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BayWa testet Nachwuchs online – jetzt auch von zu Hause

Als europäischer Handels- und Dienstleistungskonzern mit den Kernsegmenten Agrar, Bau und Energie verfügt die BayWa über ein engmaschiges Netz an Vertriebsstandorten vor allem in Deutschland und Österreich. Ausbildung wird großgeschrieben. Seit 2005 im Unternehmen tätig, leitet Jürgen Modi das Competence Center Personalentwicklung und Ausbildung. Redakteur Oliver Slota sprach mit dem 42-Jährigen über den BayWa-Nachwuchs und die Auswahl desselben.

Herr Modi, die BayWa beschäftigt derzeit 1100 Auszubildende an 550 Standorten in Deutschland. Wie organisiert man das?

Bei uns gilt der Grundsatz: In der Region rekrutieren – in der Region ausbilden. Als bundesweit tätiges Unternehmen sehen wir uns da in der Verantwortung. Um die strategische Ausrichtung der Ausbildung kümmert sich das Personal Competence Center an unserem Stammsitz in München. Operativ werden die Auszubildenden durch unser Personal Dienstleistungscenter betreut, das auch die Neueinstellungen durchführt. Und die insgesamt 50 Ausbildungsverantwortlichen – einer je Sparte und Spartenregion – betreuen die Ausbildenden Fachkräfte vor Ort. Die wiederum sind die direkten Ansprechpartner der Azubis im Betrieb und achten darauf, dass die Ausbildungsstandards eingehalten werden.

In einer großen deutschen Boulevardzeitung war Anfang März – wie immer ziemlich reißerisch – zu lesen: „Hälfte aller Lehrlinge zu doof“. Die Zahlen im Berufsförderungsbericht 2010 hätten sich zwar leicht gebessert, seien dennoch erschreckend. Zunehmend klagten Unternehmen über Schwierigkeiten, für ihre angebotenen Ausbildungsplätze geeignete Bewerber zu finden. Mal abgesehen von der zweifelhaften Wortwahl: Ist das auch Ihr Eindruck?

Wie groß da möglicherweise Defizite sind, lässt sich pauschal nicht beantworten. Das hängt auch stark von der Region ab. Abgesehen davon halte ich die Diskussion angesichts der demografischen Entwicklung für sekundär. Ich glaube nämlich, dass wir irgendwann an einen Punkt kommen werden, an dem die Frage nach der Ausbildungsreife jedes einzelnen Lehrlings obsolet wird. Wir werden einfach nur noch sehr beschränkt die Wahl haben. Staat und Wirtschaft sind in der Zukunft verstärkt in der Verpflichtung, jungen Menschen den Einstieg in die Berufswelt zu ermöglichen, zum Beispiel durch Modularisierung der Ausbildung, Stufenausbildung oder ausbildungsvorbereitende Maßnahmen.

Was unternimmt die BayWa, um sich als attraktives Ausbildungsunternehmen zu präsentieren?

Die Schulen sind für uns ein ganz wichtige Partner vor Ort. Wir kooperieren daher mit den Bildungseinrichtungen. Unsere Ausbildungsverantwortlichen gehen in die Schulen und stellen im Unterricht Ausbildungswege und –berufe vor. Damit möchten wir einen aktiven Beitrag zur Berufsförderung und -vorbereitung leisten. Von vielen Tätigkeiten hat der Nachwuchs ja ein etwas verzerrtes Bild. Beispiel Kaufmann im Groß- und Außenhandel: Der wird sehr oft mit dem Einzelhandel in einen Topf geworfen. Da müssen wir aufklären. Oder der Mechaniker für Land- und Baumaschinentechnik, den wir ebenfalls anbieten; das ist etwas völlig anderes als der KFZ-Mechatroniker. Andererseits tun wir auch eine Menge in unseren Betrieben vor Ort. Wir veranstalten Betriebsbesichtigungen oder Tage der offenen Tür und bieten Praktika an. Außerdem sind wir sowohl auf Publikums- als auch Azubimessen vertreten und kommunizieren über das Internet.

Wer sich bei Ihnen für einen Ausbildungsplatz interessiert, muss einen Eignungstest absolvieren …

Richtig. Anfangs haben wir das mit eigenen Papiertests gemacht, wollten dann aber die Möglichkeiten des Online-Testens nutzen. Wir suchten einen Anbieter, der neben der fachlichen auch über die nötige EDV-Kompetenz verfügt. So sind wir im Zuge einer Internetrecherche im Jahr 2007 auf U-Form gestoßen.

Wo liegt für Sie der größte Vorteil des Online-Tests?

Bei rund 15000 Bewerbern für etwa 350 Ausbildungsplätze pro Jahr spielt die zeitliche Komponente natürlich eine gewisse Rolle. Der größte Vorteil ist deshalb ganz klar die automatische, zeitnahe Auswertung. Mittlerweile müssen die Probanden auch nicht mehr ins Unternehmen kommen, um den Test zu absolvieren, sondern können ihn bequem von zu Hause aus machen.

Was hat Sie zu dieser Umstellung bewogen?

