Neue Struktur für alte Stützwände
Betonschäden an Brücken und Stützwänden werden gewöhnlich mit Mörtelsystemen oder mit Spritzbeton reprofiliert oder verstärkt. Mit dem Relief-Verfahren von Torkret lassen sich zusätzlich strukturierte Oberflächen aus Spritzbeton auf den zuvor stabilisierten Verkehrsbauwerken erzeugen.
Das Spritzbetonverfahren ist ein in Deutschland und Europa genormtes handwerkliches Betonierverfahren, das seit über 90 Jahren eingesetzt wird. Die Reprofilierung von Betonfehlstellen mit Spritzbeton stellt die Tragfähigkeit der Wand wieder her; bei Zulage weiterer Betonstahlbewehrungen wird die Lastaufnahme sogar noch gesteigert.
Spritzbeton entspricht in der Zusammensetzung Normalbeton. Lediglich die Herstellung ist verfahrensbedingt anders. So erfolgt die Förderung des Materials, das Mischen von Zement und Gesteinskörnung mit Wasser und der Auftrag und die Verdichtung des Betons in einem Arbeitsgang. Durch die pneumatische Förderung sind hohe Aufprallgeschwindigkeiten des Spritzgemisches auf dem Untergrund mit entsprechend hoher Verdichtungsenergie möglich. Damit ist in der Regel ein vollflächiger homogener Verbund zum Untergrund gewährleistet, und bei der Bemessung darf man meist so vorgehen, als ob der neue Gesamtquerschnitt von Anfang an einheitlich hergestellt worden wäre.
Durch eine neuartige, farbige und reliefartig strukturierte Ausbildung der letzten Spritzbetonlage kann die sichtbar bleibende Oberfläche nun so gestaltet werden, dass sich das instandgesetzte Bauwerk harmonisch in die umgebende Landschaft einfügt und nicht als Fremdkörper oder notwendiges Übel wahrgenommen wird.
Sanierung der Stützwand in St. Goarshausen
Den Weg der Landesstraße L 338 hinauf zum sagenumwobenen Loreleyfelsen mit herrlichem Blick auf den Rhein bei St. Goarshausen säumte linker Hand eine arg in die Jahre gekommene Betonstützmauer. Auf einer Länge von 360 m hatten großflächige Betonabplatzungen, ausrostende Bewehrungsstähle, Risse, Tausalzeintrag und Kohlendioxid aus der Luft die Stabilität und damit die Gebrauchstauglichkeit des Verkehrsbauwerkes so sehr gemindert, dass die Sanierung und Ertüchtigung oder aber alternativ ein Abriss und Neubau unumgänglich geworden waren. Nicht zuletzt sollte die unansehnlich gewordene Stahlbetonmauer im Unesco Weltkulturerbe Oberes Mittelrheintal auch optisch verbessert werden.
Für die Stützwand in St. Goarshausen wählte die zuständige Baubehörde anhand von Probeflächen eine ortstypische Natursteinmaueroptik zur Betonoberflächenvergütung. Nach dem Rückbau des Zauns auf der Wandkrone, dem Abbruch der Zugangsrampen und der Beseitigung des schadhaften Betons wurden die freiliegenden korrodierten Bewehrungseisen entrostet und der Betonuntergrund gründlich aufgeraut. Nachdem alle Fehlstellen mit Spritzbeton monolithisch geschlossen waren, wurde zusätzlich noch eine 20 cm dicke Stahlbetonschale der Festigkeitsklasse C 35/45 entsprechend der Expositionsklasse XD3, XF2 aus mehreren Lagen Spritzbeton aufgetragen. Konstruktiv wurden zwei Lagen Mattenbewehrung Q 335A schwingungsfrei befestigt und kraftschlüssig eingespritzt. Durch den hervorragenden Verbund des Spritzbetons waren weder eine Haftbrücke noch andere Verbindungsmittel notwendig.
Strukturmatritze für Natursteinoptik
Die Oberfläche des Spritzbetons wurde nun nicht wie üblich mit einer Feinmörtelschicht versehen, geglättet und gestrichen, sondern in der gewünschten Natursteinoptik Torkret Stone strukturiert. In die letzte noch frische Lage des zementgrau farbigen Spritzbetons wurde dabei vorübergehend eine Strukturmatritze aus Polystyrol-Schaumstoff eingelegt und mit einer weiteren Lage von anthrazitgrau eingefärbtem Trockenspritzbeton kuppenartig überdeckt. Bis zum Abbinden dieser Betonschicht konnte die Oberfläche nun von Hand mit Kelle und Quast nachmodelliert werden. Danach entfernten die Arbeiter vorsichtig die Matritze und legten den zementgrauen Betonuntergrund wieder frei, der nun als Fuge erscheint. Die Hilfsmatrizen waren vorher individuell nach den Wünschen des Bauherrn anhand von CAD-Zeichnungen erzeugt und mit computergesteuerten Schneidemaschinen angefertigt worden. In Kombination mit den unterschiedlich pigmentierten Spritzbetonlagen und den variierenden Spritzdicken wurde in kürzester Bauzeit die neue Betonoberfläche so strukturiert, dass diese einer bruchrauen unregelmäßigen Natursteinfläche täuschend nahe kommt. Durch die Ausbildung von Ecksteinen und Lisenen wird der Eindruck noch weiter verstärkt. Im Unterschied zu echtem Natursteinmauerwerk bleibt die so gefertigte Fläche auch dauerhaft hochgradig belastbar und ist damit sehr wartungsfreundlich. Auf der 50 cm breiten Wandkrone wurde zur gezielten Oberflächenwasserabführung eine geschalte Betonkappe aufgesetzt und abschließend ein Holmgeländer montiert. Alle Arbeiten wurden unter halbseitiger Sperrung der Fahrbahn in Form einer Wanderbaustelle durchgeführt. Zu den Veranstaltungen auf der Freilichtbühne Loreley hoben die Verantwortlichen die Sperrung an zehn Wochenenden immer wieder kurzzeitig auf. Die ursprünglich geplante Bauzeit konnte um 6 Wochen reduziert werden.
