„Niemand will ins Ausland gehen, wenn er auch hier konkurrenzfähig produzieren und anbieten kann.“
Interview mit Christian Knell, Sprecher der Geschäftsleitung Deutschland der HeidelbergCement AG und Vizepräsident des Vereins Deutscher Zementwerke.
tHIS: Guten Tag, Herr Knell. Unternehmen wie das Ihre werden auch schon mal von Naturschützern bekämpft. Dabei erhält HeidelbergCement schon seit längerem viel Lob für seine ökologische Politik – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Wie ist denn das passiert?
Christian Knell: „Passiert“ ist vielleicht der falsche Ausdruck. Wir haben Kies- und Sandgruben, Steinbrüche und viele andere Arten von Abbaugebieten. Und wir sind schon immer um einen schonenden Abbau bemüht. Da liegt es nahe, sich über die Natur und die Umwelt Gedanken zu machen. Wir sehen uns als Vorreiter in der Branche, nicht nur bei Produkten und Prozessen, sondern eben seit langem auch bei der Umwelt. Wir arbeiten eng mit Universitäten, unabhängigen Wissenschaftlern und Naturschutzverbänden zusammen, um optimale Konzepte für eine Renaturierung ehemaliger Abbaugebiete zu entwickeln. Unser Ziel ist es nicht unbedingt, ehemalige Abbauflächen einer anderen Nutzung, etwa durch die Landwirtschaft, zuzuführen. Wir erschaffen vielmehr neuen Lebensraum für lokaltypische, bedrohte Pflanzen, Vögel und Insekten. Wenn wir dafür gelobt werden, umso besser – aber wir machen das nicht, weil wir gelobt werden wollen, sondern weil wir solche Projekte für wichtig halten.
Natürlich laufen solche Projekte über Jahre. Wir beschäftigen eigene Biologen, die die Fortschritte der Projekte beobachten und begleiten. Solche Projekte führen wir weltweit überall in unseren Steinbrüchen durch, beispielsweise auch in Afrika. Auch dort haben der Erhalt und der Schutz der Umwelt in der Bevölkerung einen sehr hohen Stellenwert, entsprechend wird unsere Arbeit dort unterstützt und geschätzt.
tHIS: Zurück nach Deutschland – wie verläuft das aktuelle Geschäftsjahr für HeidelbergCement?
Christian Knell: Es gab einen langen, harten Winter, es gab die Flut – das war alles nicht ideal. Aber inzwischen sind wir durchaus zufrieden mit dem aktuellen Geschäftsverlauf.
Wir sind sehr breit aufgestellt und bieten nicht nur Grundprodukte wie Zement, Transportbeton oder Estrich, sondern auch Roh- und Zuschlagstoffe wie Kalk oder Sand, Fertigprodukte wie Kalksandstein oder Beton-Fertigteile. Wir sind aktiv im Wohnungs- und Nichtwohnungsbau, bei privaten und bei öffentlichen Bauvorhaben. Da kann man das eine oder andere kompensieren.
tHIS: Das klingt nach guten Aussichten auch für das nächste Jahr.
Christian Knell: Die Voraussetzungen für ein moderates Marktwachstum sind gut - wenn uns das Wetter keinen Strich durch die Rechnung macht. Gerade im Bereich Infrastruktur gerät etwas in Bewegung, der Wohnungsbau ist nach wie vor stabil. HeidelbergCement wird in diesem Umfeld den Schwerpunkt auf eine Verbesserung der Marge legen und nicht so sehr auf Absatzsteigerungen. Insofern bleibt der deutsche Markt interessant.
tHIS: Zement ist ja ein genormtes und damit vergleichbares Produkt. Wo liegen im deutschen Markt die Chancen für HeidelbergCement?
Christian Knell: Auf der einen Seite haben wir das größte und dichteste Vertriebsnetz in Deutschland, das ist natürlich ein Wettbewerbsvorteil. Auf der anderen Seiteentscheiden oft Kosten und Preise. Wir haben Überkapazitäten im deutschen Markt und eine sehr hohe Wettbewerbsintensität. Kaum ein anderes Land ist einem derart hohen Wettbewerbsdruck ausgesetzt.
tHIS: Wie reagieren Sie auf diesen enormen Preisdruck?