Es gab BayWa-interne Strukturveränderungen. Bislang hatten wir in den regionalen Verwaltungszentren eine Personalkompetenz, die sich um Organisation und Durchführung der Rekrutierung sowie um die Bewerbungen und Tests gekümmert hat. In diesen Verwaltungszentren wurden auch größtenteils zentral die Eignungstests durchgeführt. Nachdem die Personalkompetenzen im Unternehmen an zwei Standorten gebündelt wurden, nämlich in München und Fürth, wäre es sehr unpraktikabel gewesen, weiterhin an diesem Modell festzuhalten – sowohl für die Bewerber als auch für uns. Man kann schließlich einem Kandidaten kaum zumuten, aus Rostock nach München anzureisen, nur um einen Test zu machen. Genauso umständlich wäre es für unsere Mitarbeiter, müssten die sich ihrerseits auf den Weg machen. Daher ist der „Test von zu Hause“ für uns praktisch unumgänglich geworden. Der Vorteil für uns: Einzelne Prozessschritte fallen weg, was gleichzeitig zur Erhöhung der Prozessgeschwindigkeit führt.

Und die Nachteile?

Der einzige mir bekannte Nachteil ist wohl eher auf der menschlichen Seite angesiedelt und hat nichts mit dem Testsystem zu tun: Zahlreiche Bewerber lesen leider nur unregelmäßig ihre E-Mails, auch dann, wenn sie sich online beworben haben. Da läuft die Frist für die Testdurchführung schon mal unbemerkt ab und die TAN verfällt. Wenn wir also wirklich sichergehen wollten, dass die Probanden den Test auch machen, müssten wir ihnen hinterher telefonieren. Gleichzeitig verpassen sie auch die Einladung zu einer Gruppenübung, an der alle Testabsolventen teilnehmen. Der Test an sich ist kein K.o.-Kriterium.

Gibt es Reaktionen der Testpersonen auf die Möglichkeit online zu testen, oder gilt das bei den Azubi-Anwärtern mittlerweile als Standard?

Das gilt heute ganz klar als Standard. „Jubelschreie“ wegen der Online-Option sind mir persönlich nicht bekannt (lacht). Ich gehe davon aus, dass sogar erwartet wird, diese Möglichkeit nutzen zu können. Letztendlich geht es bei einem Test ja darum, eine verlässliche Aussage über die Eignung eines Kandidaten bezüglich der Anforderungen des Berufsbildes zu erhalten. Kann er oder sie diesen von uns gestellten Anforderungen gerecht werden? Das ist die Frage, die wir uns stellen müssen. Die Antwort darauf liefern die Tests, ob online oder Papier. Und da geht es erst einmal gar nicht darum, ob mir der oder die Auszubildende besonders sympathisch ist. Der Azubi muss schließlich am Ende seiner Ausbildung eine Prüfung ablegen und diese bestehen, sonst können wir ihn im Zweifelsfall ja nicht einstellen. Insofern ist es sehr wichtig, zunächst einen Blick auf die kognitiven Fähigkeiten der Probanden zu werfen.

Wie läuft das Auswahlverfahren nach zufriedenstellend bestandenem Test weiter ab?

Wie schon erwähnt: Der Test ist bei uns kein K.o.-Kriterium. Mit Erhalt der Test-TAN werden die Bewerber automatisch zu Gruppenübungen oder einem Kurzpraktikum von ein bis zwei Tagen Dauer eingeladen, liefern also eine Art Arbeitsprobe ab. Das heißt, wir verschaffen uns auch einen Eindruck von den persönlichen und sozialen Kompetenzen der Kandidaten, der dann in die Gesamtbeurteilung einfließt.

Die BayWa führt 17 Berufe in ihrem Ausbildungsprogramm auf, vom Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik über die Fachkraft Agrartechnik bis zum Personaldienstleistungskaufmann. Was sind die beliebtesten Berufe?

Die Renner sind eindeutig der Kaufmann im Groß- und Außenhandel sowie der Mechaniker für Land- und Baumaschinentechnik. Die machen rund zwei Drittel der Azubis in ihrer jeweiligen Sparte aus.

Neben den klassischen Ausbildungsberufen bieten Sie ein BWL-Studium an der Dualen Hochschule an. Wie wird diese Möglichkeit angenommen und wie viele Studenten gibt es derzeit?

Die Nachfrage ist sehr groß in diesem Bereich. Wir bieten das BWL-Studium zum einen im Bereich Handel in Zusammenarbeit mit der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg und Mosbach an. Bei dem anderen Studiengang – Agrarmanagement – kooperieren wir mit der Berufsakademie in Dresden. Aktuell sind etwa 30 Studenten im Unternehmen beschäftigt. Pro Jahr können wir etwa zehn Einstellungen vornehmen.

Apropos Einstellungen: Wie viele Ihrer Auszubildenden in den kaufmännischen und technischen Berufen können Sie übernehmen?

Die Übernahmequote liegt je nach Ausbildungsberuf und Sparte zwischen 60 und 80 Prozent. Es ist natürlich so, dass wir über Bedarf ausbilden, aber wir sehen die Ausbildung als wichtige Säule bei der Nachwuchsförderung und stehen da – wie erwähnt – als großes Unternehmen in der Verantwortung.

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