„Ein Schlag ins Gesicht“
Gespräch mit dem Dipl.-Meteorologen Dr. Meeno Schrader, als Wettermoderator des NDR täglich im Fernsehen zu sehen und im Radio zu hören, über die
unzureichenden Maßnahmen der Politik zum Klimawandel.
THIS: Zwar bestimmt derzeit der Corona-Virus die öffentliche Debatte – der Klimawandel bleibt aber bedrohlich. Nun stößt das im November 2019 verabschiedete Klimaschutzgesetz auf weite Kritik. Was sagen Sie zu dem Gesetz?
Meeno Schrader: Bei aller Tragik und Reichweite der Corona-Krise ist der Klimawandel von ähnlicher, wenn nicht gar noch größerer Dimension. Von daher teile ich diese Kritik voll und ganz. Ich erkenne auch die Schwierigkeiten der Politiker/innen, Kompromisse eingehen zu müssen. Aber dieser Gesetzentwurf und seine Präsentation damals war und ist es immer noch: ein Schlag ins Gesicht. Das Gesetz zeigt, dass die regierenden Politiker/innen erst sehr wenig (bis hin zu gar nichts) verstanden haben.
THIS: Hat die Politik das Thema verschlafen?
Meeno Schrader: Ja. Dabei war Zeit genug. Vor 40 (!) Jahren gab es die ersten deutlichen und ernstzunehmenden Hinweise auf den sich anbahnenden Klimawandel. 30 Jahre hatte die regierende Politik Gelegenheit und Zeit, dieser Herausforderung zu begegnen und über konkrete Lösungen zu diskutieren und gesetzlich einzugreifen. Aufgrund dieser Verweigerung ist der Druck immer größer geworden. Fridays for Future ist und war der explodierende Deckel des Kochtopfes, in dem es seit Jahrenden kocht und siedet. Was wir Erwachsene nicht geschafft haben, den Jugendlichen ist es gelungen – endlich. Gott sei Dank.
THIS: Müssen wir in Zukunft mit sich verändern klimatischen Bedingungen und extremeren Wetterereignissen rechnen?
Meeno Schrader: Ja, das müssen wir. Was vor 20 bis 30 Jahren noch als vages Indiz wahrzunehmen war, ist mittlerweile ein signifikantes und sicheres Indiz. Nimmt man die vergangenen zehn Jahre hinzu, zeigen sie eindeutig, dass der Prozess des Klimawandels unumkehrbar in voller Fahrt ist. Dabei müssen wir feststellen, dass es den bereits extremen Wetterbedingungen Monat für Monat, Jahr für Jahr gelingt, immer noch eine Steigerung ins Extreme zu finden. Derzeitiger Höhepunkt die apokalyptischen Waldbrände in Australien infolge von enormer Hitze und Dürre über Monate, noch währenddessen schwerste Gewitter und Überschwemmungen. Die Vulnerabilität nimmt immer mehr zu, Wetter-Extrema sind in beiden Richtungen zu finden: zu viel und zu wenig Wasser. Und die Temperaturen weisen nach oben, und das schneller als die Klimamodelle vorausberechnet haben.
THIS: Welche Konsequenzen folgen daraus?
Meeno Schrader: Durch die wichtige verlorene Zeit müssen die Maßnahmen nun wegen der Zunahme der Dringlichkeit drastischer ausfallen, als es noch vor 20 Jahren erforderlich gewesen wäre. Die Art und Weise, wie sich in der damaligen Pressekonferenz zum Klimagesetz immer und immer wieder gegenseitig auf die Schultern geklopft wurde für einen Entwurf, der wegen seiner teils dermaßen schwachen Umsetzung einsichtige Demut hätte erwarten lassen. Wofür gibt es Wissenschaftler aus Ökonomie und Ökologie, die sich seit Jahrzehnten mit nichts anderem beschäftigen, als hier machbare Lösungen zu finden und auch zu Rate gezogen werden, deren Erkenntnisse und Vorschläge dann aber in der gesetzlichen Umsetzung nicht ansatzweise Berücksichtigung finden?
THIS: Was muss nun geschehen?
Meeno Schrader: Ganz klar: Es braucht eine Nachbesserung, die nicht von Lobbyismus, sondern von Vernunft und Wahrnehmung der Realität gesteuert wird. Und die Realität sind immer MEHR Menschen auf dieser unserer Erde, die ihrerseits NICHT größer wird. Da die meisten von uns zu bequem sind, muss ein Klimagesetz steuernd her, das dafür sorgt, die überlebenswichtigen Ressourcen der Erde auch in der Zukunft im ausreichenden Maße zur Verfügung zu haben und abzusichern. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, wenn man so wie wir bis heute auf dem Ast sitzt, den wir selber absägen. Wo Einsicht und Vernunft nicht siegen, müssen Gesetze her, die auch wirklich durchgreifen und nicht nur an der Oberfläche kratzen.
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