„Müller-Steinag ist für Birco der perfekte Partner“
Mit Schweizer Unterstützung sicher in die ZukunftGespräch mit den Birco-Geschäftsführern Christian Merkel und Dr. Ingo Markgraf zum Verkauf der Birco GmbH an die Schweizer Müller-Steinag Gruppe.
THIS: Vor kurzem gab es ja für Birco einen Besitzer-
wechsel – die familiengeführte Birco GmbH ging in die Hände der inhabergeführten Müller-Steinag Gruppe aus der Schweiz. Wie kam es dazu?
Christian Merkel: Birco ist durch und durch ein traditionelles Familienunternehmen mit allen Werten, die man damit verbinden kann. Frank Wagner leitete das Unternehmen in dritter Generation und stand immerhin 35 sehr erfolgreiche Jahre an der Spitze. Für ihn war der richtige Zeitpunkt zur Übergabe an die nächste Generation gekommen. So gab es Bestrebungen, das Unternehmen innerhalb der Familie weiterzugeben; damit hatte auch die Belegschaft gerechnet. Das scheiterte allerdings in letzter Minute.
THIS: Wie hat Ihre Belegschaft darauf reagiert?
Christian Merkel: Das war in der Tat für uns keine einfache Situation. Deshalb waren wir sehr froh, dass uns Ingo Markgraf hier hochkompetent unterstützen konnte. Er war langjähriger Berater, kannte also Birco in- und auswendig. Auf der anderen Seite hatte er als Externer eine etwas größere Distanz zu den Ereignissen, was uns einen erweiterten Blick auf die Vorgänge ermöglichte.
Während des Genehmigungsverfahrens steckten die Mitarbeitenden fast zwei Jahre in einer Art Schwebezustand. Keiner wusste so richtig, wie es weitergeht. Erst haben wir die Belegschaft darüber informieren können, dass wir uns mit ACO geeinigt haben. Es folgte das Genehmigungsverfahren und die Botschaft, dass wir auf die Freigabe warten müssen. Letztlich wurde dem Zusammengehen widersprochen, und am Ende untersagte das Kartellamt den Zusammenschluss.
Dr. Ingo Markgraf: Unsere Aufgabe war hier, durch passende Kommunikation die Belegschaft mitzunehmen und mögliche Verunsicherungen auszuräumen. Birco war ja keinesfalls in einer kritischen Situation, sondern während des ganzen Prozesses ein gesundes, gut geführtes Unternehmen.
THIS: Trotzdem keine einfache Situaton …
Christian Merkel: ...die wir dennoch gut gemeistert haben. Das operative Geschäft lief gut, wir hatten die beiden Jahre Top-Ergebnisse. Die gescheiterte Übernahme hat dennoch die Stimmung negativ beeinflusst.
THIS: Wie ging es weiter?
Christian Merkel: Natürlich war die Nachricht vom gescheiterten Zusammengehen durch die Presse gegangen. Innerhalb kürzester Zeit meldeten sich über 40 Interessenten, die Interesse an einer Übernahme von Birco hatten. Also haben wir den Ball gleich wieder aufgenommen.
Dr. Ingo Markgraf: Für mich war besonders, dass es eine ganz klare Vorstellung davon gab, wie denn der nächste Gesellschafter sein sollte. Also sprachen wir sehr früh über wesentliche Dinge wie das Absichern der Belegschaft, über den Erhalt der Marke, des Standortes und unseres Wertesystems.
THIS: Inwieweit spielten kaufmännische Aspekte eine Rolle?
Christian Merkel: Wirtschaftliche Aspekte spielten erstmal überhaupt keine Rolle. Allen Interessenten war bekannt, dass Birco ein sehr solides und erfolgreiches Unternehmen ist, und dass wir eine starke Marke haben. Im ersten Auswahlverfahren ging es ausschließlich darum, jemanden zu finden, der unsere Werte teilt, unsere Mission und die Kernpunkte unserer Strategie mitträgt. Das wurde dann am Ende die Müller-Steinag-Gruppe.
