Forschungsprojekt zeigt Energiesparpotential

Deutscher Baupreis 2022 im Bereich Nachhaltigkeit geht an Raab

Für das Konzept, den Energieverbrauch von Wohnhäusern durch gemeinsame Erzeugung und -nutzung zu optimieren, wurde die Raab Baugesellschaft beim Deutschen Baupreis 2022 mit dem Sonderpreis Nachhaltigkeit ausgezeichnet.

Für ihr umfassendes Energieeinsparkonzept wurde die Raab Baugesellschaft mbH & Co KG von der Jury des Deutschen Baupreises mit dem Sonderpreis „Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet.
© Bauverlag

Für ihr umfassendes Energieeinsparkonzept wurde die Raab Baugesellschaft mbH & Co KG von der Jury des Deutschen Baupreises mit dem Sonderpreis „Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet.
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Im Jahr 2022 überzeugte Raab die Jury eines wissenschaftlichen Wettbewerbs mit seinem einzigartigen Forschungsprojekt „Herzo Base Energiespeicherhäuser“ in Herzogenaurach. Das Projekt umfasste den Bau von acht KfW 40+ Effizienzhäusern, die als Realprojekt konzipiert waren, um die Synergieeffekte durch die gemeinsame Energieerzeugung und -nutzung von Eigentümern im Vergleich zu einzelnen Häusern zu demonstrieren.

Das interdisziplinäre Forschungsvorhaben befasste sich mit der Weiterentwicklung hochwärmedämmender Wandbaustoffe und der optimalen Systemintegration aktiver Komponenten der Gebäudetechnik und Betriebsführung in acht Plusenergie-Reihenhäusern als Mehrfamilienwohnhaus und Quartierslösung mit gemeinsamer Technik. Die Ergebnisse sind von Bedeutung für die Bereiche Forschung und Entwicklung sowie Politikgestaltung im Hinblick auf effektive Förderprogramme und Baubestimmungen im Sinne der Nachhaltigkeit. Für dieses Forschungsprojekt wurde Raab mit dem Sonderpreis „Nachhaltigkeit“ ausgezeichnet. Nicht das erste Mal: Bereits 2018 konnte sich Raab als bestes teilnehmendes Unternehmen im Baupreiswettbewerb vom Bauverlag BV GmbH in der Kategorie Tiefbau – kleine und mittlere Bauunternehmen gegen harte Konkurrenz durchsetzen.

Forschung und Umsetzung Hand in Hand

Die energieeffiziente Bauweise des Projekts wurde von Wissenschaftlern der Technischen Hochschule Nürnberg am Energie Campus entwickelt. Gemeinsam mit der Raab Baugesellschaft, einem zukunftsoffenen Partner mit einer gemeinsamen Vision zur Erstellung klimaneutraler Gebäude, wurde das Projekt im Rahmen eines innovativen Forschungsprojektes des Energie Campus Nürnberg (EnCN) realisiert. Die Umsetzung erfolgte in Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative „Agenda 21 Arbeitskreis Energie Herzogenaurach“, Industriepartnern und dem Architekturbüro Bär Kühhorn aus Nürnberg auf einem ehemaligen Kasernengelände im Neubaugebiet Herzo Base.

Die Herzo-Base-Wohnanlage
© TH Nürnberg / EnCN

Die Herzo-Base-Wohnanlage
© TH Nürnberg / EnCN
Der Gebäudekomplex wurde mit dem Fokus auf gemeinsame Energiegewinnung, -speicherung und -regelungstechnik sowie optimale Wärmedämmung errichtet. Die Projektleiterin Constance Köpke von der Raab Baugesellschaft, Bauingenieurin, Baubiologin (IBN) und Baubiologische Energieberaterin (IBN), legte besonderen Wert auf den Einsatz ausschließlich wohngesunder und hochwertiger Baustoffe. Ihre Schwerpunkte liegen dabei auf Ökologie und Nachhaltigkeit, nicht nur bei diesem Projekt.

Innovatives Energiekonzept

Die energetische Versorgung der Gebäude wurde durch ein optimales Zusammenwirken aller Komponenten der technischen Gebäudeausrüstung und der Gebäudehülle gewährleistet. Die Außenwände der Reihenhäuser wurden aus hochwärmedämmenden Ziegeln hergestellt. Dafür wurden die inneren Hohlräume der verwendeten Poroton-Ziegel im Energie Campus Nürnberg mit dem Hochleistungsdämmstoff Calostat von Evonik ausgerüstet. Dadurch konnten außerordentlich niedrige U-Werte der Gebäudehüllen von nur 0,13 W/(m²K) erzielt werden. Die Außenwandkonstruktionen der einzelnen Häuser unterscheiden sich und werden hinsichtlich ihrer Dämmeigenschaften miteinander verglichen.

