Zwei auf’s Dach bekommen
Richtungsweisendes Aufstockungsprojekt in DresdenUm moderne Wohnungen anbieten zu können, stockt eine Wohnungsgenossenschaft in Dresden vier Siedlungshäuser um zwei zusätzliche Etagen in Holzbauweise auf. Dabei wurde ein sicherer Brandschutz gewährleistet.
Ursprünglich wollte die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt (WGJ), mit einem Bestand von etwa 7.662 Wohnungen eines der großen Wohnungsunternehmen der Stadt Dresden, die vier Miethäuser im Stadtteil Johannstadt lediglich durch den Einbau eines Aufzugs modernisieren. Die Fünfgeschosser sollten damit vor allem für ältere Mieter attraktiver werden und ihnen eine möglichst lange Wohndauer ermöglichen. Im Rahmen der Planung jedoch entstand die Idee, die Häuser gleichzeitig aufzustocken. Damit konnte die WGJ auch die im Markt besonders gefragten größeren Wohnungen anbieten.
Mehrere Architektenbüros wurden mit der Entwicklung geeigneter Lösungen beauftragt. Unter den Aspekten ‚gute Grundrisse, Wirtschaftlichkeit und schnelle Umsetzung‘ hat sich schließlich das Konzept der Dresdner O+M Architekten GmbH durchgesetzt. Es sieht zwei zusätzliche Geschosse mit insgesamt 16 neuen Wohnungen in Größen von 64 bis 106 Quadratmetern vor.
Mit vier 4-Raumwohnungen, zehn 3-Raumwohnungen und zwei 2-Raumwohnungen richtet sich das Angebot an Familien mit Kindern ebenso wie an Ruheständler, die sich ‚kleiner setzen‘ wollen. Alle Mieter profitieren von Barrierefreiheit und moderner Ausstattung sowie von einer intelligenten Raumaufteilung, die bei der Raumnutzung ein Höchstmaß an Flexibilität sicherstellt. Sämtliche Wohnungen verfügen über Balkone oder Dachterrassen. Den besonderen Ausblick über Dresden gibt es gratis dazu.
Im Rahmen der Maßnahme werden außerdem die Treppenhäuser modernisiert. Die Fassade erhält einen hellen Anstrich. 15 zusätzliche Autostellplätze stehen für die neuen Bewohner bereit.
Vorteil Holzbauweise
Der Altbestand wurde in der frühen Nachkriegszeit in massiver Bauweise mit Platten aus Ziegelsplittbeton, der aus Kriegstrümmern gewonnen wurde, erstellt und verfügte nur über eingeschränkte statische Reserven. Vor diesem Hintergrund entschieden die Architekten, die Aufstockung mit einer leichten Konstruktion aus vorgefertigten Holztafel-Wandelementen und Holzdeckenelementen auszuführen. Lediglich die Wände und Decken der aufgestockten Treppenhäuser werden aus Brandschutzgründen mit Porenbeton ausgeführt. Konsequent erhielten auch die Außenwände ein hinterlüftetes Fassadesystem aus relativ leichten Hochdruck–Schichtpressstoffplatten (HPL).
Neben der Lösung der statischen Problematik bot die Holzbauweise weitere Vorteile: Die Maßnahme konnte so in relativ kurzer Bauzeit bei geringem Baulärm durchgeführt werden. Ein schneller Baufortschritt war hier nicht nur aus Kostengründen geboten: Das Gebäude blieb während der gesamten Dauer der Maßnahme bewohnt.
Für die Mieter bedeutete dies, dass sie sich für die Dauer eines knappen Jahr mit den Nebeneffekten einer Großbaustelle arrangieren mussten. Am Schlimmsten traf es die Bewohner der fünften Etage, die während der Demontage des alten Satteldaches tagsüber ihre Wohnungen verlassen mussten. Als Entschädigung für die Beeinträchtigungen reduzierte die WGJ während der Bauarbeiten jedoch die Mieten.
