Zwischen Tradition und Vision
Das Jahrhundertprojekt Energiewende schreitet stetig voran und zwingt die
Unternehmen im Leitungsbau neue Wege zu gehen: Mit dieser thematischen
Steilvorlage eröffnete Verbandspräsidentin Dipl.-Volksw. Gudrun Lohr-Kapfer die
Mitgliederversammlung des rbv, die am 24. April im Rahmen der gemeinsamen Jahrestagung von Rohrleitungsbauverband e. V. (rbv) und der Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach e. V. (figawa) in Stuttgart stattfand.
„Stadtwerke – Partner des Leitungsbaus im Umbruch“ lautet das diesjährige Motto der breitgefächerten rbv-Aktivitäten: Es macht deutlich, welche Bedeutung der Verband gerade der Rolle der regionalen Energieversorgungsunternehmen beimisst. Die Energiewende zeigt Wirkung – nicht nur mit Blick auf den zunehmenden Anteil an umweltfreundlichem Strom am deutschen Energie-Mix, sondern auch auf die Kunden der Leitungsbaubranche hat die im Wandel befindliche deutsche Energieinfrastruktur deutliche Auswirkungen. Wie der rbv auf diese Entwicklungen reagiert, wurde im Bericht der Geschäftsführung ebenso deutlich wie in den Berichten über die Arbeit des Lenkungskreises sowie die Arbeit des Ausschusses für Personalentwicklung. Die Ehrung langjähriger Verbandsmitglieder sowie die Entlastung des Vorstandes und der Geschäftsführung bildeten weitere Schwerpunkte auf der Tagesordnung der Mitgliederversammlung in der ehemaligen Stuttgarter Reithalle im Maritim-Hotel.
Gravierende Veränderungen
„Versorgungsunternehmen und Stadtwerke haben sich gravierend verändert“, so Dipl.-Volksw. Gudrun Lohr-Kapfer in ihrem Eröffnungsstatement zur Mitgliederversammlung des rbv. Um die Energiewende erfolgreich zum Ziel zu führen, richteten Unternehmen sich grundlegend neu aus – ein Paradigmenwechsel, der sich im Spannungsfeld zwischen Tradition und Vision, zwischen alter und neuer Energiewelt vollziehe. Die Herausforderungen, die mit der Energiewende und der zunehmenden Internationalisierung von Umfeld und Kunden einhergingen, würden den Unternehmen der Leitungsbaubranche „im Alltag immer deutlicher vor Augen geführt“, so die rbv-Präsidentin. „Wir wollen uns als Verband so aufstellen, dass wir im Zeitalter der Energiewende bis 2050 unsere Beziehungen zu den wichtigsten Verbänden so ausbauen, dass wir unsere nationalen Standards zu internationalen vernetzen können“. Ziel sei es, einerseits die Verbandsmitglieder in technisch-wissenschaftlicher Hinsicht zu unterstützen und andererseits sicherzustellen, „dass wir als Bürger über das Leitungs- und Energienetz gut verbunden, vernetzt und versorgt sind“.
Netzwerk aufbauen und ausbauen
Im Anschluss an die Begrüßung der Mitglieder legte rbv-Geschäftsführer Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dieter Hesselmann den Bericht der Geschäftsführung vor. „Wer die Zukunft gestalten will, darf seine Wurzeln nicht vergessen“, ist Hesselmann überzeugt. „Wir als Verband haben deshalb das Wohlergehen der Mitglieder im Blick, wobei es die Waage zwischen Tradition und Vision zu halten gilt.“ Die Basis für eine erfolgreiche Verbandsarbeit seien der Verbund aus rund 500 in zehn Landesgruppen organisierten Mitgliedsunternehmen und deren Niederlassungen, deren hohes Qualitätsbewusstsein in einer Vielzahl von Zertifizierungen und 214 erfolgreichen GW 301-Überprüfungen im Jahr 2014 zum Ausdruck komme. Eine wichtige Säule der Arbeit des rbv, deren Bedeutung in Zukunft eher noch zunehmen werde, sei das vom Verband aufgebaute und kontinuierlich ausgebaute Netzwerk. „Wir brauchen Partner, mit denen wir unsere Ziele erreichen können – der Teamgedanke erlangt für uns deshalb immer mehr Bedeutung“, so Hesselmann. Der rbv will als Stimme des Leitungsbaus den Mitgliedsunternehmen eine Heimat bieten, Schutz- und Sicherheitsziele wahren und hohe Qualitätsstandards erhalten. Allerdings nehmen das vielzitierte Fra.bo-Urteil gegen DVGW e.V. und DVGW Cert GmbH zur Warenverkehrsfreiheit sowie das Urteil des EuGH aus dem Oktober 2014 – es lässt keine zusätzlichen nationalen Anforderungen zu, wenn harmonisierte CE-Kennzeichen vorliegen – zunehmend Einfluss auf zukünftige Regelsetzungs- und Normungsaufgaben und damit auch auf die Arbeit des Rohrleitungsbauverbandes als technisch-wissenschaftlicher Verband.
