„Das Thema Schlichtung liegt mir wirklich am Herzen“
Interview mit Dipl.-Ing. Peter Hübner, neu gewählter Präsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie und Vorstand der Strabag AG
jetzt sitzen Sie im Vorstand der Strabag und wurden gerade zum Präsidenten des Hauptverbands der Deutschen
Bauindustrie gewählt – ein beeindruckender Weg, zu dem wir gratulieren.
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Vielen Dank. Es stimmt, dass das großväterliche Unternehmen Hermann Kirchner, in dem ich als Geschäftsführer tätig war, mit 1600 Beschäftigten und einer Bauleistung von 350 Mio. Euro ein reiner Familienbetrieb war. Aber Großkonzern-Luft hatte ich zuvor schon bei Bilfinger geschnuppert, wo ich nach meinem Ingenieurstudium von 1986 bis 1990 im klassischen Hochbau gearbeitet habe. 2013 bin ich dann in den Vorstand der Strabag AG berufen worden.
Großunternehmen?
Dipl.-Ing. Peter Hübner: In meinen Adern fließt schon noch immer mittelständisches Blut. Aber diese strikte Unterteilung gibt es ja heutzutage in unserer Branche kaum noch. Auch ein großes Bauunternehmen mit vielen dezentralen Einheiten agiert im Grunde genommen in den Regionen wie ein Mittelständler. Ob ein Unternehmen 10, 20 oder 100 Mio. Euro Umsatz macht – eine Vielzahl von Themen ist für alle gleichermaßen relevant.
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Ja, dieses Engagement war mir seit jeher wichtig. Nur mit starken Landesverbänden können die lokalen Themen gelöst werden.
nehmen mehr am Baugewerbeverband orientieren, die größeren stärker am Bauindustrieverband.
Da haben Sie vermutlich Recht, aber das ist nicht zwingend inhaltlich bedingt, sondern vieles ist historisch gewachsen. Im Vorstand des Bauindustrieverbands Hessen-Thüringen waren beispielsweise Unternehmen mit 30 Beschäftigten stets ebenso vertreten wie Mittelständler mit 150 Mitarbeitern oder Konzernvertreter.
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Die Unternehmen haben, egal, welchem Verband sie angehören, mit denselben Schwierigkeiten zu kämpfen, leiden unter den gleichen Restriktionen, müssen sich den gleichen Problemen stellen. Beide Verbände vertreten die Interessen der Bauunternehmen. Da stehen wir in den meisten Fällen auf derselben Seite.
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Ziel eines jeden Verbandes muss doch ein Mehrwert für die Mitglieder sein. Wenn alle Großprojekte in Deutschland über ÖPP liefen, könnte ich die Kritik daran verstehen. Aber es gibt hierzulande ja nur wenige große Projekte, für die ÖPP in Betracht kommt. Die Mehrzahl der Projekte wird nach wie vor konventionell realisiert. Hier ist eine Versachlichung der Debatte dringend erforderlich.
Auffassungen?
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Es sind gar nicht so viele Themen, die das Baugewerbe und die Bauindustrie trennen, das ist vielfach auch keine Frage von Groß und Klein. Dem Baugewerbe geht es um den absoluten Vorrang der Teilgewerke-Vergabe; wir fördern, sofern es wirtschaftlich ist, die Gesamtgewerke. Im Straßenbau ist das derzeit der Regelfall. Die Gesamtgewerke-Vergabe hat sich bewährt, wenn ein Projekt laufen soll.
Ich glaube auch nicht, dass die kleinen Unternehmen dabei unter die Räder kommen, diese Verhältnisse aus der Zeit der Baukrise haben wir hoffentlich überwunden. Wenn der Generalunternehmer sich nicht ordentlich gegenüber seinen Nachunternehmern verhält, wird er sehr schnell keine zuverlässigen Partner mehr finden.
Teilgewerke-Ausschreibung verpflichtet?
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Ja, wenn er keine plausible Begründung für eine Gesamtvergabe hat. Man muss sich aber bewusst machen, dass dadurch bei einem Projekt viele Schnittstellen entstehen. Jede Schnittstelle kann einen Bruch bedeuten, der Arbeit, Zeit und Geld kostet.
Um ein Beispiel aus dem Straßenbau zu nennen: Da kommt es vor, dass Schutzplankenbauer bei einem 20-Mio.-Euro-Projekt gegen eine Gesamtvergabe-Ausschreibung klagen und eine neue, separate Ausschreibung der Schutzplanken, Fahrbahnmarkierungen und Beschilderungen durchsetzen. In diesem Fall lässt der Straßenbauer die Markierungsarbeiten aber erst zu, nachdem der Auftraggeber die Asphaltdecke abgenommen hat. Verzögerungen und Nachträge sind häufig die Folge.
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Das lässt sich nicht verallgemeinern, aber sie sind teilweise erheblich. Mich als Nutzer der Straße, um bei unserem Beispiel zu bleiben, ärgert das: Die Straße ist
fertig und könnte benutzt werden, aber es gibt immer noch Rest-
arbeiten, für die andere Auftragnehmer zuständig sind.