Brandschutzkonzept
Die Entscheidung für eine Aufstockung um zwei Etagen führte dazu, dass das Objekt nach § 2 SächsBO bauordnungsrechtlich der Gebäudeklasse 5 zuzuordnen ist. Diese Klasse umfasst Gebäude, bei denen die Fußbodenoberkante des höchstgelegenen Geschosses, in dem ein Aufenthalt möglich ist, mehr als 13 Meter über der Geländeoberfläche liegt, sowie unterirdische Gebäude.
In dieser Gebäudeklasse sind ausschließlich Konstruktionen zulässig, bei denen tragende und aussteifende Wände und Stützen entsprechend der DIN 4102-2 bzw. der EN 1363-1 feuerbeständig in F90-AB ausgeführt werden. Dabei muss bei Feuereinwirkung die Tragfähigkeit bzw. der Raumabschluss von Bauteilen mindestens 90 Minuten lang gewährleistet sein. Für feuerbeständige Bauteile gilt, dass sie in den wesentlichen Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen (Baustoffklasse A) bestehen.
Holzkonstruktionen sind damit in dieser Gebäudeklasse praktisch ausgeschlossen. Die Sächsische Bauordnung sieht den mehrgeschossigen Holzbau zwar grundsätzlich vor, jedoch nur bis zur Gebäudeklasse 4. Das heißt, die Fußbodenhöhe des obersten Geschosses mit Aufenthaltsräumen darf maximal 13 m über der Geländeoberfläche liegen. Die tragenden Bauteile müssen in dieser Gebäudeklasse hochfeuerhemmend ausgeführt werden. Die entsprechenden Konstruktionen sind in der Muster-Richtlinie über brandschutz-technische Anforderungen an hochfeuerhemmende Bauteile in Holzbauweise (M-HFHHolzR) im Detail beschrieben.
„Für Gebäude der Gebäudeklasse 5 jedoch,“ betont die RJP GmbH Ingenieurgemeinschaft für Bautechnik aus Dresden, die im vorliegenden Fall das Brandschutzkonzept erstellt hat, „existieren keine derartigen Vorschriften bzw. bauordnungsrechtliche Vorgaben.“ Ein pauschales Erhöhen der brandschutztechnischen Anforderungen an die Bauteile für eine Feuerwiderstandsdauer von 90 Minuten jedoch würde nach Auffassung der Konzeptverfasser zu sehr aufwändigen und damit auch unwirtschaftlichen Konstruktionen führen.
Unterschiedliche Anforderungen
Inhalt des von der RJP GmbH erstellten Konzeptes ist daher die Festlegung der materiellen Anforderungen REI 90/K 45 für die tragenden Holzkonstruktionen im 1. Dachgeschoss und REI 30/K 30 im 2. Dachgeschoss. „Das gewählte Kapselkriterium,“ so die Fachleute, „ist für übliche Brände in Wohnungen und unter Beachtung der Leistungsfähigkeit der Berufsfeuerwehr hinreichend sicher.“
Für zusätzliche Sicherheit sorgt auch die Tatsache, dass die Wohnungen untereinander durch Trennwände brandschutztechnisch unterteilt werden. Damit entstehen relativ kleine Zellen, die im Brandfall gut beherrschbar sind. Sowohl auf den Oberflächen als auch bei den Dämmstoffen in den Ständerwänden werden nichtbrennbare Materialien verarbeitet.
Zur Brandfrüherkennung erhalten alle Wohnungen Rauchwarnmelder nach DIN 14676. Das Risiko einer Brandübertragung über Installationen der Haustechnik wird durch konsequente Vorwandinstallationen ebenso deutlich reduziert. Durch die massive Bauweise des Treppenhauses, das als Fluchtweg fungiert, können außerdem die baurechtlichen Anforderungen an diesen Bereich eingehalten werden.
