Energieeffizienz – Ungenutzte Potenziale auf Baustellen
Ein aktuelles Forschungsprojekt
Gefördert mit Mitteln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) werden am Interdisziplinären Zentrum III der Bergischen Universität Wuppertal Konzepte zur Steigerung der Energieeffizienz und Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf Baustellen entwickelt. Zu den wesentlichen Herausforderungen der Gegenwart gehören die Reduzierung von Treibhausgasemissionen und gleichzeitig die effiziente und sparsame Verwendung von Ressourcen. Während den Potenzialen zur Steigerung der Energieeffizienz von Gebäuden in der Nutzungsphase bereits die notwendige Beachtung geschenkt wird, bleibt der Prozess der Bauwerkserstellung bislang unberücksichtigt. Erstmals werden baubranchenspezifische Strategien und Maßnahmen im Rahmen eines „Eco Construction Site Managements“ für die Nutzung vorhandener Potenziale entwickelt und so die Lücke in der energetischen Lebenszyklusbetrachtung von Immobilien geschlossen.
Hintergrund
Sowohl Aspekte der Energie- als auch der Ressourcennutzung sind im Bausektor momentan durch eine untergeordnete Relevanz gekennzeichnet. Unzureichende Rahmenbedingungen und eine zu geringe Nachfrage des Marktes, aber auch das mangelnde Bewusstsein verhinderten bislang eine Fokussierung von Nachhaltigkeitsaspekten im Baubetrieb. Für den Baustellenbetrieb gilt es als weitgehend unmöglich, den Energiebedarf über die Bauphasen zu planen. Als Begründung hierfür wird oft der nicht exakt steuerbare Einsatz von Baumaschinen genannt. Aber auch die im Verhältnis zu den Baukosten häufig als zu gering eingeschätzten Kosten für Energie suggerieren, dass eine Untersuchung von Einsparmöglichkeiten nicht lohnenswert ist. Die Besonderheiten des Bauens, Prototypen an wechselnden Standorten mit wechselnder Belegschaft zu produzieren, erschweren die Umsetzung eines Energiemanagementsystems.
Allerdings müssen vor dem Hintergrund weltweit kontinuierlich steigender Energiepreise sowie der Forderung, zeitnah den klimaschädlichen CO2-Ausstoß zu minimieren, Strategien und Maßnahmen entwickelt werden, die gleichzeitig ökonomische, ökologische und soziale Aspekte berücksichtigen. Die Bauwirtschaft, als eine der Schlüsselindustrien für die Binnenwirtschaft und zugleich einer der größten Wirtschaftszweige in Europa, spielt hierbei eine bisher völlig vernachlässigte Rolle: Für den Baustellenbetrieb existieren keine ganzheitlichen Untersuchungen zu energiesparenden Bauabläufen und Techniken. Besonders deutlich wird dieses Defizit bei Betrachtung der Entwicklung der Energieproduktivität im Baugewerbe [1]. Die wirtschaftliche Entwicklung im Baugewerbe ist bis zum Jahr 2005 weitgehend rückläufig. Trotz leicht steigender Energieproduktivität seit 2004 ist eine faktische Entkopplung des Bruttoproduktionswerts vom Energieverbrauch im Bausektor nicht festzustellen (vgl. Abb. 1). Es fehlt der Bauindustrie bislang am Bewusstsein, dass sich der durch die sinkende Nachfrage entstandene Kostendruck mit einer steigenden Material- oder Energieproduktivität dämpfen ließe. Nach wie vor steht fatalerweise die Senkung der Personalkosten mit den bekannten Konsequenzen im Vordergrund.
In der Praxis ist oft ein zu nachlässiger Umgang mit Energieressourcen zu beobachten. Dabei geht es nicht nur um das Abschalten der Baustellenbeleuchtung nach Feierabend. Untersuchungen zeigen, dass beispielsweise Leckagen an Druckluftleitungen nicht oder zu spät behoben werden, zu viele Fahrten aufgrund fehlerhafter Logistik gemacht oder veraltete und überdimensionierte Maschinen verwendet werden.
