IoT und KI erreichen den Straßenbau

Produktivität im Straßenbau

Intelligente digitale Werkzeuge stabilisieren im Straßenbau die Prozesse und
sichern die Einbauqualität. Längst haben junge Technologieunternehmen die
Tiefbaubranche für ihre innovativen Lösungen entdeckt.

Prozesse im Straßenbau sind aufgrund ihrer vielen Abhängigkeiten sehr komplex, Stress und Hektik gehören zum Alltag vieler Baulei­ter und Ein­baumann­schaften. Oft lassen sich wichtige Informationen nur mühsam oder verspätet beschaffen. Digitale Werkzeuge helfen, den Überblick zu behalten und Entscheidungen besser zu treffen.

Am Beispiel des Asphalteinbaus lässt sich der digitale Fortschritt im Straßenbau exemplarisch aufzeigen. Hier werden automatisiert Daten von unterschiedlichen Geräten und Anlagen erhoben, intelligent aufbereitet, und die Ergebnisse zur Entscheidungsunterstützung an die Beteiligten zurückgegeben.

Aus der Forschung auf die Straße

Das verarbeitende Gewerbe vereint 85% aller Forschungs- und Entwicklungsaufwände (FuE) auf sich, das Baugewerbe gerade einmal 0,12%. Hier stiegen die FuE-Aufwände zwischen 2007 und 2017 nur um das 1,4fache an [1].

Dennoch haben sich in den vergangenen Jahren einige Forschungsprojekte mit Leuchtturmcharakter innerhalb der Baubranche entwickelt. Die Innovationen werden dabei auf unterschiedlichen Ebenen entwickelt. Innovationen auf Ebene ganzer Wertschöpfungssysteme im Straßenbau stellen dabei eine besondere Herausforderung dar, da kombinierte Innovationen auf gleich mehreren Ebenen bewerkstelligt werden.

So hat bspw. das Forschungsprojekt SmartSite (BMWi-Programm „Autonomik für Industrie 4.0“, 2013-16, www.smartsite-project.de) Lösungen für

die Rückmeldung von Daten in das BIM-Modell,

die modellbasierte Steuerung autonom fahrender und im Team agierender Baumaschinen sowie

die automatisierte Logistikprozesssteuerung auf Basis der verteilten künstlichen Intelligenz
simultan entwickelt und an Baumaßnahmen erprobt. Dabei wurden die Ergebnisse aus dem Vorprojekt AutoBauLog (BMWi, 2009-13) fortgeführt.

AutoBauLog war eines der ersten Projekte, das Lösungen für die operative Steuerung von Erdbaustellen auf Basis verteilter künstlicher Intelligenz prototypisch implementierte. Im SmartSite-Folgeprojekt „Qualitätsstraßenbau Baden-Württemberg 4.0“ (QSBW4.0, Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg, 2017-18) wurden die Forschungsergebnisse strukturiert genutzt und finden sich heute in den verschiedenen Produkten und Dienstleistungen der beteiligten Unternehmen und entstandenen Startups wieder.

Digitalisierung als Produktivitätstreiber

In gleich mehreren Studien belegt die Bauindustrie eher die hinteren Plätze in Sachen Digitalisierung und Produktivität [2, 3]. Kaum verwunderlich, dass der Digitalisierung von Bauwertschöpfungssystemen weiterhin eine hohe Bedeutung zugesprochen wird [4]. Die digitale Transformation im Bauwesen ist in vollem Gange. Dabei entstehen komplexe und heterogene Systemlandschaften, die längst nicht mehr an den Grenzen des eigenen Bauunternehmens haltmachen [5]. Diese Landschaften sind die Folge dynamischer und ausdifferenzierter Wertschöpfungspartnerschaften und so die Fortsetzung der dem Bauwesen inhärenten Zersplitterung der Leistungserstellung in der digitalen Welt.

Zur Umsetzung der technisch und organisatorisch anspruchsvollen Software-Systeme, die aktuell Einzug in die Tiefbaubranche halten, mussten erst noch Voraussetzungen in der Informatikforschung geschaffen werden. So stehen zunehmend wichtige Grundlagentechnologien zur intelligenten und massenhaften Echtzeitverarbeitung von Daten zur Verfügung. Diese wurden seit etwa Mitte der 2010er Jahre als Open Source von Unternehmen wie Google, Microsoft, Netflix oder Amazon zur Verfügung gestellt und beschleunigen die Software-Entwicklung wesentlich bzw. sorgen für die notwendige hohe Skalierbarkeit, Kombinierbarkeit und Ausfallsicherheit.