Die Wandkonstruktionen
Ausgeführt wurde die brandschutztechnisch wirksame Bekleidung der Holzkonstruktion mit Fermacell-Gipsfaserplatten. Die Platten gewährleisten je nach Konstruktion Brandschutz bis zur Feuerschutzklasse F120 und sind gemäß der EN 13501 als nicht brennbarer Baustoff der Baustoffklasse A 2 klassifiziert. Sie wurden sowohl für die Innen- wie auch für die Außenwandkonstruktion eingesetzt. Sämtliche Wände erhielten beidseitig in Abhängigkeit der Brandschutzanforderungen (Feuerwiderstand sowie Kapselkriterium) eine ein- bzw. zweilagige Bekleidung aus Fermacell-Platten. Die Hohlraumdämmung erfolgte mit Steinwolle WLG 035 (A1, Schmelzpunkt > 1000°C, Rohdichte >= 30kg/m³)
Gleichzeitig mit dem geforderten Brandschutz erfüllt das gewählte Material alle Anforderungen zur statischen Aussteifung, die an moderne Wände gestellt werden. Die Platten bieten mit ihrer homogenen Struktur auf Grund ihrer Faserarmierung (recycelte Papierfasern) eine hohe mechanische Beanspruchbarkeit und stellen mit Material- und Verarbeitungseigenschaften, die dem Holz sehr ähnlich sind, eine gute Ergänzung zur Holzunterkonstruktion dar.
Im ersten Dachgeschoss werden die Holztafelwand-Konstruktionen der Außenwände raumseitig mit einer Installationsebene (50 mm, ungedämmt) sowie einer doppelten Lage aus 2 x 12,5 Gipsplatten geschlossen. Die Brandschutzabkapselung der hölzernen Unterkonstruktion erfolgt beidseitig mit jeweils einer doppelten Lage aus 2 x 15 mm Fermacell-Gipsfaserplatten mit 50 mm Steinwolle auf der Raumseite sowie einer Zwischenständerdämmung aus 160 mm Steinwolle. Den Abschluss bildet eine hinterlüftete Konstruktion (32 mm Unterkonstruktion/Luftschicht) aus 8 mm HPL-Platten in vertikaler Verlegung. Damit erfüllen die 385 mm dicken Außenwände die Brandschutzanforderungen REI 90 K245.
Die tragenden Innenwände werden hier mit einer beidseitigen Beplankung aus 2 x 15 mm Gipsfaserplatten und einer Hohlraumdämmung aus 100 mm Steinwolle ausgeführt (REI 90 K245). Die Wohnungstrennwände erhalten eine beidseitig doppelte Lage aus jeweils 2 x 15 mm Gipsfaserplatten mit einer Dämmung aus 100 mm Steinwolle bzw. 30 mm Steinwolle auf Federschiene montiert. Damit wird die Brandschutzanforderung REI 90 K245 erreicht.
Leichte Modifikation für das zweite Geschoss
Das Konzept wird im zweiten Dachgeschoss entsprechend den im Vergleich zum 1. Dachgeschoss niedrigeren Anforderungen leicht modifiziert: Die Holzkonstruktion der Außenwände erhält hier raumseitig eine doppelte Lage aus 2 x 12,5 mm dicken Gipsfaser-Platten sowie auf der Außenseite eine einfache Lage aus 1 x 18 mm Fermacell-Platten, die dicht gestoßen verarbeitet werden. Im Wandhohlraum wird eine Dämmung aus 50 mm Mineralwolle (WLG035, A1, Schmelzpunkt > 1000°C, Rohdichte >=30 kg/m²) auf der Raumseite sowie eine Zwischenständerdämmung aus 160 mm Steinwolle (WLG035, A1, Schmelzpunkt > 1000°C, Rohdichte >=30 kg/m²) installiert.
Den Abschluss bildet auf der Raumseite eine doppelte Lage aus 2 x 12,5 mm Gipsplatten (Installationsebene mit Metallständer-Unterkonstruktion, ungedämmt, 50 mm) sowie auf der Fassadenseite eine hinterlüftete Konstruktion (44 mm Unterkonstruktion/Luftschicht) aus 8 mm HPL-Platten in vertikaler Verlegung. Die Konstruktion erfüllt damit die festgelegten Anforderungen REI 30 K230.
Die Brandschutzabkapselung der Innenwände erfolgt im zweiten Dachgeschoss beidseitig mit 2 x 12,5 mm Gipsfaser-Platten bei einer Hohlraumdämmung aus 100 mm Steinwolle (REI 30 K230). Die Wohnungstrennwände bestehen hier aus 2 x 12,5 mm Gipsfaser-Platten mit einer Zwischenständerdämmung aus 100 mm Steinwolle sowie 30 mm Steinwolle und Federschiene im Wandhohlraum.