Bekanntheitsgrad steigern
Und wie sehen die Pläne des rbv für das kommende Jahr aus? Die Zukunft wird geprägt sein von der engen Zusammenarbeit des rbv mit anderen Institutionen. Ein Ziel der gemeinsamen Aktivitäten sollte sein, deutsche Qualitätsstandards durch die Mitarbeit in den europäischen Normungsgremien in Europa dauerhaft zu verankern. Darüber hinaus gehört es zu den vordringlichsten Aufgaben, die ehrenamtliche Arbeit, die durch die Mitglieder des rbv in den vergangenen Jahren erbracht wurde, auch für die Zukunft zu sichern. Demzufolge gilt es, junge Führungskräfte anzusprechen und für ein entsprechendes Engagement zu gewinnen. Eng damit verknüpft ist die Steigerung des Bekanntheitsgrades des rbv sowie seiner Mitgliedsunternehmen bei Auftraggebern und in der Versorgungswirtschaft, die sich der Verband auf die Fahnen geschrieben hat – auch das machte Hesselmann deutlich. Wichtiger Baustein dieser Strategie ist die im Berichtsjahr abgeschlossene Überarbeitung des Corporate Design sowie der Umstellung sämtlicher Online- und Offline-Kommunikationsmaßnahmen auf das neue Erscheinungsbild zur Stärkung der Marke rbv. „Eine kontinuierliche Pressearbeit sowie die Organisation von bzw. die Teilnahme an für die Branche relevanten Veranstaltungen tragen ebenfalls maßgeblich dazu bei, die Botschaften des Leitungsbaus in die Öffentlichkeit zu tragen und die Sichtbarkeit des Verbandes sowie seiner Mitglieder zu erhöhen“, so der rbv-Geschäftsführer weiter. Schließlich habe man mit der grundlegenden Sanierung des Verbandsgebäudes in der Kölner Marienburger Straße die Infrastruktur auf den neuesten Stand der Technik gebracht und so auch die technische Grundlage für die Fortsetzung der erfolgreichen Verbandsarbeit und die Gestaltung der gemeinsamen Zukunft geschaffen.
Blick nach vorn
Nach Berichten über die Arbeit des Technischen Lenkungskreises und des Ausschusses für Personalentwicklung, der Entlastung von Vorstand und Geschäftsführung sowie der Ehrung langjähriger Mitglieder schloss die Mitgliederversammlung des Rohrleitungsbauverbandes mit einem Resümee, in dem Gudrun Lohr-Kapfer noch einmal auf die Bedeutung des Generationenprojektes Energiewende hinwies und einen Ausblick wagte. „Die Puzzleteile ‚Europa’ und ‚Energiewende’ zu einem großen Bild zusammenzufügen kann nur dann erfolgreich gelingen, wenn das Netzwerk der für die Branche bedeutsamen Interessensverbände noch dichter als bisher zusammenrückt und den Dialog mit den relevanten Gremien weiter ausbaut“, so die Überzeugung der rbv-Präsidentin. Die alte, kapazitätsorientierte Energiewelt verwandle sich in eine neue, netzwerkorientierte Utility-Welt, in der Versorger zukünftig keine reinen Warenlieferanten seien, sondern Energiedienstleister und Energiemanager. „Die Beteiligung kommunaler Stadtwerke an Großkonzernen, der Zusammenschluss im Querverbund, der Zusammenschluss von Kommunen zur Gründung eigener Stadtwerke – das alles ist in der heutigen Versorgungslandschaft Alltag“, erklärte Lohr-Kapfer. Gleichzeitig wandeln sich die Zuständigkeiten der Netzbetriebe und technischen Abteilungen „etwa in der Planung der Ausführung von Versorgungsleitungen, die neu geordnet, personell verändert und mit genauen Budgets versehen werden“.
Dass die Entwicklung der europäischen Normenarbeit gerade für die exportorientierte deutsche Wirtschaft ein wichtiges Thema bei der Erschließung ausländischer Märkte ist, unterstrich DVGW-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. rer. nat. Gerald Linke in seinem Festvortrag über „Die Rolle der technischen Selbstverwaltung im gemeinsamen Binnenmarkt“, der zur anschließenden figawa-Mitgliederversammlung überleitete. Normen und Regelwerke stellen für Linke ein wichtiges, länderübergreifendes Bindeglied, gleichzeitig den Motor für technische Weiterentwicklung und einen Steuermechanismus für Wissenstransfer dar. „Ziel aller an der Regelsetzung Beteiligten muss es sein, das bewährte technische Niveau zu halten, weiterzuentwickeln und deutsche Standards auf europäischer Ebene zu manifestieren“ – mit dieser Aussage befand sich der Redner mit rbv-Präsidentin Lohr-Kapfer im Schulterschluss.⇥■
rbv
Rohrleitungsbauverband e.V.