„Wir bauen die Zukunft“
Baumaschinen-Antriebe der ZukunftTHIS sprach mit Thomas Bitter, Senior Vice President Technology bei Volvo Construction Equipment, über Elektromobilität und autonome Baumaschinen.
THIS: Guten Tag, Herr Bitter. Bei Ihnen auf der Bauma gibt es viel Neues zu sehen. Doch viel
von dem, was ich sehe, hat nicht mehr mit Diesel zu tun.
Thomas Bitter: Das stimmt. Sie können gerne sagen, dass Volvo unter Strom steht.
THIS: Umweltfreundliche, elektrisch angetriebene Baumaschinen – das zweite große Bauma-Thema neben der Digitalisierung.
Thomas Bitter: Was Sie auf der Bauma bei vielen Herstellern gesehen haben, ist Elektromobilität, sind Maschinen und Fahrzeuge, die elektrifiziert werden. Der Unterschied, den es bei Volvo gibt, ist die Konsequenz und Entschlossenheit, mit der wir das Thema angehen.
Wir stellen hier auf der Bauma zwei elektrifizierte Vorserienmaschinen vor: Den ECR25, einen Mini-Bagger von 2,5 Tonnen, und den L25, einen kompakten Radlader in der 5-Tonnen-Klasse. Für alle darauf basierenden Modelle werden wir die Entwicklung für konventionelle Antriebe einstellen. Wir werden für diese Maschinenklassen keine Dieselmotoren mehr entwickeln, sondern nur noch Elektromotoren.
THIS: Gilt das für die ganzen Klasse?
Thomas Bitter: Das werden auf der Radlader-Seite der L20, der L25 und der L28 sein. Bei den Kompaktbaggern sind das die Modelle zwischen 1,8 bis 2,7 Tonnen. Hier wird es keine Entwicklung mehr geben auf dieselbetriebenen Versionen.
Das bedeutet natürlich, dass sich unsere Entwicklungsteams umstellen müssen. Wir springen da hinein, und wir springen ohne Fallschirm, weil wir überzeugt sind, dass der Markt in Zukunft diese Maschinen braucht. Wir wollen die Zukunft bauen.
THIS: Von welchem Markt sprechen Sie?
Thomas Bitter: Wenn ich von Märkten spreche, dann nicht von Deutschland, Großbritannien oder Italien, sondern von Mailand, London, Düsseldorf oder Berlin.
THIS: Also die Städte?
Thomas Bitter: Korrekt, die Städte. Das ist die natürliche Umgebung für solche Maschinen. Eine batteriebetriebene Maschine hat nicht nur eine höhere Effizienz, denn eine elektrische Baumaschine, die nicht arbeitet, ist nicht im Leerlauf, sondern aus. Sie sind auch spürbar leiser, und sie sind und emissionsarm. Es gibt keinen Schadstoffausstoß – nichts. Das bietet sich natürlich im Stadtbereich an.
THIS: Wird das honoriert?
Thomas Bitter: Ja. Das geht schon jetzt so weit, dass bestimmte Städte das Thema vorantreiben und fordern.
THIS: Fordern in der Form, dass man Vorschriften erlässt, dass für bestimmte Bausituationen nur noch elektrisch betriebene Baumaschinen eingesetzt werden dürfen?
Thomas Bitter: Genau. Ein Beispiel: Vor zwei Wochen waren wir in Oslo und haben uns mit einem Kunden getroffen, der unseren ersten elektrischen Kompaktbagger gekauft hat. Der kannte den noch nicht, hatte ihn noch nicht gesehen, und kaufte, wenn Sie so wollen, blind. Aber er wollte diesen Bagger haben. Der Kunde weiß, sobald er diesen Elektro-Bagger in seiner Flotte hat, kriegt er bestimmt Aufträge. Wenn er diese Maschine nicht hat, dann wird er nicht mehr berücksichtigt.
Wir sind der Überzeugung, dass das häufiger vorkommen wird. Wir haben für größere Maschinen den dieselbetriebenen Antrieb, aber wenn das hier so weitergeht, wie wir es antizipieren, dann werden wir uns überlegen, ob sich der elektrische Antrieb für größere Maschinen eignet.
THIS: Haben Sie schon eine Vorstellung davon, bis zu welcher Tonnage das in Zukunft gehen könnte?
Thomas Bitter: Durchaus. Wir arbeiten eigentlich in sämtlichen Gewichtsbereichen und sämtlichen Produktbereichen mit Elektrifizierung. Sie hatten ja die Gelegenheit, sich unsere Demo-Site anzuschauen, die wir in Schweden zusammen mit unserem Kunden Skanska aufgebaut haben. Die ist fast durchgängig elektrifiziert. Das ist der Dumper HX2, mit 22 Tonnen schon in der mittleren Gewichtsklasse. Der Bagger, den wir hatten, das war ein 75-Tonner. Der ist komplett elektrifiziert und wurde am Kabel betrieben. Und der Radlader ist auf Basis eines L120 mit Hybridantrieb. Das war die einzige Dieselmaschine, die wir in dem Steinbruch hatten. Alles andere war nicht nur elektrifiziert, sondern auch weitgehend autonom.