Bodenkonstruktionen
Neben Fermacell-Gipsfaserplatten für die Wandkonstruktionen wurden bei der Aufstockung der Häuser in der Dresdner Johannstadt auch die Estrich-Elemente 2 E 32 und 2 E 35, ebenfalls von Fermacell, verarbeitet. Sie bestehen aus zwei werkseitig verklebten 10 mm bzw. 12,5 mm dicken Platten im Format 150 x 50 cm mit einer rückseitigen Kaschierung aus 10 bzw. 20 mm (2 E 35) hochverdichteter Mineralwolle. Ein umlaufender 5 cm breiter Stufenfalz gewährleistet in Kombination mit dem handlichen Format und geringem Gewicht eine schnelle und einfache Verarbeitung. Nachfolgende Gewerke können unmittelbar nach der Verlegung ohne Zeitverzug weiterarbeiten.
Über dem 4. Obergeschoss wird mit dem Rückbau des Satteldachs eine massive 200 mm dicke Porenbeton Decke installiert, die oberseitig eine 72 mm bzw. in den Feuchtbereichen eine 65 mm hohe Installationsebene mit gebundener Schüttung erhält. Die gebundene Schüttung von Fermacell besteht aus recyceltem Polystyrol in einer Korngröße von 2 bis 8 mm und einem zementären Bindemittel.
Dabei sorgt der Schaumkunststoff neben guter Wärmedämmung für ein geringes Gewicht. Der Schnellzement bewirkt die große Stabilität des Materials und eine schnelle Aushärtung. Im Rahmen des Abbindeprozesses entsteht eine hoch belastbare Fläche, die nach nur 6 Stunden begehbar ist und bereits nach 24 Stunden mit Oberbelägen aller Art belegt werden kann. Die Verarbeiter haben hier das Trockenestrich-Element 2 E 35 auf der gebundenen Schüttung verlegt. Die Konstruktion erreicht die Brandschutzanforderung F 90-AB.
Die Decke zum 2. Dachgeschoss wird komplett in Holzbauweise ausgeführt. Der Aufbau wird modifiziert, um die Brandschutzanforderung REI 90 K245 zu erreichen. Dabei kommt auf einer 220 mm hohen hölzernen Tragkonstruktion mit einer Dämmung aus 220 mm Steinwolle WLG040 (A1, Schmelzpunkt > 1000°C, Rohdichte >= 30kg/m³) zunächst eine 20 mm dicke lastverteilende Holzwerkstoffplatte mit dem Fermacell-Wabendammsystem in Standardhöhe von 30 mm zur Ausführung. Dieses wurde speziell für die Modernisierung und für den Neubau von Holzbalkendecken entwickelt und verbessert durch ein höheres Flächengewicht den Trittschallschutz von Holzbalkendecken auf bis zu Ln,w,R 43 dB.
Der Bodenaufbau wird nach oben abgeschlossen mit dem Fermacell-Estrichelement 2 E 35, 77 mm gebundener Schüttung in der Installationsebene (in den Feuchträumen 70 mm) sowie dem Estrichelement 2 E 32. Zum darunterliegenden Wohnraum wird die Brandschutzkapselung mit einer doppelten Lage aus 2 x 15 mm Gipsfaserplatten ausgeführt. Die Konstruktion wird unterseitig mit einer einfachen Lage aus 12,5 mm Gipsplatten, die auf Direkt-Schwingabhängern montiert wurden, sowie einer Dämmung aus Steinwolle geschlossen. Der gesamte Aufbau entspricht der Brandschutzanforderung REI 90 K245.
Bereits einen Tag nach der Verlegung der Estrichelemente war es möglich, die endgültigen Fußbodenbeläge aufzubringen. In den Wohnbereichen entschieden sich die Planer für einen 3 mm dicken PVC-Bodenbelag, die Feuchträume wurden mit Fliesen ausgestattet.