Christian Knell: Wie Sie schon zu Recht sagen, ist Zement ein genormtes Produkt. Die Kunst ist daher nicht, Zement zu machen, sondern mit den Rahmenbedingungen klarzukommen – Preise, Umwelt, Auflagen. Wir streben ganz klar die Kostenführerschaft an. Deswegen arbeiten wir hart daran, unsere Prozesse zu optimieren und noch effizienter mit unseren Ressourcen umzugehen. Dann versuchen wir natürlich auch, uns über Mehrwert von den Mitbewerbern abzusetzen, mit zusätzlichen Serviceleistungen oder mit hochwertigen Spezialprodukten.
Beispielsweise mit CemFlow, einem Zementfließestrich, der sich extrem einfach verarbeiten lässt und im Vergleich zu normalem Estrich enorme Zeiteinsparungen bietet. Oder nehmen Sie ThermoCem, einen hydraulisch abbindenden Fertigmörtel, der die doppelte Wärmeleitfähigkeit gegenüber normalen Verfüllbaustoffen bietet; ein tolles Produkt beispielsweise für den Energiesektor. Oder Chronocrete, ein Beton mit sehr schneller Festigkeitsentwicklung. Der passt immer, wenn die Zeit drückt, bei Autobahnen, Start- und Landebahnen von Flughäfen oder Bahnsteigen. Da haben wir ein unglaubliches Potenzial, das es auszubauen gilt. Wir setzen eben auch auf Produkte mit Zusatznutzen statt auf Standardprodukte.
Auch beim Service sind wir stark aufgestellt, von der Anwendungstechnik, etwa bei Spritzbeton, über Qualitätsüberwachung oder Planung und Terminierung als optionale Zusatzleistungen für unsere Kunden. Und natürlich liefern wir eine Beratung, welcher Baustoff für welchen Einsatzzweck besonders gut geeignet ist. Oft genug ist das etwas teurere Produkt für den Kunden die bessere Wahl, weil er über Verarbeitungsvorteile oder geringere Ausfallzeiten deutlich mehr Geld sparen kann.
tHIS: Die Zementherstellung ist ein stromintensives Geschäft. Der Preis, den Endverbraucher für Strom bezahlen müssen, steigt immer weiter an. Stromintensive Industrien wie die Ihre werden dagegen geschont. Finden Sie das in Ordnung?
Christian Knell: Wir stehen insbesondere mit unseren europäischen Nachbarn in einem internationalen Wettbewerb. Durch die Befreiung der EEG-Umlage erreichen wir keinen Wettbewerbsvorteil, sondern die Mehrkosten durch die Energiewende, die einen Wettbewerbsnachteil darstellen, werden damit reduziert. Selbst mit Befreiung liegen die Energiekosten noch höher als in manch anderen Ländern. Wenn diese Reduzierung entfällt, kostet über den Daumen gepeilt jeder Arbeitsplatz in einem Zementwerk zusätzlich knapp 30.000 Euro mehr pro Jahr. Das ist schon ein Brocken. Diese Thematik betrifft ja auch andere Branchen, nicht nur unsere.
In die gleiche Richtung zielt die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Immissionsschutz, Stichwort Bundes-Immissionsschutzgesetz. Alle EU-Länder haben die schon strengen Vorgaben der EU-Richtlinie übernommen, nur Deutschland hat noch weiter verschärft. Dieser Alleingang erfordert von uns in den kommenden fünf Jahren insgesamt Investitionen im hohen zwei- bis niedrigen dreistelligen Millionenbereich, um unsere Werke für die nochmals verschärften Bedingungen aufzurüsten. Dazu kommen weitere erhebliche Betriebskosten, denn auch die erforderlichen Katalysatoren verbrauchen zusätzlichen Strom.
Um das mal ganz klar zu sagen: Wir werden zukünftig mit erheblichen Kosten belastet, die wir an anderen Standorten nicht haben – nicht in Holland, nicht in Belgien, nicht in Frankreich und nicht in Polen.
tHIS: Wollen Sie damit sagen, dass die Bundesregierung Arbeitsplätze ins Ausland treibt?
Christian Knell: Ich will damit sagen, dass wir in Deutschland in absehbarer Zukunft mit erheblichen Kosten belastet werden, die wir an anderen Standorten nicht hätten. Niemand will ins Ausland gehen, wenn er auch hier konkurrenzfähig produzieren und anbieten kann. Doch dazu gehören vergleichbare Rahmenbedingungen für unsere Produktionsstandorte.