THIS: Forschen Sie auch an anderen alternativen Antrieben?
Thomas Bitter: Ja. Wir schauen für sämtliche Anwendungsbereiche auf die unterschiedlichen Möglichkeiten. Strom, Brennstoffzellen, was es gibt. Wir wissen, dass beispielsweise unser größter Dumper, A60, nicht ohne weiteres batterie-elektrisch betrieben werden kann – da gibt es mehrere Möglichkeiten. Für unseren mittleren Bereich testen wir durchaus die Batterietechnik. Wir haben uns Nachhaltigkeit auf unsere Fahne geschrieben.
Unser Vorteil ist, dass wir das Thema nicht alleine angehen müssen. Wir können auf die Kraft und die Unterstützung von unserer Muttergesellschaft, der Volvo-Gruppe, zurückgreifen.
THIS: Ich habe an der Uni Kaiserslautern das sehr interessante Forschungsprojekt ERMA (Energie- und ressourceneffiziente mobile Arbeitsmaschinen) kennengelernt, wo Studenten verschiedener Lehrstühle auf Basis eines Volvo-Baggers an sehr deutlichen Verbrauchsoptimierungen arbeiteten. An der RWTH Aachen gab es ebenfalls ein interessantes Projekt namens STEAM, dass mit verschiedenen Hydraulik-Drücken deutliche Effizienzgewinne erzielte – ebenfalls mit intensiver Unterstützung seitens Volvo. Verfolgen Sie solche Konzepte weiter, oder setzen sie in die Praxis um?
Thomas Bitter: Ja. Wir haben Projekte und betreiben Forschung für jede Baureihe. Sie haben die Bagger angesprochen; natürlich gibt es dafür einen Produkt- bzw. einen Innovationsplan. Bei STEAM beispielsweise haben wir einen normalen Hydraulikbagger, aber mit Akkumulatoren. Das heißt, wir speichern Druck und entkoppeln den Diesel von den Verbrauchern. Diese Energie nutzen wir, um die Arbeitsausrüstung zu bewegen und den Diesel konstant in seinem Bestpunkt zu betreiben Das führt zu Treibstoffreduzierung von bis zu 20%.
Das kann uns aber noch nicht den Verbrennungsmotor ersetzen. Das kann nur den Schadstoffausstoß und den Verbrauch von Diesel reduzieren. Dann gibt’s die Möglichkeit, dass man an anderen Nebenaggregaten arbeitet und wenn es der Einsatzbereich erlaubt, dann stecken Sie den Bagger einfach an die Steckdose.
THIS: Glauben Sie, dass Sie durch Elektrifizierung auch in Deutschland eine Ausweitung des Marktanteils erreichen?
Thomas Bitter: Jeder Hersteller spricht über Elektrifizierung. Und manche Hersteller haben das vielleicht noch etwas früher begonnen. Der Unterschied ist, dass wir da radikaler rangehen, dass wir das ganze Geschäft von unseren Kunden damit positiv beeinflussen und verbessern wollen.
THIS: Es haben ja schon andere Hersteller elektrifizierte Baumaschinen vorgestellt, sie dann aber nicht anbieten können oder wollen, weil das Service-Personal mit der neuen Technik überfordert war. Wie sieht das bei Volvo aus?
Thomas Bitter: Das ist eine sehr gute Frage. Wir haben vorher natürlich eine Untersuchung durchgeführt, was das für uns bedeutet, wenn wir elektrisch gehen, und es keinen Weg zurück mehr gibt. Es bedeutet, dass wir zum Zeitpunkt der Einführung diese Technik wirklich beherrschen müssen, mit allen Ausprägungen und Konsequenzen. Und das tun wir.
Für den Einstieg in die Elektrifizierung haben die anfangs genannten Maschinen ausgewählt, weil die unter 48 Volt laufen können. Diese Betriebsspannung kommt aus Automobilbereich, sie ist sicher und weitverbreitet. Wir haben uns auch sehr genau angeguckt, was unsere Zulieferer in dem Bereich leisten müssen. Die Verfügbarkeit von Batterien, um mal ein Beispiel zu nennen, ist essenziell.
Wir haben uns auch sehr genau angeguckt, ob unsere Leute in der Lage sind, einen Dieselmotor durch einen Elektromotor zu ersetzen, mit allem, was dazu gehört. Mit elektro-hydraulischen Maschinen, wo wir nur auf der Antriebsseite mit dem Dieselmotor arbeiten, beschäftigen wir uns bereits seit längerem, wir können also auf Erfahrungen zurückblicken. Die 48-Volt-Technik haben unsere Händler und Service-Techniker inzwischen auch im Griff. Die Hydraulik auf beiden Maschinentypen bleibt natürlich die gleiche.