Der Gebäudekomplex verfolgt ein innovatives Energiekonzept, welches auf einer integrierten Nutzung mehrerer Energieerzeuger basiert. Dazu zählen eine Photovoltaik-Anlage mit Ost-West-Ausrichtung (88 kW peak), 2 Sole/Wasser-Wärmepumpen mit Geothermie, 7 Tiefenbohrungen sowie thermische und elektrische Speicher mit einer Kapazität von 39 kWh. Die zentrale Steuerung der Speicher, durch eine PV-optimierte und prädiktive Betriebsführung, ermöglicht eine effiziente Nutzung der erzeugten Energie im Verbundsystem.

Vorausschauende Regelungstechnik

Herzo Base: Ein Blick in den Technikkeller mit Batteriespeicher und Wechselrichter
© Churu / Anna Lena Tsutui

Herzo Base: Ein Blick in den Technikkeller mit Batteriespeicher und Wechselrichter
© Churu / Anna Lena Tsutui
Die Wärmepumpen passen sich der PV-Produktion an und sorgen so für eine hohe PV-Nutzung. Eine eigens entwickelte Software, welche auch Wetterdaten und -prognosen berücksichtigt, ermöglicht eine vorausschauende Regelungstechnik und einen besonders optimierten Energieeinsatz. Durch die Geothermie ist auch eine energieneutrale passive Kühlung im Sommer zur Raumtemperierung möglich. Die Energiezentrale befindet sich im Keller (Technikkeller) und ist gemeinsam für alle acht Häuser nutzbar. Das Modellvorhaben zeigt die technische und wirtschaftliche Machbarkeit in den Bereichen PV, Geothermie und Speicher, und ermöglicht eine hohe Effizienz sowie geringe CO2-Emissionen des Gesamtsystems.

Im Rahmen des mehrjährigen Monitorings wurden die Gebäude einer umfassenden energetischen Bewertung unterzogen. Hierfür wurden an wichtigen energetischen Stellen in der Gebäudehülle zahlreiche Sensoren installiert, die es ermöglichen, physikalische Kenngrößen im bewohnten Zustand zu messen. Der wissenschaftliche Teil des Projekts wurde mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (Förderkennzeichen 03ET1364A) unterstützt.

Energieproduktion höher als der Verbrauch

Die Kosten für die Heizenergie lagen für 2021 bei durchschnittlich 375,00 Euro im Jahr pro Haus – bei einer Wohnfläche von je 155 m². Der Plusenergie-Gebäudekomplex erzeugt über das Jahr mehr Energie, als er verbraucht. Die wohngesunden Häuser wurden zu konkurrenzfähigen Preisen auf dem freien Immobilienmarkt verkauft. Das vielbeachtete Modellvorhaben „Wohngesund leben in Energiespeicherhäusern – ein Leuchtturmprojekt“ wurde 2018 in Herzogenaurach abgeschlossen. Die Häuser wurden nach Raumluftmessungen gemäß den wohngesunden Kriterien des Sentinel-Haus-Instituts und vom TÜV erfolgreich zertifiziert. Als Demonstrationsobjekt für nachhaltiges und energieeffizientes Bauen leistet das Gebäude einen realen Beitrag zur Energiewende.

www.raab-bau.de

Gisela Raab (li.) und Constance Köpke
© Raab

Gisela Raab (li.) und Constance Köpke
© Raab

Über die Autorinnen:

Gisela Raab ist Bauingenieurin, Baubiologin (IBN) und Baubiologische Energieberaterin (IBN).
Seit 1996 ist sie geschäftsführende Gesellschafterin der Raab Baugesellschaft mbH & Co KG und leitet die Projektentwicklung und den SF Bau (Schlüsselfertigbau).

2013 erhielt sie den Bayerischen Ingenieurpreis für das erste wohngesunde Mehrfamilienwohnhaus für sensitive Menschen, ein Sentinelhaus, in Bayern. 2020 wurde sie mit der Bayerischen Verfassungsmedaille für ihre Verdienste und großartigen Leistungen von gesellschaftlicher Relevanz in wirtschaftlicher und städtebaulicher Hinsicht geehrt. Sie setzte zahlreiche fruchtbare Impulse, die eine positive Entwicklung von Kommunen in hohem Maße befördern. Ihr kommt für ihre verdienstvolle Arbeit Vorbildcharakter zu – nicht nur im Hinblick auf den Klimaschutz, sondern auch im sozialen Bereich.