In den kommenden Jahren lässt die Digitalisierung daher auch im Tiefbau Produktivitätssteigerungen erwarten. Dies zeigen Vergleiche mit Branchen, die in Bezug auf digitale Systeme aktuell einen noch höheren Reifegrad aufweisen als die Bauindustrie [4].

Straßenbau smart digitalisieren

Ein Beispiel dafür, wie junge Technologieunternehmen aktuelle Forschungsergebnisse zur Digitalisierung des Straßenbaus umsetzen, ist das Produkt Smart Site One der Smart Site Solutions GmbH. In langjähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeit wurden moderne Technologien und innovative Ansätze aus der Informatikforschung mit etabliertem Bauwissen vereint und zur Produktreife gebracht.

Im Bauablauf sammelt Smart Site One (SSO) selbständig alle wichtigen Daten über Sensoren und Schnittstellen. In der Cloud wird der optimale Ablauf der Baustelle vorausberechnet. SSO setzt dazu auf künstliche Intelligenz. Materialproduktion, Transport und Einbau werden so stets zueinander in Einklang gebracht und alle Beteiligten bleiben informiert. Voraussichtliche Ankunftszeiten und -temperaturen, Rundenzeiten, Restmengen sowie Soll-Ist-Vergleiche, Mehr-/ Mindereinbaumengen oder Beladetaktungen und Einbaugeschwindigkeiten (Soll/Ist) usw. sind immer aktuell. Dies vermindert Stillstände und Abzüge in Folge von Qualitätseinbußen.

Zur Datengewinnung ist Smart Site One vernetzt. Über technische Ansätze aus dem Bereich des Internet of Things (IoT) und der Echtzeit-Massendatenverarbeitung werden u.a. GPS-Daten des Fertigers, Temperaturen, FDVK-Daten oder die Auszugsbreite der Bohle erhoben und verarbeitet. Die KI-basierten Empfehlungen zur Einbaugeschwindigkeit werden von SSO direkt an Fertigerfahrer übertragen. GPS-Daten der zuliefernden Lkw werden über die Anbindung verschiedener Telematik-Plattformen realisiert. Mit Smart Site One werden so alle Daten von der Beladung bis zur Verdichtung digital verfügbar und für die Entscheidungsunterstützung aufbereitet.

Modernes Bauen mit modernen Systemen

Am Beispiel Smart Site One zeigt sich, wie Ansätze des modernen Bauens mit aktuellen Technologien nutzenstiftend verknüpft werden können. Die Ansätze gehen dabei weit über die statische Arbeitsvorbereitung und das Management von Lieferscheinen hinaus. Vorarbeiten aus der Tech-Branche und den Unternehmen des Silicon Valleys eröffnen auch der Baubranche vollkommen neue Möglichkeiten, Baustellen effizient digital zu planen und auszuführen. Die erst in der jüngeren Vergangenheit verfügbar gewordenen Technologien erlauben Effizienzvorteile, die noch vor kurzem kaum erreichbar zu sein schienen.

Smart Site Solutions GmbH

www.smartsitesolutions.de

Quellenverzeichnis

[1] BMBF Bundesbericht Forschung und Innovation 2019.

https://www.datenportal.bmbf.de/portal/de/Tabelle-
1.5.1.html

[2] Barbosa, F., Woetzel, J., Mischke, J., Ribeirinho, M. J., Sridhar, M., Parsons, M. & Brown, S., 2017. Reinventing construction: A route to higher productivity. McKinsey Global Institute.

[3] Schober, K.-S., Hoff, P. & Nölling, K., 2016. Digitalisierung der

Bauwirtschaft. Roland Berger Competence Center Civil

Economics, Energy & Infrastructure.

[4] Ribeirinho, M. J. et al. (2020). The next normal in construction, McKinsey & Company.

[5] Picot, A., Reichwald, R. & Wigand, R. T. et al. (2020). Die

grenzenlose Unternehmung, 6. Auflage, Springer Gabler.

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