Digitalisierung – Automatisierung – Mensch

7. Fachtagung Baumaschinentechnik in Dresden

Auf der Fachtagung – eine Gemeinschaftsveranstaltung des VDMA, der FVB und der Technischen Universität Dresden – diskutierten über 200 Experten, Ingenieure und Wissenschaftler über die digitale Baumaschinen-Zukunft.

Alle reden von Digitalisierung, Industrie 4.0 und autonomen Baumaschinen – auf der 7. Fachtagung Baumaschinentechnik in Dresden ging es darum, welche Entwicklungstrends sich abzeichnen, welche Lösungen es in absehbarer Zeit für die Praxis geben wird, und welchen Einfluss neue Technologien im komplexen Bauprozess haben werden.

Kraft aus Wasser und CO2

Unter dem Titel „eFuels – Potenziale von erneuerbaren Kraftstoffen aus Wasser und CO2 berichtete Dr. Oliver Posdziech (Sunfire GmbH). Die Nutzung von Überschussstrom und die Speicherung von Energie spielt heute eine wichtige Rolle. Chemische Energie in Form von Wasserstoff, Erdgas oder flüssigem Kohlenwasserstoff lässt sich relativ einfach und kostengünstig aus elektrischer Energie verwandeln und zurückverwandeln. Sunfire arbeitet im Bereich der Hochtemperaturelektrolyse, mit der sich ein hoher Gesamtwirkungsgrad erzielen lässt.

Dazu passte der Vortrag „Elektrische Antriebskonzepte für Baumaschinen“ von Dr. Philipp Reupold (Siemens AG). Diese Antriebsart senkt nicht nur die Emissionen, sondern auch die Lebenszykluskosten der Maschinen. (Diesel-)Elektrische Antriebe sind bisher auf bestimmte Einsatzgebiete beschränkt. Hier vollzieht sich aktuell ein Wandel. 2.000 Betriebsstunden pro Jahr ist die Schwelle, bei der die elektrische Betriebsweise größere Bedeutung bekommt. Zukünftig wird es mehr Mix von Antrieben in Baumaschinen geben. Die OEM werden gezwungen, sich breiter aufzustellen. Ein Problem, das zu lösen ist, sind wirtschaftliche Komponenten.

Maschinenintelligenz unter der Erdoberfläche

Einen großen Schritt bei der „Digitalisierung und Automatisierung von Spezialtiefbaugeräten“ hat die Bauer Maschinenbau GmbH bereits getan. Prof. Sebastian Bauer stellte Maschinen vor, die unter der Erdoberfläche arbeiten – hier ist man zur Kontrolle der Ist-Abläufe und Korrektur des Bauprozesses auf digitale Unterstützung angewiesen.

Die Maschinen müssen immer mehr die Erfahrungs- und Fertigungslücke des optimalen Bedieners durch algorithmische Nachbildung schließen. Assistenzsysteme einzelner Prozessschritte werden zu einer Teilprozessautomatisierung verknüpft, so dass der Fahrer von Routineaufgaben entlastet wird. Das steigert die Arbeitsqualität und Arbeitsleistung der Maschine sowie die Sicherheit auf der Baustelle unabhängig von Erfahrung, Fertigkeit und aktuellem Ermüdungszustand des Fahrers. Gleichzeitig werden die Prozesse dokumentiert als Qualitätssicherung mit juristischer Sicherheit.

Robotik und Steuerungen

Die Robotiksteuerung war Inhalt mehrerer Vorträge. Hier geht es um Automatisierung von Baumaschinen und Prozessoptimierung. Sie kann bei gefahrbeladenen Arbeiten ohne Steuerung von Menschen oder aus beliebiger Entfernung eingesetzt werden. Zum Thema „Intuitive Robotiksteuerung für die Arbeitsausrüstung von Baumaschinen“ referierte Dr.-Ing. Sophie Zorn (Wandelbots GmbH). Weitere Themen in diesem Bereich waren:

„Umgebungserkennung für die automatisierte Schaufelbefüllung eines Radladers“, Dipl.-Ing. Volker Waurich (TU Dresden)

„MATS – Eine immersive HiL-Umgebung für den Entwurf und automatisierten Test mobilhydraulischer Steuerungen“, Dipl.-Ing. Florian Lindinger (Danfoss Power Solutions GmbH)

„Intuitive Steuerung von teleoperierten Kranen in Bau und Industrie“, M.Sc. Felix Top (TU München)

„Machine Learning Empowers Excavator Productivity“, M.Sc. Jan Rotard (Vemcon GmbH)

„Backhoe Bucket Volume and Trench Monitoring using a Time-of-Flight Camera“, M.Sc. Steffen Hemer (TU Kaiserslautern)

„Ersatzmodell-gestützte Kalibrierung von Simulationsmodellen am Beispiel von DEM-Schüttgutsimulationen“, Dipl.-Ing. Christian Richter (TU Dresden)

„Analyse von Grabprozessen durch systematische Nachbildung maschineller stoffgebundener Arbeitsprozesse mittels DEM“, Dr.-Ing. Xin Wu (Uni Bonn).