Eine Untersuchung der kfw-Bankengruppe zu den Hemmnissen und Erfolgsfaktoren von Energieeffizienzmaßnahmen in Unternehmen aus dem Jahr 2005 zeigt, dass Potenziale von der Bauwirtschaft kaum wahrgenommen, bzw. als zu geringfügig eingeschätzt werden. Mehr als die Hälfte der befragten Bauunternehmen sehen keine Energieeinsparmöglichkeiten, ein Drittel schätzt das Einsparpotenzial auf unter 10 % ein. Diese Einordnung beruht hauptsächlich auf der Tatsache, dass in der Bauwirtschaft die Energieeinsparpotenziale der Bauwerkserstellung unbekannt sind [3]. In einigen großen Bauunternehmen wird die Thematik in Nachhaltigkeits- und Umweltberichten aufgegriffen. Allerdings gelingt es bislang nicht, konkrete Daten zum Energieverbrauch und CO2-Ausstoß im Baubetrieb darzulegen. Vielmehr bleibt der Klimaschutz auf das Bauen und Betreiben von nachhaltigen Gebäuden, die energetische Gebäudesanierung und die Reduzierung der CO2-Emissionen der unternehmensinternen Fahrzeugflotte beschränkt [4]. So ist es inkonsequent, energieeffiziente Gebäude zu planen, zu bauen und zu betreiben und dabei die Einsparpotenziale der Bauausführungsphase auszublenden.
Erschwert werden diese Bemühungen auch durch fehlende Herstellerangaben zum Kraftstoffverbrauch der Baumaschinen: Der Kraftstoffverbrauch gleichartiger Baumaschinen unterschiedlicher Hersteller kann unter Effizienzaspekten nicht verglichen werden. Ein anerkanntes und standardisiertes Verfahren zur Ermittlung von Baumaschinenverbräuchen könnte für die notwendige Transparenz im Baumaschinensektor sorgen. Vor allem in der Investitionsrechnung bleibt aufgrund dieses Defizites ein wichtiger wirtschaftlicher Aspekt unberücksichtigt. Wie gravierend jedoch die Kraftstoffverbräuche abweichen können, verdeutlicht ein Sachverständigen-Gutachte [5] zweier Autobetonpumpen. Bei identischen Randbedingungen konnte eine Abweichung des Dieselverbrauchs von 64 % festgestellt werden. Solch schwerwiegende Unterschiede können den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens beeinflussen. Obwohl Baumaschinenhersteller gegenwärtig vermehrt auf neue Technologien setzen, um die Leistung ihrer Baumaschinen zu optimieren und zeitgleich den Kraftstoffverbrauch zu reduzieren, fehlen transparente Angaben zum Kraftstoffverbrauch; ein energetischer Vergleich der Baumaschinen bleibt somit unmöglich.
Das Forschungsprojekt
Gefördert mit Mitteln der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) werden in einem sechsstufigen Programm Strategien zur Steigerung der Energieeffizienz und Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf Baustellen entwickelt. Ziel ist es, Bauproduktionsmittel und Bauprozesse im Hinblick auf den Energieverbrauch zu überprüfen und entsprechende technische, organisatorische und das Personal betreffende Optimierungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Zunächst werden Baustellentypen (Hochbaustellen, Straßenbaustellen, Gebäudesanierungen) zu Clustern zusammengefasst, da es für die jeweiligen Baustellenarten zu differenzierende Energieverbräuche gibt. In einem zweiten Schritt erfolgen eine energetische Bestandsaufnahme verschiedener Baustellen des jeweiligen Baustellenclusters und die Analyse der Schwachpunkte. Anschließend werden Maßnahmen zur Behebung der Schwachstellen entwickelt und im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsanalyse überprüft. Die Ergebnisse der bis dahin durchgeführten Untersuchungen fließen abschließend in praktische Handlungsanleitungen für den Baubetrieb ein. Bisher ungenutzte Energieeinsparpotenziale auf Baustellen sollen so aufgedeckt und ausgeschöpft werden.
Energiemanagement
Das betriebliche Energiemanagement umfasst eine große Bandbreite von Themen: Vom Einsatz effizienter Technologien über die Prozessoptimierung bis hin zur Planung und Steuerung des Einkaufs werden Maßnahmen entwickelt, umgesetzt und optimiert, die organisatorische, technische Abläufe und Verhaltensweisen beeinflussen. Maßnahmen also mit strategischen und wettbewerblichen Auswirkungen. Generell dient ein Energiemanagementsystem dazu, die vorhandenen Potenziale zur Verbesserung der Energieeffizienz und zur Senkung der Kosten zu ermitteln und zu dokumentieren. Ein systematisches Energiemanagement sollte zu Reduzierungen sowohl der Produktionskosten als auch der Treibhausgasemissionen führen [6]. Ein Energiemanagement, analog zur stationären Industrie, existiert im Baubetrieb momentan nicht, obwohl eine Übertragung nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll wäre.