Constance Köpke ist Bauingenieurin, Baubiologin (IBN) und Baubiologische Energieberaterin (IBN).

Seit 2014 ist sie, nach langer Selbstständigkeit, bei der Raab Baugesellschaft in der Projektentwicklung tätig und leitet den Vertrieb. Durch ihr Engagement für das Pilotprojekt Energiespeicherhäuser hat das Unternehmen im Herbst 2022 den Bayerischen Energiepreis erhalten.

5 Fragen an Gisela Raab, Geschäftsführerin der Raab Baugesellschaft mbH CO KG, zum Projekt „Herzo Base“

THIS: Wie betrachten Sie das Projekt Herzo Base im Rückblick?

Gisela Raab: Vor fünf Jahren war es eine große Herausforderung, ein so zukunftsweisendes Projekt wie diese acht Forschungshäuser als Realprojekt am Immobilienmarkt zu platzieren. Niemand konnte vorhersehen, dass energieeffizientes Bauen im Jahr 2022 zu einem der wichtigsten Themen werden würde.

THIS: Ihr Fazit?

Gisela Raab: Es hat sich gezeigt, dass Ökologie ohne Solidarität der Nutzer nicht funktioniert. Die Gründung einer Energie- und Hausgemeinschaft sowie die gemeinsame Umsetzung des technologisch fortschrittlichen Konzepts waren ausschlaggebend für die Errichtung der bezahlbaren und höchst energieeffizienten Häuser.

THIS: Haben Sie bei den Behörden mit dem ungewöhnlichen Konzept offene Türen eingerannt?

Gisela Raab: Offene Türen nicht gerade, aber es gab viel guten Willen. Trotz der zahlreichen gesetzlichen Vorschriften und behördlichen sowie finanziellen Hürden, die überwunden werden mussten, konnte das Bauvorhaben schließlich realisiert werden. Innovation wird häufig durch Normen und Gesetze eingeschränkt, doch dieses Projekt zeigt, dass es durch Zusammenarbeit, Mut und den Willen zur Veränderung dennoch möglich ist, zukunftsweisende Ideen erfolgreich umzusetzen.

THIS: Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen Theorie und Praxis?

Gisela Raab: Die Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Nürnberg und dem Energie Campus Nürnberg hat richtig Freude bereitet, und wir haben alle viel dazu lernen können. Auch haben wir äußerst aufgeschlossene und interessierte Käufer gefunden, die bereit waren, sich für einen Zeitraum von vier Jahren an einem Monitoring zu beteiligen und Einblick in ihren Energieverbrauch zu gewähren. Dadurch konnten wir wichtige Erkenntnisse gewinnen und unser Konzept weiter optimieren.

THIS: Werden Sie diesen Weg weitergehen?

Gisela Raab: Ja. Mit den Energiespeicherhäusern haben wir einen wegweisenden Beitrag zur Energiewende leisten können, unter dem Motto ‚schon heute bauen wie im Jahr 2030‘. Nicht zuletzt ist der Sonderpreis für Nachhaltigkeit des Deutschen Baupreises für uns ein großer Ansporn, uns weiterhin für Nachhaltiges Bauen und Klimaschutz zu engagieren. Wir sind der Überzeugung, dass die Umsetzung sinnstiftender und klimaschonender Wohnprojekte mit Gemeinschaftskonzepten der richtige Weg ist.

Raab Baugesellschaft mbH & Co KG

Die Raab Baugesellschaft mbH & Co KG ist ein mittelständischer Familienbetrieb, 1898 gegründet, er wird in vierter und fünfter Generation erfolgreich geführt. Das oberfränkische Traditionsunternehmen ist, schon lange bevor die Klimakrise und der Ruf nach Nachhaltigkeit in aller Munde war, für ihre ökologischen Bauprojekte und umweltfreundliche Betriebsführung bekannt. Viele ungewöhnliche Projekte, wie die Baustoffbörse in Rödental, oder auch Vorzeigeprojekte im  sozialen Wohnungsbau sowie im seniorengerechten Bauen im ländlichen Raum haben der Firma Raab seit langem das Image eines nachhaltigen und zukunftsweisenden Unternehmens ermöglicht.

Das Unternehmen ist sowohl im Hochbau, Tiefbau, Straßenbau, Brückenbau, Ingenieurbau als auch im schlüsselfertigen Bauen tätig und beschäftigt aktuell rund 225 Mitarbeiter, davon 175 Bauhandwerker sowie 18 Auszubildende an den Standorten Ebensfeld und Herzogenaurach.

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