THIS: Dann kann Volvo also diesen Teil der Kundenerwartung befriedigen…
Thomas Bitter: Wir glauben, dass wir den ganzen Bereich abgedeckt haben. Heute Morgen in der Pressekonferenz fragte ein Kollege von Ihnen, ob wir auch verantwortlich dafür sind, dass der Kunde die Maschine auf der Baustelle nachladen kann.
Ja, unsere Überlegungen haben auch diesen Bereich eingeschlossen; wir überlegen auch, wie man dieses Problem lösen kann. Der Fall heute ist, dass ein Lkw kommt und Treibstoff liefert; mit dem die Maschinen auf der Baustelle betankt werden. Morgen muss man das irgendwie anders lösen – wenn es keine Steckdose gibt, dann muss man eben Batterien bringen.
Und da wir bei Volvo eine größere Gruppe sind, glauben wir, dass wir auch da an guten Lösungen mitwirken können.
THIS: Lassen sich die Batterien in Ihren Maschinen
austauschen?
Thomas Bitter: Derzeit nicht, bzw. nur mit einem gewissen Aufwand. Diese Idee, dass man einfach die Batteriepakete rein- und rauszieht so wie bei einer Taschenlampe, das ist nicht die Lösung. Zum einen sind solche Batterien schwer, zum anderen sind sie in der Maschine mechanisch deutlich besser geschützt. Man muss also nachladen. Wir werden eine Schnelllade-Lösung anbieten, die das sogenannte Battery Swapping obsolet macht.
THIS: Geht diese Elektrifizierung einher mit weiteren Veränderungen?
Thomas Bitter: Wir fokussieren uns bei Volvo derzeit auf drei Bereiche. Über Elektrifizierung haben wir ja ausführlich gesprochen.
Es gibt auch die Automatisierung. Das ist der zweite Punkt, und wir wollen auch da federführend oder wegweisend sein. Basis für die Automatisierung ist, dass unsere Maschinen verbunden sind. Also geht es auch um Konnektivität, und dass wir diese Verbindung dazu nutzen, Daten von der Maschine zu bekommen und Daten zur Maschine zu schicken. Die Maschine muss kommunizieren können. Unsere Kunden brauchen Informationen darüber, wie die Maschine besser genutzt werden kann, wie die Maschine optimiert werden kann, oder wie man vorzeitig Fehlverhalten erkennen kann.
Das haben wir heute schon für einen Großteil unserer Maschinen in den höheren Gewichtsklassen. Es gibt ein proaktives Monitoring, dies ist ein Programm, mit dem wir Fehlercodes auslesen und dann dem Kunden und unseren Händlern sagen können, wenn sich eine Maschine in einen roten Bereich hinein bewegt, so dass man sich darum kümmern muss. Das ist wiederum für eine dieselgetriebene Maschine kritischer als für eine elektrische.
Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Digitalisierung wird Elektrifizierung und Automatisation vorantreiben.
THIS: Wo geht die Reise weiter hin?
Thomas Bitter: Wir haben über die letzten drei Baumas jedes Mal sehr viel Augenmerk auf die Bereiche Service und Kundenlösungen gelegt; auf der letzten Bauma haben wir intensiv über das Assist-System, Co-Pilot, gesprochen. Das ist dieses interne Maschinensystem, wo wir sämtliche Informationen zusammenfassen, die für den Maschinenfahrer wichtig sind. Diese Mensch-Maschinen-Schnittstelle werden wir weiter ausbauen.
Was wir jetzt sehr stark vorantreiben, sind Assist-Funktionen. Und die sind unterschiedlich, je nach Maschinentyp. Bei den Radladern gehört dazu, das Gewicht der Ladung in der Schaufel zu messen. Bei Baggern ist es „3D-Dig-Assist“, um bestimmte Funktionen automatisch durchführen zu können. Bei Dumpern optimiert „Haul-Assist“ das Zusammenspiel in der Flotte, um Staus und Wartezeiten zu vermeiden. Das sind für uns die ersten Schritte zu mehr Automatisierung.
THIS: Dann sind also autonome Baumaschinen der nächste Schritt?
Thomas Bitter: Noch nicht der nächste Schritt, aber das Ziel, dem wir uns Schritt für Schritt nähern. Den automatisierten Dumper haben wir schon gezeigt, aber der braucht noch einen Fahrer im Hintergrund. Anstatt acht Maschinen mit acht Fahrern zu haben, haben wir einen Park von acht Maschinen, die von einer Person überwacht und gesteuert werden.
Das ist noch nicht vollautomatisch, aber schon ein anderes Profil mit geringerem Personalbedarf. Auch beim Radlader ist eine Teil-Automatisierung möglich. Aber eine automatisierte Maschine ist heute noch nicht so leistungsfähig wie eine Maschine mit einem geschulten Maschinenfahrer. Bevor beispielsweise ein Bagger völlig automatisch arbeitet und sieht, wo er graben muss, wird es noch eine Weile dauern.