THIS: Waren alle zufrieden?
Dr. Ingo Markgraf: Ich habe das Thema damals von außen, als externer Berater begleiten können – ich glaube, dass alle Beteiligten mit dem Ergebnis hochzufrieden waren. Müller-Steinag ist ebenfalls ein sehr solides, sehr traditionsbewusstes Unternehmen in bester Schweizer Manier, das Birco mit sehr viel Respekt betrachtete. Das war schon eine ausgezeichnete Basis.
THIS: Herr Merkel, was bedeutete das für Sie persönlich? Sie sind, wenn ich mich recht erinnere, auch schon ein paar Jahrzehnte dabei.
Christian Merkel: Ja, letzten Oktober waren es 31 Jahre. Da ist man schon sehr stark im Unternehmen und in seinen Werten verwurzelt.
Der ganze Prozess von den ersten Überlegungen der familieninternen Übergabe bis zum guten Abschluss dauerte immerhin vier Jahre und hatte durchaus kräftezehrende Phasen. Als ich am 22. Dezember 2023 zur Übergabe in der Schweiz war, war das schon ein sehr schöner Moment; erst recht, da wir mit Müller-Steinag – einer Unternehmensgruppe mit ähnlich hohen Werten, mit starker Mitarbeiterorientierung und viel Tradition – den idealen Partner gefunden haben. Der Einstand beim Vorsitzenden des Verwaltungsrats Urban Müller war von Anfang an sehr freundschaftlich und familiär.
THIS: Wie ist das Arbeiten in einer solchen Phase von unklaren Verhältnissen?
Christian Merkel: Ehrlich gesagt nicht so viel anders als sonst auch. Die operativen Einheiten hatte ich direkt zu führen. Dabei konnte ich auf ein sehr gutes Führungsteam zurückgreifen. Die Gesellschafter haben sich miteinander auseinandergesetzt. Des Weiteren habe ich mit starker Unterstützung von Ingo Markgraf weiter am Thema Strategie gearbeitet; wir hatten an keiner Stelle Stillstand.
THIS: Das ist wohl wichtig, in jede Richtung …
Christian Merkel: Ja. Für die Belegschaft war das ein Signal von Normalität. Und dem neuen Gesellschafter gegenüber konnten wir klar zeigen, dass wir einen vernünftigen Businessplan, eine gute Strategie und vor allem auch eine sehr tragfähige Mission haben.
Für Müller-Steinag war das ein klares Zeichen, dass Birco ein Unternehmen ist, das weiß, was es will, dass Mitarbeiter und Geschäftsführung mitziehen. So etwas schafft Vertrauen und war sicher auch einer der Gründe, dass Müller-Steinag auch uns als Geschäftsführung das Vertrauen ausgesprochen hat.
THIS: Herr Markgraf, Sie standen Herrn Wagner und Herrn Merkel während des gesamten Prozesses fest zur Seite. Was waren die Heraus-forderungen aus Ihrer Wahrnehmung?
Dr. Ingo Markgraf: Das war ganz klar die Kommunikation an die Belegschaft. In solch einer aus Sicht der Mitarbeitenden unsicheren Phase besteht ein gewaltiger Bedarf an Informationen, aber es ist unmöglich, jedem einzelnen Informationsbedürfnis gerecht zu werden.
Wir haben so weit wie möglich mit der Belegschaft kommuniziert, und die wollten natürlich auch zu jedem Zeitpunkt der Verhandlungen den exakten Stand der Dinge erfahren – das ist ja auch verständlich, wenn man einem Unternehmen so verbunden ist, wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das sind.
THIS: Das war aber nicht immer möglich?
Dr. Ingo Markgraf: Nein, leider nicht. Wenn man mitten in Verhandlungen ist, kann man nicht jede halbe Stunde die Türe öffnen und Zwischenstände bekanntgeben. Aber wir haben sehr bewusst so viel Information, wie irgendwie möglich war, an die Belegschaft weitergegeben.