Die Deutsche Bundesregierung sieht in ihrem integrierten Energie- und Klimaprogramm vom 23. August 2007 vor, das bis spätestens 2013 eine Vereinbarung über die Kopplung von Steuerermäßigungen bei der Energie- und Stromsteuer an die Einführung eines Energiemanagementsystems getroffen werden soll. Ab 2011 würde demnach die Erstellung eines standardisierten Energieberichts und anschließende Prüfung durch externe Gutachter sowie die Benennung von Energiebeauftragten zur Pflicht werden. Für das darauffolgende Jahr ist die Einführung von Managementprozessen zur kontinuierlichen Verbesserung angedacht. Ab 2013 soll dann eine jährliche Prüfung und Zertifizierung des Energiemanagementsystems folgen. Bereits ab 2011 wird die Einführung eines Energiemanagementsystems zur Voraussetzung für Energiesteuerermäßigungen. Ab 2013 ist dann die Durchführung eines voll funktionsfähigen Energiemanagementsystems Bedingung für Ermäßigungen bei Energie- und Stromsteuer [7]. Die Pläne der Bundesregierung verdeutlichen die Aktualität des Themas. Die Bauwirtschaft muss also handeln, um in Zukunft auch von Energiesteuerermäßigungen profitieren zu können.
Optimierungsansätze
Prinzipiell existieren Optimierungspotenziale in den Bereichen Technik, Organisation und Personal. Die im Bereich der Technik liegenden Potenziale beziehen sich in erster Linie auf die richtige Auswahl und Dimensionierung der eingesetzten Baumaschinen. Im Fokus heutiger Entwicklungen stehen insbesondere hohe Wirkungsgrade und die Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs. Einsparpotenziale von bis zu 25 % sind mit heutiger Technik durchaus realisierbar. Die Baumaschinenindustrie hält Kraftstoffeinsparungen von bis zu 50 % sowie eine Verringerung der CO2-Emissionen um mehrere Millionen Tonnen pro Jahr für durchaus realistisch, wenn die Technologie vom Markt angenommen wird [9]. Die (richtige) Organisation bildet sowohl in der Arbeitsvorbereitung, als auch in der Ausführungsphase die Basis für eine effiziente Baustellenabwicklung. Baustelleneinrichtung und Bauablaufplanung nehmen Einfluss auf die Arbeitsabläufe und sind damit maßgeblich am Erfolg des Bauvorhabens beteiligt. Nicht zu vernachlässigen ist die Relevanz des Personals auf der Baustelle. Sensibilisierung, Qualifizierung und Motivation der Mitarbeiter sind wichtige Faktoren, nicht nur, wenn es um den reibungslosen Ablauf eines Bauvorhabens geht. Wie effizient eine Baumaschine auch sein mag, der Einfluss des Maschinenbedieners wird bei modernen Baumaschinen in puncto Kraftstoffverbrauch und Produktivität immer größer. Um diese Potenziale allerdings auszuschöpfen, ist es unabdingbar, dem Personal die praktischen und theoretischen Kenntnisse, die für eine sicherere, effizientere Bedienung von Maschinen benötigt wird, zu vermitteln. Auch wenn der Energiekostenanteil im Bauhauptgewerbe derzeit (nur) 2,4 % beträgt, können die Auswirkungen auf den Unternehmensgewinn beachtlich sei [10]. Bei stetig wachsendem Wettbewerbsdruck kann eine Energieeffizienzsteigerung von 10 % den Unternehmensgewinn um 16 % erhöhen. Vor dem Hintergrund eines progressiven Szenarios mit durchaus realistischen 30 % an Einsparungen könnte der Gewinn, der im Mittel bei 1,5 % liegt, sogar um 48 % gesteigert werden.
Ausblick
Aufgrund der zunehmenden Verknappung und der Endlichkeit fossiler Brennstoffe sind weltweit starke Energiepreissteigerungen zu beobachten, die durch die Liberalisierung der Energiebinnenmärkte bestenfalls abgemildert wurden. Um in Zukunft gleichzeitig kostengünstig und umweltschonend bauen zu können, müssen zum einen die Bauabläufe und zum anderen die eingesetzten Baumaschinen im Hinblick auf Einsparpotenziale und energieverbrauchende Prozesse beleuchtet werden. Die so gewonnen Erkenntnisse können in ein „Eco Construction Site Management“ einfließen, das ein Energie- und Umweltmanagement in den Baubetrieb integriert und so den Gedanken des nachhaltigen und umweltschonenden Wirtschaftens mit betriebswirtschaftlich sinnvollem Handeln verknüpft. Neben Marketing- und Imagevorteilen, die ein „Eco Construction Site Management“ mit sich bringt, wird durch direkte, erhebliche Kosteneinsparungen die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen gestärkt. Somit wird umweltgerechtes Handeln zum Wirtschaftsfaktor und Wettbewerbsvorteil für Unternehmen.
Autoren:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Manfred Helmus, Dipl.-Ing. Selcuk Nisancioglu,
Dipl.-Ing. (FH) Anne Randel,
Bergische Universität Wuppertal,
E-Mail: helmus@baubetrieb.de