Entwicklung und Konstruktion

Bei der Entwicklung und Konstruktion von Baumaschinen werden bereits vielfältige Methoden der Simulation oder virtuellen Darstellung verwendet. Dr.-Ing. Henning Haensel berichtete über „Akustiksimulationen in der Entwicklungsphase von mobilen Baumaschinen“. Durch die Verschärfung der Emissionsgrenzwerte für Baumaschinen wird es immer wichtiger, in der frühen Entwicklungsphase Erkenntnisse über Lärm und Vibrationen, die sich aus dem Aufbau der Maschinenstruktur ergeben, zu erhalten.

Zur Minimierung des Körperschalls sind Schnittstellenelemente, wie z.B. Elastomerlager oder Schraubenverbindungen und deren Dämpfung von Bedeutung. Bei der Luftschallausbreitung gibt es Wege, wie durch Simulation der Fernfeldakustik Schallabstrahlung bewertet werden kann.

Zu „Berücksichtigung elastischer Strukturen in Systemmodellen von Hebezeugen“ berichtete Dipl.-Ing. Florian Ohser (ESI ITI GmbH). Systemsimulation ist heute das Standardwerkzeug zur Entwicklung, Auslegung und Analyse komplexer Maschinen und Anlagen vom ersten Konzept über virtuelle Prototypen bis hin zur virtuellen Inbetriebnahme. Dabei werden Fragestellungen unterschiedlicher Fachgebiete, wie z.B. Mechanik, Hydraulik, Elektrotechnik und Regelungstechnik untersucht. Der Vortrag zeigte, wie Elastizitäten von Teleskopen und Seilzügen in Systemmodellen von Hebezeugen berücksichtigt werden können.

Im Vortrag „Modellbasierte Entwicklung von mobilen Maschinensystemen“ zeigte Dipl.-Ing. Benjamin Beck (TU Dresden) am Beispiel eines 24-t-Radladers verschiedene Anwendungsfälle der Simulation in der Maschinenentwicklung. Für eine detaillierte Analyse des Maschinensystems sind Antriebsstrang- und Prozesskraftmodelle notwendig. Ein Kraftmodell bildet die Interaktion zwischen Maschine und Untergrund ab.

Die „Auslegung des Ganzfahrzeug-Lebensdauertests für den Muldenkipper TA 230“ stellte Dr. Daniel Ellwein (Liebherr-Hydraulikbagger GmbH) vor. Dazu wurde ein Vorgängermodell im realen Einsatz mit Messtechnik ausgestattet, um Radkräfte und Beladungszustände sowie Fahrdynamikdaten, wie z.B. Lenk-, Brems, und Antriebskräfte, zu ermitteln. Aus den Lasten und deren Häufigkeit und Verteilung wurden Konstruktionsziele für die Maschine und ihre Komponenten abgeleitet.

Während des Entwicklungsprozesses von Baumaschinen kann nur selten auf Prototypen zurückgegriffen werden. Fragen zu den Systembelastungen können daher nur durch Erfahrungen oder den Einsatz virtueller Prototypen beantwortet werden. Im Rahmen des Vortrages „Einsatz virtueller Methoden zur Absicherung des Entwicklungsprozesses von Nutzfahrzeugen“ von Dipl.-Ing. Sebastian Mieth (IBAF GmbH) wurden verschiedene Entwicklungsprojekte gezeigt, bei denen durch den Einsatz virtueller Methoden Fragen entlang der Prozesskette beantwortet werden konnten.

Ein sicherer Arbeitsplatz

Dipl.-Ing. Stefan Kleinheinz (Liebherr-Hydraulikbagger GmbH) befasste sich mit den „Methoden zur Gestaltung, Auslegung und Bewertung von Bedienumgebungen (Arbeitsplatz der Zukunft)“. Im Gesamtverbund eines Fahrerarbeitsplatzes ergibt sich ein komplexes Zusammenspiel aus einer Vielzahl von Einzelkomponenten und Systemen. Dabei geht es um Einschränkung des Sichtfeldes auf Ausrüstungen, Ergonomie der Bedienelemente, Klimatisierung uä.

Die „Online-Kippsicherheitsdiagnose für mobile Arbeitsmaschinen“, vorgetragen von Dipl.-Ing. Thomas Zinke (TU Dresden) ist ein wichtiger Ansatz, um kippgefährdete Baumaschinen ohne Aufbaufederung, wie z.B. Frontlader mit Radfahrwerk und Muldenkipper, zu betrachten. Das Ergebnis der Forschungsarbeit ist eine Stabilitätsinformationsanzeige in der Maschine als optisch-akustische Warneinheit zur Erhöhung der Betriebs- und Bedienersicherheit.

