kennt, Wolkenkratzer in den Himmel oder Straßen für Millionen von Autos zu bauen? Bietet einen Arbeitsplatz in luftiger Höhe oder in der Tiefe? Auch der Einsatz hochwertiger Technik ist längst ein selbstverständlicher Bestandteil vieler Bauberufe geworden. Die Tatsache, dass man in der Bauwirtschaft nach der Ausbildung recht schnell Karriere machen kann, wird oft übersehen. Vorarbeiter, Werkpolier oder geprüfter Polier sind schnell erreichbare Qualifizierungsstufen. Nach dreijähriger Berufspraxis als Facharbeiter kann auch der Meisterbrief erworben werden.
Ein wesentlicher Pluspunkt für die Bauwirtschaft sind die über 200 überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Die überbetriebliche Ausbildung ergänzt und vertieft die betriebliche Ausbildung, sichert damit einen hohen Qualitätsstandard und begleitet den Fortschritt in der Bautechnik. Die Ausbildungsverordnung der Stufenausbildung sieht hierfür im ersten Ausbildungsjahr einen Zeitraum von 17 bis 20 Wochen, im zweiten Ausbildungsjahr von 11 bis 13 Wochen und im dritten Ausbildungsjahr von 4 Wochen vor. Nicht umsonst ist die gute Qualität der Ausbildung weltweit anerkannt und einer der Gründe, dass in der letzten Baukrise viele qualifizierte Beschäftigte im Ausland einen Arbeitsplatz fanden. Auch für die Nachwuchsgewinnung leisten viele Ausbildungszentren bereits heute hervorragende Arbeit. Tage der offenen Tür, Durchführung von Eignungstests und Imagekampagnen an Schulen sind wichtige Erfolgsfaktoren im Wettbewerb um Nachwuchs. Zur überbetrieblichen Infrastruktur gehört auch Soka-Bau mit den branchenspezifischen Leistungen. Eine Branche, die mit überbetrieblichen Systemen auf spezielle Herausforderungen (z.B. Arbeitsplatzwechsel, Rentenansprüche, fairer Wettbewerb) zu reagieren weiß, verfügt über einen grundsätzlichen Attraktivitätsvorteil.
Zu den Leistungen von Soka-Bau gehört auch die umlagefinanzierte Ausbildungsförderung. Jeder Baubetrieb zahlt dafür einen Beitrag von monatlich 2,3 % der Bruttolohnsumme seiner gewerblich Beschäftigten an Soka-Bau. Leistungen erhalten die ausbildenden Betriebe durch Erstattung eines Großteils der Ausbildungsvergütungen sowie der Kosten der überbetrieblichen Ausbildung. Im Jahr 2009 waren dies insgesamt rund 270 Mio. Euro. Die Ausbildungsförderung reduziert wirkungsvoll ein wesentliches Ausbildungshemmnis, nämlich die Kostenbelastung für ausbildende Betriebe. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass die Ausbildungsquote der Bauwirtschaft auch in Krisenjahren stabil war.
Bei den Ausbildungsvergütungen schneidet die Bauwirtschaft im Vergleich zu anderen Branchen noch immer gut ab. Die Höhe der Ausbildungsvergütung mit durchschnittlich 895 € in den alten, 709 € in den neuen Bundesländern liegt für die Bau-Auszubildenden über dem Durchschnitt. Insbesondere im 3. Ausbildungsjahr liegt die Ausbildungsvergütung wie nur in ganz wenigen anderen Berufen im vierstelligen Bereich.
Fazit
1) Die Sicherstellung des Fachkräftebedarfs in der Bauwirtschaft führt zunächst über den Wettbewerb mit anderen Branchen um die besten Schulabgänger. Die Bauwirtschaft hat keinen Grund sich zu verstecken, denn sie verfügt über gute Argumente für die Branche. Ein Handicap, langfristig und nur schwer beeinflussbar, ist jedoch das allgemeine Image der Bauwirtschaft.
2) Die Konzentration auf die besten Schulabgänger ist möglicherweise nicht ausreichend. Lösungen dafür, wie auch weniger qualifizierte Schulabgänger zu einer Ausbildungsreife hingeführt werden können, sollten auch in der Bauwirtschaft kein Tabu-Thema sein.
3) Nach der Ausbildung werden zwei weitere Faktoren wichtig: Die Abwanderung ausgebildeter Fachkräfte in andere Branchen, wie sie während der Krisenjahre massiv stattgefunden hat, muss für die Zukunft gestoppt werden.
Thomas Arnold,
Leiter Spezialisten im Kunden-Service-Center von Soka-Bau