Hochschultag 2011

Risiken minimieren durch intelligente Prozesse und kompetente Mitarbeiter

Unter obigem Motto fand im September 2011 der Hochschultag 2011 der nordrhein-westfälischen Bauindustrie in Verbindung mit dem Münsteraner Baubetriebsforum an der Fachhochschule Münster statt. Bei der überaus erfolgreichen Veranstaltung mit über 120 Teilnehmern aus Unternehmen, Hochschulen, Instituten und Ingenieurbüros wurde zunächst das Risikomanagement aus baubetrieblich und baubetriebswirtschaftlicher Sicht behandelt.

In einem ersten Beitrag schilderte Dipl.-Ing. Helmut Kölzer eindringliche Beispiele für nicht erkannte Projektrisiken aus seiner täglichen Beratungspraxis für Pojektstrukturierung – Risikomanagement – Partnering. Als Ursachen identifizierte er u. a.

n Mängel in der Projektstruktur und dem Prozessablauf sowie bei der Vertragsgestaltung durch ein falsches Vertragsverständnis,

n generell ein fehlendes Risikomanagement, z. T. auch aufgrund einer fehlenden Risikoaversion,

n Probleme der Selbstüberschätzung aller am Bauprozess Beteiligten,

n und letztendlich ein das immer wieder leidige Sparen an der falschen Stelle.

Die Folgen schlagen sich in Qualitätsmängeln, Terminproblemen, Konflikten und Reibungsverlusten sowie Kostenabweichungen nieder.

Daran anschließend stellte Prof. Dr. Ralf-Peter Oepen, Leiter des Betriebswirtschaftlichen Instituts der Bauindustrie (BWI-Bau), Düsseldorf, dar, wie Risiken kalkulatorisch berücksichtigt werden können. Ausgehend von der These, dass die klassische Kostenermittlung und Preisfindung eine zuverlässige Abbildung von Risiken nicht beinhaltet, konzentrierte er sich auf die Risikobewertung und Einpreisung im Angebotsstadium. Anhand zahlreicher Abbildungen und Übersichten konnte er u. a. anschaulich verdeutlichen, wie risikoadäquate Preisuntergrenzen ermittelt werden können. Damit liegt erstmals eine Methodik zur realistischen Ermittlung von (Bau-)Kosten vor.

RA Prof. Thomas Thierau, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht in der Societät Redeker Sellner Dahs, Bonn, griff speziell die Terminrisiken heraus, die sich aus vertragsrechtlicher Sicht ergeben können, und die daraus eventuell folgenden Bauzeit- und Geldansprüche gegen den Auftraggeber.

Vordringlich wies er darauf hin, dass grundsätzlich eine konkrete Darlegung zu folgenden Fragen notwendig ist:

n Was genau will der Auftragnehmer?

n Welche Anspruchsgrundlage besteht dafür?

n Welche Tatsachen stützen den Anspruch? Dazu ist eine konkrete und bauablaufbezogene Darstellung der jeweiligen Behinderung und ihrer kausalen Folgen für den Bauablauf erforderlich.

Ohne Dokumentation des IST-Ablaufes kann weder ein Anspruch auf Bauzeit noch auf Geld begründet werden. Theoretische Soll-Betrachtungen wären dazu nicht ausreichend. Und: Ohne schriftliche Behinderungsanzeige gibt es kein Geld. Diese beiden Sachverhalte sollten allen am Bauprozess beteiligten Mitarbeitern eines Unternehmens in Fleisch und Blut übergehen.

Dipl.-oec. Andreas Schmieg, Vorstand der Torkret AG, Essen, formulierte passend zu diesen Überlegungen die These, dass Risikomanagement zu einem nicht unerheblichen Teil Personalmanagement ist. Risiken erkennen, adäquat einschätzen und bewerten und richtig damit umgehen, ist wesentlicher Bestandteil der Mitarbeiterqualifikation. Je kompetenter Mitarbeiter im Umgang mit Risiken sind, umso besser können Bauunternehmen auch die strategischen Implikationen der Risikoorientierung in ihre Entscheidungen einbeziehen.