Beschäftigte im Straßenbau sind weitreichenden Gefahren ausgesetzt. Temperatur, Lärm und Vibration beeinträchtigen die Gesundheit und Arbeitsunfälle sind relativ häufig. Das Forschungsprojekt „Autonom arbeitende Maschinen im Straßenbau 4.0“ unter Leitung der TH Köln hat das Ziel, die Arbeitssicherheit auf Baustellen und gleichzeitig die Einbauqualität der Straßenbeläge zu verbessern. Dazu werden Arbeitsfunktionen automatisiert und Straßenbaumaschinen im Prozess vernetzt. Mit dem Vortrag „Robot-Straßenbau 4.0 – Mehr Arbeitssicherheit, bessere Arbeitsbedingungen und höhere Einbauqualität“ erläuterte Prof. Alfred Ulrich (TH Köln) die Fortschritte im Forschungsprojekt.

Boden und Verdichtung

Über die „Numerische Simulation des Verdichtungsvorganges in Böden mit dynamisch angeregten Walzen“ berichtete Dr. Peter Erdmann (TH Köln). Bisherige numerische Untersuchungen zur Bodenverdichtung behandelten nur Teilaspekte bei analytischen Modellen und bei der Simulation mit FEM. Jetzt wurde zum ersten Mal ein FEM-Berechnungsmodell vorgestellt, das alle Aspekte der Bodenverdichtung mit dynamischen Walzen abdeckt. Damit können Aussagen über die Messtiefe und die Verdichtungstiefe abgeleitet werden.

Über die Interaktion einer Anbauverdichtungsplatte mit dem Boden kann direkt auf die Bodenart und auf den relativen Wassergehalt des zu verdichtenden Bodens geschlossen werden. Der Vortrag dazu „Einsatz künstlicher Intelligenz bei Baumaschinen am Beispiel der Bodenarterkennung“ wurde von Dipl.-Geol. Ulrike Nolten und Robin Popelka (MTS Maschinentechnik Schrode AG) gehalten.

Baumaschinen arbeiten sowohl unter besonders hohen als auch besonders niedrigen Temperaturen.  Unter dem Thema „Vorteile aus der Betrachtung des Gesamtwärmehaushaltes am Beispiel eines Vibrationsrammgerätes“ stellte Dr.-Ing. Albrecht Kleibl (ABI GmbH) Betrachtungen zur Hydraulikanlage an, die vorteilhaft modifiziert werden konnte. Das Hydrauliköl der Versuchsmaschine wurde durch ein Fluid mit höherer Viskosität ersetzt. Zusätzlich wurde ein Wärmetauscher installiert, der bei Bedarf Energie vom Motorkühlkreis auf die Hydraulikanlage überträgt. Die höhere Hydrauliktemperatur ermöglicht eine höhere Temperaturdifferenz am Hydraulikkühler, wobei die Lüfter weniger Antriebsleistung benötigen und leiser laufen. Versuche zeigen, dass die Hydraulikanlage einen Großteil der Wärme nicht über den Kühler, sondern über die Oberfläche sämtlicher Komponenten abgibt.

Elektrische Antriebe

Dipl.-Ing. Martin Mothes (Wacker Neuson GmbH) sprach über „Elektronifizierung von Baumaschinen – neue elektrohydraulische Fahrantriebe“. Geschlossene hydraulische stufenlose Fahr-antriebe sind robust, erlauben exaktes Positionieren von Lasten und ermöglichen eine stufenlose Verstellung zwischen sehr hohen Zugkräften und hohen Endgeschwindigkeiten. Durch eine gleichzeitige Elektronifizierung der Fahrantriebsregelung wird der Fahrer entlastet bei gleichzeitiger Senkung von Kraftstoffverbrauch und Lärmemission.

Mit einem neuen Patent entwickelt Wacker Neuson den hydraulischen Fahrantrieb weiter, wobei durch Verwendung der Weitwinkeltechnologie der wirtschaftliche Einsatzbereich zwischen Komponentengrößen, Wirkungsgrad und Spreizung erhöht wird. Das neu entwickelte Ecospeed Pro Getriebe ermöglicht den Einsatz in Maschinen bis 130 kW.

Blick nach vorne

Unter der Überschrift „Forschung für die Baustelle 4.0 – Wie geht es in den nächsten Jahren weiter?“ gaben Prof. Frank Will und Prof. Jürgen Weber einen Überblick über die Forschungsthemen und die anstehenden Aufgaben am Institut für mechatronisches Bauen. Zur Vertiefung einzelner Tagungsinhalte stellt die Stiftungsprofessur für Baumaschinen weitere Unterlagen zur Verfügung: www.tu-dresden.de/ing/maschinenwesen/ifd/bm/die-professur.

Die 8. Fachtagung Baumaschinentechnik ist für den 1. und 2. Oktober 2020 in Dresden geplant.

Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA

www.vdma.org

Technische Universität Dresden

www.tu-dresden.de

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