Kommunen in der Pflicht
Der Bundestagswahlkampf hat schon begonnen: ein halbes Jahr vor dem Urnengang wird der Mangel an Wohnungen politisch „verwurstet“. Im Geschäftslärm gehen die nüchternen Fakten unter. Fahrige Lösungsvorschläge werden präsentiert.
Die Debatte läuft so: In Deutschland gibt es eine allgemeine Wohnungskrise. Das ist grundfalsch. In ostdeutschen Großstädten, in Ballungsräumen des Ruhrgebiets, in den meisten mittleren und kleinen Städten sowie auf dem flachen Land ist die Marktlage relativ ausgewogen. Die Mietsteigerungen sind unter Kontrolle und die abnehmende Bevölkerung verspricht eine weitere Entspannung. Nur in wachsenden Großstädten und auch kleineren Universitätsstädten verteuern sich die Mieten empfindlich. Dies gilt für München, Hamburg, Frankfurt, Münster, die Rheinschiene, Berlin usw. Die Medien und die Politiker konzentrieren sich natürlich auf diese Brennpunkte. Dem Bürger wird vorgegaukelt, dass die deutschen Mieten auf Höchstniveau liegen. Wer das behauptet, war noch nie in Paris und in London. Fast 20 Jahre lang sind die Mieten im Bestand in Deutschland fast gar nicht gestiegen, die Preise der Eigentumswohnungen gaben nach, sogar in der Rheinschiene. In den Talkshows werden hohe prozentuale Mietpreissteigerungen für Berlin genannt, ohne hinzuzufügen, dass die Hauptstadt einen Nachholbedarf hatte. Wenn die Berliner Mieten auf niedrigem Niveau bleiben, befriedigt das den Sozialpolitiker, aber die Investoren bleiben aus.
Angebot und Nachfrage beachten
Die sentimentale Mietdebatte trübt den klaren Blick. Auch der Wohnungsmarkt ist ein Markt, wo Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen. Die Volksbanken und Raiffeisenbanken, die keine Finanzhaie sind, melden, dass in den großen Ballungsräumen „eine zunehmende Nachfrage im Zuge eines Re-Urbanisierungstrends auf ein unzureichendes Wohnraumangebot trifft“. Die Volksbanken warnen vor allzu starken Regulierungen bei den Mietpreiserhöhungen, denn „Eingriffe in den Preismechanismus würden schwerwiegende Nebenwirkungen entfalten, die sich langfristig dämpfend auf das Wohnungsangebot auswirken können“.
Eigenheimzulage reloaded?
Bundesbauminister Peter Ramsauer hat für große Überraschung gesorgt, indem er sich neulich für eine Wiedereinführung der Eigenheimzulage aussprach. Bekanntlich hatte Bundeskanzler Schröder diese teure Subvention von 12 Mrd. Euro jährlich abschaffen wollen und die Große Koalition hatte dies durchgesetzt. Schröder hatte den unsäglichen Spruch ausgegeben: „Bildung ist besser als Beton“. Als ob Bau und Uni sich gegenseitig ausschlössen. Ob die Abschaffung der Eigenheimzulage der Weisheit letzter Schluss war, ist umstritten. Aus heutiger Sicht war es wohl ein Fehler. Die bereits unzureichenden Wohnungsfertigstellungen gingen jedenfalls weiter zurück. Erst mit der Finanzkrise in den südeuropäischen Euroländern fachte die Flucht in Sachwerte den Wohnungsbau wieder an. Hysterie kann auch gute ökonomische Auswirkungen haben. Die Fertigstellungen von Wohnungen sind seitdem merklich angestiegen, von 183.000 in 2011 auf ca. 210.000 in 2012 (Prognose Hauptverband der Bauindustrie) und etwa 230.000 in 2013. Dies bedeutet einen Anstieg um ein Viertel. Die Bauwirtschaft schätzt den Neubaubedarf auf 250.000 Wohneinheiten pro Jahr. Wenn die Baukonjunktur nicht kippt, wird diese Zahl wohl 2014-2015 erreicht.
Kommunen am Zug
Beim Wohnungsmarkt muss es heißen: „Back to the roots“. Nur die Kommunen können die Wohnungslage vor Ort richtig einschätzen und beherzt handeln. Dies belegt der Wohnungsmarktbericht NRW 2012 der NRW.Bank. Sie widmet sich in der Studie der „ sozialen Absicherung des Wohnens mit Fokus Rheinschiene“ (). Sie stellt fest, dass „in den wenigen verbliebenen Wachstumsregionen“ von Nordrhein-Westfalen „deutliche Engpässe“ festgestellt werden, während sich in schrumpfenden Regionen die Angebotsknappheit auf „einzelne Segmente“ beschränkt. Gewachsen ist die Bevölkerung von 2009 bis 2011 in Düsseldorf, Köln, Bonn, in Münster, Gütersloh, Paderborn und am Niederrhein. Bis 2030 soll die Bevölkerung in Köln, Bonn und Münster um 10 % ansteigen. Laut Studie nehmen die Neubaumieten fast überall zu, besonders rasant in den teuren Regionen. Die NRW.Bank formuliert „Handlungsansätze der Kommunen“. In allen Städten stellten die hohen Grundstückspreise eine „enorme Herausforderung“ dar, „da auf diesen Flächen der Neubau preisgünstiger Wohnungen wirtschaftlich kaum möglich ist“. Die Stadt Köln wird gelobt, weil sie Rabatte beim Grundstücksverkauf gewährt, wenn 30 % der entstehenden Geschosswohnungen öffentlich gefördert werden. Die Stadt Düsseldorf subventioniert über Darlehen den Preis nicht städtischer Grundstücke herunter, wenn der Käufer geförderte Mietwohnungen errichtet. Die Bank appelliert an die städtischen Kämmerer: falls die Kommunen nichts tun, handeln sie sich langfristig finanzielle Belastungen ein, durch steigende Unterkunftskosten für Hartz-IV-Empfänger und durch den Kaufkraftverlust derjenigen, deren Einkommen durch die hohe Miete aufgefressen wird.