Lünen „tickt“ anders
Landesweit Maßstäbe gesetzt
Die gesetzlich vorgeschriebene Dichtheitsprüfung privater Grundstücksentwässerungen ist in NRW der kommunalpolitische „Aufreger“ schlechthin. Von den Ardennen bis zur Weser kochen die Emotionen unkontrolliert hoch, sobald in der Kommunalpolitik § 61a des Landeswassergesetzes zum Thema wird. Sachliche Diskussionen sind vielerorts kaum mehr zu führen. Umso bemerkenswerter, dass es nördlich von Dortmund eine Insel relativer Gelassenheit gibt: In Lünen gehört aufgeregtes Getöse nicht zum Stil des Umgangs miteinander, obgleich der Stadtbetrieb Abwasserbeseitigung Lünen AöR (SAL) seit Jahren systematisch die Dichtheitsprüfung von privaten Abwassersystemen vorantreibt. Zu den Geheimnissen des Lünener Wegs zur „Dichtheitszertifizierten Grundstücksentwässerung“ gehört eine beispiellos intensive Informationspolitik zur „Jahrhundertaufgabe Grundstücksentwässerung“. Wie die funktioniert, konnte man am 16./17. Juli live verfolgen: An diesem Wochenende lud der SAL mit seinem Vorstand Dipl.-Ing. Claus Externbrink und dessen Mitarbeiterin Rosi Evers zu den Dritten Lünener Grundstücksentwässerungstagen ein. Hier erwartete die in großer Vielzahl erschienenen interessierten Besucher eine Zeltstadt mit 23 Stationen, an denen man lückenlos alles erfahren und teils sogar live erleben konnte, was man als Grundstückseigentümer zum Thema Dichtheitsprüfung wissen muss und sollte.
Im Brennpunkt stand einmal mehr das große Veranstaltungszelt mit über 100 Sitzplätzen, in dem die Lünener Bürger mit Politik und Fachleuten in mehreren Diskussionsrunden über Grundsätzliches diskutierten, darunter auch die zentrale Frage: Warum überhaupt Dichtheitsprüfung? Dazu standen unter anderem hochrangige Vertreter des Düsseldorfer Umweltministeriums als Gesprächspartner zur Verfügung, die sowohl Missverständnisse zur Rechts- und Fristenlage ausräumten als auch die Notwendigkeit betriebs- und umweltsicherer Abwasserleitungen begründeten. Diese räumliche Fokussierung politischer Aspekte erwies sich als äußerst geschickter Schachzug, denn so blieben an allen anderen Stationen die politischen Grundsatzfragen weitest gehend außen vor: In aller Gelassenheit konnte man sich hier auf technische, organisatorische und wirtschaftliche Aspekte der Thematik konzentrieren – ein Angebot, das vom Publikum dankbar angenommen wurde. So konnte man sich an mehreren Ständen ansehen, wie eine Kanal-TV-Untersuchung mit speziellen abbiegefähigen Kamerasystemen oder eine Wasserdichtheitsprüfung in der Praxis funktionieren.
Technik zum Anfassen hilft Ängste abbauen – diese Einsicht gehört zum Erfahrungsschatz des SAL. Vor allem gilt dieser Grundsatz, sobald es an die Frage der Sanierung geht. Zu den zentralen Aufgaben einer erfolgreichen Informationspolitik gehört es nach Auffassung von Externbrink und Evers, jenen Horrormeldungen zu exorbitanten Sanierungskosten, die immer wieder durch die Bürgerschaft geistern, die Grundlage zu entziehen. Denn so gut wie keiner der „Gruselpreise“, die in die politische Debatte geworfen werden, hält ernsthafter fachlicher Betrachtung stand. Fast immer liegen klar unseriöse Angebote vor. Schon seit Jahren ist bedingungslose Kundenorientierung das Credo des Abwasserbetriebs, was für Externbrink und Evers vor allem Gesetzesvollzug mit Augenmaß bedeutet statt das Reiten von Prinzipien. Die Forderung nach „absoluter Dichtheit“ etwa bringt Claus Externbrink von je her fast in Rage. Von daher ist es in Lünen auch offizielle Linie, die optische Inspektion als Dichtheitsnachweis zuzulassen, soweit es irgend mit den rechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Der neue MUNLV-Runderlass vom 17.06.2011, der nunmehr Vorgaben zur Sanierung in Abhängigkeit vom (optischen) Schadenbefund macht, ist insofern Wasser auf die Mühlen der Lünener Strategie.
Anlass zum Nachdenken war vielen Besuchern ein Event der besonderen Art. Parallel zu den vielen fachlichen Stationen zeigte der Ingenieur und Fotograf Ulrich Winkler seine Fotoausstellung „unter uns“, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Abwasser-Infrastruktur unter unseren Füßen buchstäblich ins rechte Licht zu rücken. Mancher Bürger stand staunend vor den großformatigen Bildern in der SAL-Hauptverwaltung und wurde sich dabei zum ersten Male der Tatsache bewusst, dass Stadtentwässerung aus weit mehr besteht als aus den roten PVC-Rohren, die man aus dem Baumarkt kennt. Ulrich Winkler, der die Ausstellung über das Wochenende begleitete, fand die alte Weisheit dass „ein Bild mehr als tausend Worte sagt“, ebenso eindrucksvoll bestätigt, wie seine Idee, dass die künstlerische Besetzung des Abwasserkanals ein wichtiges Stück Öffentlichkeitsarbeit für Stadtentwässerung als solche sein kann. n