Mangelware Krisenkompetenz

Der ausgewiesene Schweizer Krisenfachmann Professor Dr. Laurent Carrel hat die vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage seines Buches „Leadership in Krisen – Ein Leitfaden für die Praxis“ vorgelegt. Seine zentrale Aussage gibt zu denken: Die neue Normalität wird durch Krisenpermanenz geprägt. Das Management trägt dieser Tatsache noch zu wenig Rechnung. Die Krisenkompetenz des Managements lässt ebenso zu wünschen übrig wie die Bereitschaft, sich intensiv mit dem Phänomen Krise auseinander zu setzten. Die Hoffnung, dass es das eigene Unternehmen nicht erwischt, ist mächtiger als die augenfällige Erkenntnis, dass krisenhafte Entwicklungen zunehmen.

 

Vorbereiten

Dabei, stellt Carrel fest, ist eine gute Krisenvorbereitung für den ganz normalen Gang der Geschäfte von beachtlichem Nutzen. Und diese “gute Krisenvorbereitung“ beginnt für ihn mit der Kunst, überzeugend mit Menschen umzugehen. Das ist für Carrel die Grundvoraussetzung überzeugender Führung in Krisen. Dabei beruft er sich auf die Erfahrung aus zahlreichen Kriseninterventionen. Ein nicht unwesentlicher Baustein dieser Kunst, mit Menschen umzugehen und damit eine weitere unbedingt notwendige Krisenqualität sieht er neben unter anderen der Klarheit des Denkens, dem Bewahren von Ruhe sowie dem Mut und der Entschlossenheit zur Entscheidung in einem positiven Selbstverständnis der Führenden.

Carrel macht deutlich: Unternehmer oder Manager können in Krisen weder andere verstehen noch führen und hinter sich versammeln, wenn Sie sich nicht selbst verstehen, sich nicht selbst motivieren oder sich nicht selbst führen können. Die Konsequenz daraus heißt für ihn: Der Erwerb von entsprechenden Qualitäten beginnt mit einer realistischen persönlichen Standortbestimmung. Sprich mit Selbsterkenntnis. Diese Bestandsaufnahme setzt den persönlichen Entwicklungsprozess zur Selbstführung in Gang und der wiederum bildet die Basis zur Führung anderer und echter Krisenfähigkeit.

 

Vermeiden

Aus diesen Überlegungen heraus fragt Carrel: Was müssen Führungskräfte in einer krisenhaften Situation unbedingt vermeiden? Sich von Emotionen mitreißen oder ganz und gar gefangen nehmen lassen. Womit er auf eine weitere bedeutsame Qualität für den Umgang mit krisenhaften Situationen verweist: sich möglicher Schwächen in den eigenen Reaktionsmustern bewusst zu werden. Wie reagiere ich? Resigniert, mutlos, zaudernd? Oder im Gegenteil aggressiv, provokativ? Suche ich die Lösung in kopfloser Überreaktion? Diese Selbstprüfung ist für Carrel wichtig, weil gerade in Krisen persönliche Schwächen schnell zum Vorschein kommen. Krisenkompetenz verlangt deshalb unbedingt auch dafür zu sorgen, dass mögliche Schwachstellen in den eigenen Reaktionsmustern nicht komplett Denken und Verhalten steuern. Um dem vorzubeugen, rät er zu einem begleitenden Coaching in Krisensituationen.

Ein weiterer beherzigenswerter Rat Carrels: Nach durchgestandener Krise für eine sorgfältige Krisenauswertung zu sorgen. In der Krisenauswertung sieht er einen unschätzbaren Lehrmeister. Knackpunkt dieser Maßnahme: Dabei treten mit Sicherheit Widerstände auf wie die Angst vor unbequemen Erkenntnissen, vor Verantwortlichkeiten bei Fehlverhalten, verbunden mit der Gefahr persönlicher Nachteile oder eines Karriereknicks. Weiterblickende, verantwortungsbewusste Chefs wissen um diese meist beachtlichen Widerstände gegen eine systematische Krisenauswertung – und gehen mit gutem Beispiel voran. Das heißt, sie tragen sie selbstkritisch mit und leben vor, dass ohne eingestandene Fehler weder Lernen noch notwendige Veränderungen möglich sind.

 

Fazit

1. Die neue Normalität wird durch Krisenpermanenz geprägt, Business as usual ist Vergangenheit. Folglich sollte das Management der Führung in Krisen den ihr gebührenden Stellenwert beimessen. Durch Turbulenzen navigieren Unternehmungen nur mit Erfolg, wenn Leadership in Krisen und deren Vorbereitung als Chefsache wahrgenommen werden.

2. Im Mittelpunkt von Krisen stehen Menschen, die entweder erfolgreich entscheiden und handeln oder aber überfordert, verzweifelt, hoffnungslos übermüdet sind und schlussendlich versagen. Deshalb geht es in Krisen nicht allein um Führungsprozesse und –methoden, sondern zusätzlich immer auch um Führung mit Vision und Werten, konkret um Warum-Fragen: Was wollen wir warum erreichen? Aufgabe des Chefs ist, das Schwergewicht auf das zu Erreichende, auf Werte und gemeinsame Interessen, Engagement und zwischenmenschliche Beziehungen zu legen, sie bilden den Kitt betrieblicher Krisenstabilität.  

3. Ständige Fortbildung ist das Mantra aller Sonntagsreden, Selbstüberschätzung auf hoher Ebene ist die Realität. Chefs verlangen von ihren Leuten, dass sie ständig dazulernen. Dies muss auch für sie selbst gelten. Nur aus sich selbst heraus lernende Organisationen sind krisentauglich. Deshalb zeichnet sich ein qualifiziertes Management dadurch aus, dass es sowohl im Bereich des organisationalen Lernens als auch als Mentor der individuellen Weiterbildung die Initiative ergreift und als Vorbild vorangeht. Im Zweifelsfall mit Unterstützung eines erfahrenen Coachs.

Diplom-Betriebswirt Hartmut Volk,

Redaktionsbüro Wirtschaft&Wissenschaft,

Bad Harzburg,

E-Mail: hartmut.volk@t-online.de



Das Buch: Laurent F. Carrel: „Leadership in Krisen –

Ein Leitfaden für die Praxis“. Gabler Verlag Wiesbaden,

411 Seiten, € 69,95. Bestellung des rezensierten Buches schnell und unproblematisch über:

Profil - Buchhandlung im Bauverlag,

Tel: 05241/80 88 957,

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