Standpunkt: Seriöse Beziehungsgestaltung

Ein Pfund, mit dem es sich zu wuchern lohnt

Mit der seriösen Beziehungsgestaltung im Wirtschaftsgeschehen steht es nicht zum Besten. Schein und Sein klaffen zunehmend auseinander. Die Praxis zeigt das tagtäglich. Sowohl in Gestalt persönlicher Erfahrung als auch in mancherlei Skandalen, Skandälchen und allerlei sonstigen Ungereimtheiten. Tief sitzt mittlerweile bei Vielen das Gefühl, hemmungslos hinters Licht geführt zu werden; weit verbreitet ist die Überzeugung, mit der eigenen Gutgläubigkeit werde skrupellos Schindluder getrieben; belächelt wird, wer noch an Redlichkeit im Umgang mit Kunden wie Interessenten glaubt.

Die Wirtschaft kann und darf das nicht länger so leichtfertig ignorieren. Sie muss der Aussage- und Verhaltensaufrichtigkeit wieder einen zentralen Platz in ihrem Tun und Lassen einräumen. Und das als dringliche Aufgabe ansehen. Glaub- und Vertrauenswürdigkeit ist gerade in unserer von Unsicherheit und Verunsicherung geprägten Zeit ist ein Pfund, mit dem es sich durchaus zu wuchern lohnt. Nicht mit den üblichen potemkinsche Dörfer bauenden PR-Spektakeleien, sondern ernsthaft und aus dem Bewusstsein heraus, das verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen zu den komplexesten sozialen Prozessen überhaupt gehört. Also einen langen Atem und festen Willen braucht.

Brausendes Marketinggetöse vermag für den Moment zu blenden. Auf Dauer aber nutzt es sich ab und ersetzt keine Seriosität. Ebenso das alberne Geplapper und Getue vermeintlich Prominenter. Auch das kompensiert nicht die fehlende belastbare Glaubwürdigkeit. Worauf es – wieder – ankommt, ist, Ankündigungen, Offerten, Absprachen und Zusagen tatsächlich einzuhalten. Und rasch und unkompliziert den in Aussicht gestellten kundigen Ansprechpartner anzubieten, wenn es mal „brennt“. Die derzeit gepflogene Hotline-„Kultur“ beispielsweise offenbart eine Einstellung zu Kunden, wie sie im Negativen aussagekräftiger kaum ausfallen könnte.

So wichtig das Bestreben ist, Kosten und Prozesse zu optimieren, um dem Wettbewerb standzuhalten und sich auch über den Preis am Markt zu behaupten, so lässt sich doch bekanntlich auch des Guten zu viel tun und das Kind mit dem Bade ausschütten. Die mittlerweile schon neurotische Konzentration auf die Kosten und die immer noch effizientere Gestaltung aller Unternehmensprozesse durch laufende Um- und Neuorganisation hat sich weit entfernt von jeder durchdachten Unternehmensentwicklung. Desgleichen die immer bedenklichere Ausdünnung der Personaldecke sowie die zeitgeistige Ausleiherei von Zeitarbeitern oder die stürmische Ausweitung der Zeitarbeitsverträge.

Unruhe und Unstetigkeit

Längst erweist sich all das als einseitige Fehlorientierung, mit denen ein Unternehmen seine eigenen Interessen konterkariert. Durch die ständige Erhöhung der Schlagzahl operativer Reaktionen kommt immer mehr Unruhe und Unstetigkeit ins Geschehen. Und nichts beeinträchtigt die Arbeitsatmosphäre, die Arbeitsqualität und das Arbeitsergebnis mehr als das. Und nichts entfremdet die Mitarbeiter systematischer von „ihrem“ Unternehmen. Und treibt sie, um das abgenutzte Wort „innere Kündigung“ zu vermeiden, in den desinteressiert-lieblos-müden Dienst nach Vorschrift.

Mit den Erkenntnissen der Marketingforschung ist diese Entwicklung nicht mehr in Einklang zu bringen. Denen zufolge entscheidet die positive oder negative Wahrnehmung des gesamten Unternehmens über die Zufriedenheit, die Loyalität und das Empfehlungsverhalten der Kunden. Und wer anders als die Mitarbeiter im Kundenkontakt mit ihrer Beziehungsgestaltung sind diese Entscheidungshelfer. Ob ein alter Kunde gehalten, ein neuer Kunde gewonnen und der Ruf des Unternehmens draußen positiv verstärkt und verankert wird, dafür sorgen die, auf die der Kunde trifft – die Mitarbeiter.

Falsche Töne

Von der Führungsforschung zweifelsfrei belegt aber ist: Die unüberlegte Behandlung der Belegschaft und der falsche Ton ihr gegenüber führt unweigerlich zu ebensolchem Auftreten der Mitarbeiter den Kunden gegenüber. Soll sich die Mitarbeiterschaft im Interesse des Unternehmens um die Kunden bemühen, setzt das bei der folglich das Empfinden voraus: das Unternehmen sieht in uns nicht nur Kostenfaktoren, sondern fühlende Wesen mit entsprechenden Bedürfnissen. Mit den üblichen hohlen Sonntagsreden allerdings sind die nicht zu befriedigen.

Marketing- wie Führungsforschung treffen sich in der Erkenntnis: Nur wenn die Mitarbeiter eine hohe Identifikation mit dem Unternehmen, seinen Produkten und Leistungen haben, treten sie im Kundenkontakt glaubwürdig und überzeugend auf. Verhalten prägt Verhalten. Initiative und Engagement sind Kinder von Gefühlen. Sie gedeihen nur in der richtigen Atmosphäre. Glaubwürdigkeit nach außen lebt nicht allein von der Glaubwürdigkeit nach innen. Aber sie setzt sie voraus.

Ist die gegeben, können die Mitarbeiter Beachtliches zur Untermauerung des Ansehens des Unternehmens beitragen, wenn sie sich beflügelt durch Geist und Sitte des Hauses aus eigenem Antrieb im Interesse des Kunden engagieren: durch ihr Informationsverhalten, durch ihr gezieltes Eingehen auf individuelle Kundenwünsche, durch die Suche nach kundengerechten Problemlösungen, durch die Übernahme von Verantwortung im Problemfall.

Tolerante Kunden

Kunden sind durchaus bereit, fachliche Mängel, zeitliche Verzögerungen oder sonstige Abweichungen vom Erwarteten in gewissem Maße zu tolerieren. Vorausgesetzt, sie spüren das Bemühen des Unternehmens, das sich in einer glaubwürdigen Einsatzbereitschaft für sie manifestiert. Er mag exzentrisch, zum Schluss seines Lebens auch verrückt gewesen sein, „der Kini“, König Ludwig II. von Bayern. An der prinzipiellen Wegweisung seiner Bemerkung ändert das nichts: In Anderer Glück das eigene finden, ist dieses Lebens Seligkeit; und anderer Menschen Wohlfahrt gründen, schafft göttliche Zufriedenheit.

 

Autor:
Diplom-Betriebswirt Hartmut Volk, Redaktionsbüro Wirtschaft & Wissenschaft, Bad Harzburg, E-Mail: Hartmut Volk @ t-online.de
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