THIS: Wie haben Sie in solchen Verhandlungsphasen mit Ihren Mitarbeitern kommuniziert?
Dr. Ingo Markgraf: Wenn wir keine konkreten Informationen hatten, über die wir sprechen konnten, haben wir über den Prozess gesprochen. Wir haben bei Birco noch nie so viele Mitarbeiter-Informationen gehabt wie in dem Jahr.
Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum die gesamte Übernahme relativ unaufgeregt verlaufen ist. Wir haben stets versucht, die Mitarbeiter so gut es geht zu informieren.
THIS: Es scheint sich gelohnt zu haben.
Christian Merkel: Ja, die letzten Jahre waren in der Tat für Birco die wirtschaftlich erfolgreichsten Jahre überhaupt. Wir haben zu keinem Zeitpunkt eine Lähmung im Unternehmen gehabt, keine Schockstarre. Unternehmen und Produktion liefen reibungslos weiter. Das hat in der Tat geholfen, die Nervosität unten und die Produktivität oben zu halten.
THIS: Wie sortiert sich Birco denn nun bei Müller-Steinag ein?
Christian Merkel: Müller-Steinag ist mit seine Marke Creabeton in der Schweiz sehr erfolgreich, und ist dort Marktführer. Aber sie sagen selbst, dass sie den deutschen Markt nicht so gut kennen wie wir. Birco wiederum ist eine starke Marke, die als Plattform hervorragend für den weiteren Ausbau geeignet ist.
Dr. Ingo Markgraf: Man darf auch unsere Identität nicht vergessen – Birco ist fast 100 Jahre alt, mit sehr viel Geschichte, mit sehr viel Erfolg. Wir haben ja eine sehr, sehr starke Marke, wir haben Mitarbeitende, die sich auch sehr mit dem Unternehmen und der Marke identifizieren. Mit Müller-Steinag an unserer Seite kann Birco Birco bleiben – das war uns wichtig.
Christian Merkel: Wir sind sehr gut eingebunden. Ich selbst bin ein, zwei Mal pro Monat in der Schweiz. Außerdem gibt es regelmäßig Treffen der verschiedenen Fachabteilungen. Der Austausch ist für beide Seiten sehr fruchtbar.
THIS: Und – ist die Belegschaft mit Müller-Steinag zufrieden?
Christian Merkel: Ja, zu Recht. Wir wurden mit offenen Armen empfangen. Müller-Steinag hatte die komplette Birco-Belegschaft sin die Schweiz eingeladen. Wir wurden von den Schweizer Kollegen hin bis zu den Mitgliedern des Verwaltungsrats mit offenen Armen und mit einer Wärme empfangen, die wir so nicht erwartet hatten; da war von Schweizer Zurückhaltung und Sachlichkeit wenig zu spüren, so überaus herzlich war das.
Ich glaube, jeder bei Birco hat verstanden, dass wir mit Müller-Steinag den perfekten Partner gefunden haben.
Birco GmbH
www.birco.de
Der Weg von Birco begann 1927 als Kohle- und Baustoffhandel in Baden-Baden. Doch bereits in den 50er Jahren erkannte Firmengründer Fritz Birnbräuer das Potenzial von Betonabflussrinnen für die Landwirtschaft. Die Produktion und der Vertrieb dieser Rinnen entwickelten sich zum Kerngeschäft des Unternehmens. Im Jahr 1965 brachte das Unternehmen als erster deutscher Hersteller eine befahrbare Betonrinne mit Gitterabdeckung für den öffentlichen Verkehr auf den Markt. Dies markierte den Beginn der Spezialisierung auf stabile und umweltfreundliche Rinnensysteme zur Oberflächenentwässerung.
Bis heute hat sich Birco zu einem der führenden Anbieter von Rinnensystemen, Regenwasser-Behandlungsanlagen und Systemen zur Rückhaltung und Versickerung in Europa entwickelt. Das Unternehmen hat eigene Vertriebsbüros in Deutschland, Frankreich und Benelux sowie Vertriebspartner und Lizenznehmer in 17 weiteren Ländern. Birco entwickelt ganzheitliche Entwässerungskonzepte für verschiedene Kompetenzfelder und begleitet Projekte von der Planung bis zur Realisierung.