Prof. Dr.-Ing. Stefanie Streck, Fachhochschule Münster, ging in ihrem Vortrag auf den Risikofaktor Quantität ein: Innerhalb der nächsten Jahre müssen sich die Bauunternehmen auf einen verschärften Wettbewerb um Fach- und Führungskräfte einstellen. Spätestens ab 2014 wird mit der Rückläufigkeit der Studierendenzahlen gerechnet, bei gleichzeitig steigenden Bemühungen konkurrierender Branchen um die dann verbleibenden Köpfe. Alle Akteure in der Bauwirtschaft sind gefordert, die Attraktivität von Bauunternehmen als Arbeitgebern und der Branche insgesamt als High-Tech-Branche zu forcieren und in den Augen der potenziellen Bewerber wahrnehmbar zu machen.

Prof. Dr.-Ing. Manfred Helmus, Bergische Universität Wuppertal, plädierte in seinem Vortrag für eine stärkere Einbindung der Praxis in die Studienabläufe. Als ein sehr erfolgreiches Musterbeispiel dafür verwies er auf die dualen Studiengänge. Diese sichern nicht nur eine auf die individuelle Praxis zugeschnittene Ausbildung, sondern binden auch hochqualifizierte Mitarbeiter/innen an das Unternehmen. Weitere Möglichkeiten zur Einbindung ergeben sich durch mehr Firmenvertreter in Berufungskommissionen oder in wissenschaftlichen Beiräten, durch gemeinsame Forschungs- und Entwicklungsprojekte und durch Gastvorträge innerhalb der verschiedenen Studiengänge.

Abschließend rief Prof. Dr.-Ing. Rainard Osebold, RWTH Aachen, dazu auf, aktiv ein Umfeld mitzugestalten, in dem es Lust macht, erfolgreich zu sein. Mit zunehmendem Mangel an Ingenieuren steigen gleichwohl die Anforderungen an die Qualität: Entscheidend ist die Kompetenz, nicht der Titel oder das Zertifikat. Insbesondere die interdisziplinären Fähigkeiten sind zunehmend gefragt, um Kompetenz in Innovation und Wertschöpfung zu verwandeln.

Abgerundet wurde das Programm
durch zwei Erfahrungsberichte:

Florian Hamacher studierte an der Bergischen Universität Wuppertal und berichtete über seine Erfahrungen auf dem Weg zum als auch als Bachelor in der Praxis. Aus seiner Sicht müssen sich Studenten und Unternehmen intensiver mit den neuen Studiengängen auseinandersetzen (z. B. über
Internetportale) und die Kontakte zu den Hochschulen vertiefen, ein Aspekt, der auch im weiteren Verlauf der Veranstaltung wieder aufgegriffen wurde. Für die Unternehmen verstärkt sich darüber hinaus der Trend, die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter immer früher in ihre Unternehmen integrieren zu müssen.

Alexandra Liesert bereitet sich berufsbegleitend an der Fachhochschule Münster auf den Masterabschluss vor. Aus ihrem
Erfahrungsbericht ging hervor, dass die
Möglichkeit eines berufsbegleitenden Masterstudiums insbesondere in einer praxisorientierten, interdisziplinären und aktuellen Qualifikationsvielfalt liegen. Darüber hinaus gewinnt auch der Faktor „Internationalität“ an Bedeutung und lässt sich in offen konzipierte Konzepte gut integrieren.

 

Fazit

Als Hightech-Branche ist die Bauwirtschaft angewiesen auf hochqualifizierte Mitarbeiter, um Innovation und Wertschöpfung vorantreiben zu können. Nicht nur enorme Risiken, sondern vor allem auch einmalige Chancen bieten ein Arbeitsumfeld, dessen Potentiale für ein positives Image und einen tragfähigen wirtschaftlichen Erfolg bei weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Mit ausgesprochen erfreulicher Bilanz steht dieser Hochschultag in einer guten Tradition, die weitergeführt wird. Interessenten können sich jederzeit beim BWI-Bau registrieren lassen und erhalten die entsprechenden Ankündigungen frühzeitig und persönlich.


Dipl.-Kfm. Elvira Bodenmüller,

BWI-Bau,

Düsseldorf

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