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Ganz unterschiedlich. Die Landesverbände sind unterschiedlich geprägt, und auch die Zusammenarbeit läuft hier unterschiedlich. Fernziel muss es aber bleiben, dass es einen gemeinsamen Verband gibt: einen Verband der deutschen Bauwirtschaft.
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Die Bundesfernstraßengesellschaft oder Bundesautobahngesellschaft, wie auch immer man sie nennen will, ist mit Sicherheit sinnvoll. Unser größtes Problem ist augenblicklich, dass wir Gefahr laufen, aufgrund fehlender baureifer Projekte in diversen Bundesländern die zusätzlichen Mittel nicht auf die Straße zu bekommen. Es hapert im Bereich der Planung. Um die Umsetzung der Projekte zu beschleunigen, hat das BMVI ein Innovationsforum Planungsbeschleunigung eingesetzt. Wir unterstützen diese Initiativet.
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Leider wagen es in Deutschland öffentliche Auftraggeber immer seltener, Nebenangebote zu akzeptieren. Viele Auftraggeber glauben, so die Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit der Angebote vermeiden zu können. Es gibt in vielen Fällen nur noch das Wertungskriterium Preis.
Wenn man mal ins Ausland schaut, z. B. in die Niederlande, müssen dort bei Ausschreibungen öffentlicher Auftraggeber häufig noch andere Kriterien erfüllt werden. Das geht von C0₂-Zertifikaten bis hin zu Einschränkungen des öffentlichen Verkehrsraumes. Je besser die Bauunternehmen diese vom Auftraggeber festgelegten Kriterien erfüllen, desto stärker reduziert sich der Angebotspreis. Dadurch wird eine Unterscheidung zwischen „billigstem“ und „preiswertestem“ Angebot erreicht.
kann hier ein Verband tun, damit wir in Deutschland
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Wir müssen zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber wieder zu einer partnerschaftlichen Projektzusammenarbeit kommen. In vielen Fällen sind Bauunternehmen für den Auftraggeber keine echten Vertragspartner, sondern Erfüllungsgehilfen. Streitigkeiten sind dabei vorprogrammiert.
Dahin zielt auch die Arbeit der Reformkommission Großprojekte, die mit großer Energie von Verkehrsminister Alexander Dobrindt vorangetrieben wurde. Der Abschlussbericht liegt vor, darin gibt es viele Empfehlungen, z. B. Vorschläge zur außergerichtlichen Streitschlichtung, Vorschläge zur Verteilung von Einsparungen im Projekt zwischen Auftragnehmer und Auftraggeber, aber auch zur besseren Abstimmung von Planen und Bauen.
Es gibt inzwischen Pilotprojekte, die eine partnerschaftliche Bearbeitung von öffentlichen Infrastrukturprojekten zulassen, ohne gegen das Vergaberecht zu verstoßen. Voraussetzungen sind absolute Transparenz, aber auch eine einheitliche Kommunikationsplattform.
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Es ist eine Vorstufe von BIM. Wenn wir Building Information Modeling so leben, wie wir es uns vorstellen, geht das nur mit kompletter Transparenz. Die Trennung von Planen und Bauen muss dann überwunden sein.
Das ist ein Paradigmenwechsel, der sich in erster Linie im Kopf aller Beteiligten vollziehen muss – in den Bauunternehmen, bei den Planern, aber auch bei den Auftraggebern. Es gibt auch hier inzwischen einige Pilotprojekte, in denen wir bereits Erfahrungen sammeln.
Rechtsgrundlage zu verstoßen?
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Ja, das Thema außergerichtliche Streitschlichtung ist ein wichtiges Anliegen der Reformkommission. Wir müssen eine verbindliche Streitschlichtung für alle Projekte durchsetzen.
Und warum sollte das gegen die geltende Rechtsgrundlage verstoßen? Wir umgehen ja nicht die ordentlichen Gerichte. Wir streben lediglich eine vorläufige Entscheidung an, um ein Projekt weiterführen zu können, welche aber selbstverständlich gerichtlich nochmals überprüft werden könnte.
neuen Funktion als Präsident des Hauptverbandes der Bauindustrie angehen wollen?
Dipl.-Ing. Peter Hübner: Es gibt ein 100 Tage Programm. Wichtig ist mir die Umsetzung der Empfehlungen der Reformkommission, insbesondere zum Thema Schlichtung – das liegt mir wirklich sehr am Herzen.
Ein weiteres großes Thema ist die Digitalisierung. Ich finde es gut, dass Minister Dobrindt für alle Infrastruktur-Projekte ab 2020 die Anwendung von BIM vorschreiben will. Das ist ein sehr hoher Anspruch an alle Beteiligten, der harte Arbeit erfordert. Hier wollen wir unterstützend mitwirken.
Dazu haben wir eine Gesellschaft „planen-bauen 4.0“, quasi als Gelenk zwischen Politik und Wirtschaft, gegründet. Wir wollen über „planen-bauen 4.0“ für alle Firmen der Wertschöpfungskette Bau gemeinsame Standards in Deutschland definieren. Dabei geht es nicht nur um spezielle Soft- oder Hardware, wir müssen auch überlegen, wie wir BIM für jeden zugänglich machen.