Ausblick und Kontinuität: Die kontinuierliche Weiterentwicklung der Exportaktivitäten, die Erschließung des ostdeutschen Marktes und die Stärkung der Marke Birco waren strategisch wichtige Aufgaben. Das Unternehmen bleibt seiner Tradition der Innovation und Exzellenz treu, während es sich neuen Herausforderungen und Chancen stellt.
Die beiden Brüder Xaver und Blasius Müller legten 1927 den Grundstein des heutigen Unternehmens, indem sie in der ehemaligen Scheune des elterlichen Hofs 1-Meter-Zementrohre maschinell fertigten. 1960 übernahm Sebastian Müller-Troxler und ließ nur zwei Jahre später ein modernes Kieswerk bauen.
1969 kam eine Produktionsstätte von 2-Meter-Spezialbetonrohren hinzu. 1981 wurde die Müller-Steinag Baustoff AG gegründet und damit einerseits das Sortiment deutlich vergrössert, andererseits die Produktion effizienter gemacht.
1994 wurde die Creabeton Baustoff AG gegründet und ein neues Verwaltungsgebäude im Bohler errichtet. 2003 kam der Standort Brugg zur Müller-Steinag Gruppe, 2023 erfolgte die Übernahme der Birco GmbH. Damit umfasst die Firmengruppe 14 Standorte und knapp 1000 Mitarbeitende.
www.mueller-steinag.ch
ist der Beton“
Drei Fragen an Marian Dürrschnabel, M.Eng. (FH),
Abteilungsleiter Produktmanagement, F&E und Anwendungstechnik bei der Birco GmbH, zum Thema Nachhaltigkeit
THIS: Welche Rolle spielt bei Ihnen das Thema Nachhaltigkeit?
Marian Dürrschnabel: Eine wirklich große. Wir sind ständig am Forschen und Ausprobieren, welche Möglichkeiten alternative Bindemittel bieten. Wir fahren viele Versuche mit klinkerarmen und klinkerfreien Betonen. Noch hapert es ein wenig an ausreichender Lieferfähigkeit, so dass wir noch eine ganze Weile von der Zementindustrie abhängig sein werden.
THIS: Gibt es weitere Forschungsbereiche zur Reduzierung Ihres Carbon Footprint?
Marian Dürrschnabel: Wir arbeiten beispielsweise auch an der Verwendung von nichtmetallischer Bewehrung. Bei einer klassischen Stahlbewehrung müssen wir ja immer, um Korrosion zu verhindern, für den Stahl eine entsprechende Betonüberdeckungen einhalten. Diese versuchen wir zu minimieren, etwa durch Einsatz von Karbonbewehrung.
Dann arbeiten wir am Einsatz von recycelten Werkstoffen, teilweise auch Betonbruch, der bei uns hier entsteht. Den zerkleinern wir und geben den den Ursprungsrezepturen wieder zu. Wir versuchen auch, weitestgehend das Regenwasser zu verwenden, das hier am Standort anfällt. Ja, das sind die Aspekte, die wir von unserer Seite aus tun und auch tun können.
THIS: Versuchen Sie auch, Ihre Kunden in Richtung Nachhaltigkeit zu beeinflussen?
Marian Dürrschnabel: Wir überlegen natürlich auch in andere Richtungen und verfolgen viele andere Ansätze, etwa im Bereich Logistik. Ist es wirklich notwendig, jeden Tag oder jeden zweiten Tag jede Niederlassung des Baufachhandels anzufahren? Ansonsten sind unsere Kunden, soweit wir Einblick haben, auch selbst sehr intensiv dabei, durch Optimierungen, durch Digitalisierung oder etwa den Einsatz von Elektrofahrzeugen ihren CO2-Abdruck zu verbessern.