Alternative zur Vorsatzschale
Stützwände, Fassaden, Brückenwiderlager und -pfeiler wurden und werden gerne nach der Erstellung mit festverankerten Mauerschalen verblendet. Dies schafft ein standfestes und wertiges Erscheinungsbild, ist jedoch sehr aufwändig und kostspielig. In der späteren Unterhaltungsphase wird dabei der Blick zu den Kernschäden des Ingenieurbauwerks erschwert und verdeckt. Durch die Anwendung des seit 2009 patentierten Relief-Verfahrens eröffnen sich neue kreative Perspektiven für scheinbar vorgesetzte aber tatsächlich monolithisch festverbundene Verblendungen. Auf Beschichtungen und Lasuren kann dabei aufgrund der bewährten Spritzbetoneigenschaften verzichtet werden. Durch die nur etwa 3 bis 5 cm dünne zusätzliche Spritzbetonschicht ist die Methode ressourcen- und verkehrsraumsparend.
Verfahrensbedingt kann die optische Gleichmäßigkeit, wie beim klassischen „Sichtbeton“, beispielsweise geregelt nach DBV/BDZ-Merkblatt Sichtbeton, nicht garantiert werden. Die „Handschrift“ des Planers aber auch die des Ausführungspersonals bei der Oberflächenendbearbeitung bleibt sichtbar. Vor Ausführungsbeginn empfiehlt es sich, über Muster- und Probeflächen das gewünschte Erscheinungsbild verbindlich zu vereinbaren.
Brückensanierungen bei Neukieritzsch und Torgau
Die beiden Verkehrsbauwerke der B 176 und der B 182 mussten zeitgleich bis in den Herbst dieses Jahres instandgesetzt werden. Die Rahmenbrücke bei Neukieritzsch wurde 1973 errichtet und überführt die Bahn-Hauptstrecke Leipzig-Hof. Die bereits 1994 erstmalig sanierten Unterbauten der Widerlager und Flügel wiesen erneut massive Betonschäden, ausrostende Bewehrungseisen und zahlreiche Risse mit Rissweiten zwischen 0,5 bis 2 mm auf. Nach dem Entfernen der verschlissenen OS-Beschichtung wurden alle Betonschadstellen und Risse freigestemmt, freiliegende Bewehrung entrostet, Bauwerksrisse aufgeweitet und der Betonuntergrund durch Druckluftstrahlen aufgeraut und vorbereitet. Nach den Vorgaben der DIN 18551 ertüchtigten und reprofilierten die Sanierungsfachkräfte die Wandflächen dann in einer Gesamtstärke von bis zu 10 cm mit Spritzbeton. Zur besseren Verteilung der Rissbreiten brachten sie zusätzlich Betonstahlmatten BSt 500M an den senkrechten Flächen an und befestigten sie schwingungsfrei mit Stabankern.
Die Widerlager- und Flügelflächen der Brücke in Torgau, die die Gleisanlage der Bahnstrecke Halle-Cottbus überführen, waren so geschädigt, dass durchgängig eine Betonschicht von 15-20 cm Dicke mit Höchstdruckwasserstahl abgetragen und diese durch Spritzbeton komplett wieder kraftschlüssig anbetoniert werden musste. Auch hier wurden die instandgesetzten Flächen nicht mit einem einfachen Oberflächenschutz versehen sondern reliefartig mit einer Mauerstruktur aus Spritzbeton strukturiert und gestaltet. Am Brückenbauwerk Torgau wurde gelber Sandstein als unregelmäßiges Mauerwerk mit großen Eckquadersteinen appliziert. Am Bauwerk Neukieritzsch wurde vom gleichen Bauherrn die Optik eines kleinformatigeren regelmäßigen Schichtenmauerwerks, entsprechend Bild 19 DIN 1053-1, favorisiert. In beiden Anwendungen wurde der Farbton der letzten Spritzlage deutlich von der Spritzbetonunterlage abgesetzt. Die Bauwerksoberfläche wurde so dauerhaft instandgesetzt und gleichzeitig die Ansicht aufgewertet.
An einem etwa 60 m² umfassenden Bereich am östlichen Widerlager Neukieritzsch konnte die vielbefahrene Bahnstrecke nur kurzzeitig für wenige Stunden gesperrt werden. Aus diesem Grund erfolgte dort die Ausbildung der Oberfläche wie ursprünglich geplant nur als glatte, abgeriebene Fläche ohne Reliefstruktur. Der Bauherr erwägt, auch diese Fläche noch mit Torkret Relief zu belegen. Eine solche nachträgliche Überarbeitung des Spritzbetons ist jederzeit ohne große Umstände möglich.