Spurenstoffe: Ein Problem schon im Kanalnetz
Der RSV-Rohrleitungssanierungsverband e.V. (Lingen/Ems) bezieht kritisch Position zur aktuellen wasserwirtschaftlichen Diskussion um die Problematik von Spurenstoffen im kommunalen Abwasser.
Problem verkürzt dargestellt
Als repräsentatives Beispiel für eine aktuell verkürzte Betrachtungsweise der durch Spurenstoffe ausgelösten Umweltprobleme führt der RSV das „Spurenstoff-Memorandum 2014“ an, das im Vorjahr von DWA(NRW) , agw(NRW), DWK (NRW) Städtetag NRW sowie dem Städte- und Gemeindebund NRW veröffentlicht wurde. Die Darstellung in diesem Memorandum verkürzt das Problem einerseits auf die Belastung der Oberflächengewässer und ihrer Ökologie und reduziert es zum anderen zu einer (schwer lösbaren) Frage der Klärtechnik. Spurenstoffe vor der Kläranlage werden indes im Memorandum mit keinem Wort thematisiert. Der RSV weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die seit Jahrzehnten durch die DWA durchgeführten Erhebungen zum Zustand der Abwasserkanäle regelmäßig zum gleichen Ergebnis kommen, dass 20 +/-drei Prozent der öffentlichen Abwasserkanäle defekt sind. Zudem werden jährlich rund 2 Milliarden Kubikmeter Fremdwasser in öffentliche Kläranlagen transportiert, die überwiegend aus undichten Kanalnetzen im Grundwasserhorizont stammen. Es sei, so der RSV, angesichts dieser Zahlen unschwer zu erahnen - wenngleich leider nicht messbar- welche Abwassermengen aus undichten Kanalnetzen versickern, die über dem Grundwasserhorizont liegen.
Langzeit-Rückstände
Als Indiz für die zu erwartenden Grundwasserbelastungen durch die Spurenstoffe im Abwasser verweist der RSV auf eine Untersuchung der Fresenius-Hochschule Taunusstein im Jahre 2005. Bei dieser wurde in verschiedenen deutschen Großstädten nach Barbiturat-Rückständen im Grundwasser gesucht. Barbiturate sind Schmerzmedikamente, die bereits Ende der 1960er Jahre verboten und außer Verkehr gezogen wurden und damit ein idealer Indikator für Langzeit-Bewegungen von Schadstoffen in Boden und Grundwasser: Die Analogie zu heutigen Medikamenten liegt zudem auf der Hand. Gefunden wurden die - nicht abbaubaren- Barbiturate fast überall [ 1 ].
Das Spurenstoff-Problem fängt also nicht erst im Ablauf der Kläranlage an, sondern schon weit vor der Kläranlage. Der DWA ist auch nach Ansicht des RSV grundsätzlich darin zuzustimmen, dass die Problematik idealer Weise an der Wurzel, das heißt beim Konsumenten, gelöst werden muss. Da die Wasserwirtschaft aber keinen unmittelbaren Zugriff auf das Konsumenten- und Produzentenverhalten hat, gleichwohl jedoch den Schutz von Grund- und Oberflächenwasser sicher stellen muss, sieht der RSV in puncto Spurenstoffe keine Alternative zu einem zweigleisigen Vorgehen: Punktuelle Aufrüstung der Klärtechnik mit wirksamen Reinigungsverfahren einerseits, parallel dazu die konsequente Abdichtung der Abwassernetze nach strengsten Vorsorge-Maßstäben. Eine völlig kontraproduktive Strategie wäre es nach Ansicht des Rohrleitungssanierungsverbandes, die erforderliche Nachrüstung der Klärtechnik durch eine Reduzierung der Netzinstandhaltungs-Investitionen „gebührenneutral gegen zu finanzieren“. Der Versuch sei in der Kommunalpolitik zumindest fallweise zu befürchten, werde aber langfristig in ein irreparables Grundwasser-Desaster führen.