Rückfahrkameras an Erdbaumaschinen

Förderung von Kamerasystemen durch die BG Bau in Verbindung mit der Informationskampagne „Sehen und gesehen werden“

Jährlich ereignen sich zahlreiche schwere Unfälle, bei denen Erdbaumaschinen beteiligt sind. Viele dieser Unfälle passieren, weil im Umfeld der Maschinen arbeitende Personen vom Maschinenführer nicht rechtzeitig wahrgenommen und an- bzw. überfahren werden.

Die Sichtverhältnisse an Erdbaumaschinen konnten in den vergangenen Jahren durch übersichtlichere Konstruktionen verbessert werden. Es verbleiben jedoch bei jeder Maschine sogenannte „tote Winkel“. Diese Bereiche können vom Fahrerplatz aus nicht eingesehen werden.

Um derartigen Unfällen entgegen zu wirken, müssen Erdbaumaschinen ab Baujahr 2009 die Sichtfeldanforderungen der neuen ISO 5006:2006 „Erdbaumaschinen – Sichtfeld - Testverfahren und Anforderungskriterien“ erfüllen. Damit auch die Baumaschinen vor dem Baujahr 2009 auf diesen Stand der Technik gebracht werden, hat sich die BG Bau entschlossen, die Nachrüstung von Erdbaumaschinen mit Kamera-Monitor-Systemen zu fördern und finanziell zu unterstützen. Zusätzlich führt die BG Bau die Informationskampagne „Sehen und gesehen werden“ durch. Hierdurch sollen Betriebe, Hersteller, Vermieter, und andere Beteiligte sowie interessierte Kreise auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden. Über den Link www.sehen-und-gesehen-werden.de können Antragsformulare für die finanzielle Förderung heruntergeladen werden. Des Weiteren kann auf dieser Internetseite Informationsmaterial angesehen, heruntergeladen und bestellt werden.

 

Unfallgeschehen

Bei Radladern, Raupen, Muldenkippern bzw. Dumpern und ähnlichen Maschinen werden die meisten Personen bei der Rückwärtsfahrt an- bzw. überfahren. Bei Baggern ist das Unfallgeschehen differenzierter.Allerdings zeigten unterschiedliche statistische Auswertungen durch die BG Bau, dass sich die meisten schweren und tödlichen Unfälle mit Bagger ebenfalls bei der Rückwärtsfahrt sich ereignen. Deshalb wird im Rahmen des nun gestarteten Förderprogramms die Nachrüstung von Rückfahrkameras finanziell unterstützt.

Um festzustellen, ob es sich bei den hier beschriebenen Unfällen um eine bauspezifische Besonderheit handelt, wurden 32 tödlichen Unfällen mit Erdbaumaschinen, die sich mit dem Thema „Sichteinschränkungen“ bzw. „Tote Winkel“ in Verbindung bringen lassen, näher überprüft. Hierbei wurde der Zeitraum von Januar 2008 bis September 2010 betrachtet. Hierbei stellte sich heraus, dass sich hiervon ca. 10 Unfälle im Zuständigkeitsbereich der BG Bau  ereignet hatten. Die übrigen 22 Unfälle ereigneten sich im Zuständigkeitsbereich anderer Berufsgenossenschaften. Diese Zahlen sollen deutlich machen, dass es sich nicht um ein Problem handelt, welches in erster Linie auf Baustellen anzutreffen ist. Vielmehr passieren viele Unfälle auf Werksgeländen, z. B. in holzverarbeitenden Betrieben, in Steinbrüchen, in Kieswerken, auf Deponiegeländen, im Land- und Baustoffhandel. In den meisten Fällen ist hier der Radlader die maßgebende Unfallmaschine.

 

Unfallbeispiel

Im Folgenden soll anhand eines Unfallbeispiels eine typische Unfallsituation dargestellt werden.

Ein Baggerfahrer wechselte mit einem Arbeitskollegen von der gleichen Baustelle die Arbeitsausrüstung des Baggers. Nach dem Wechsel  ging der Fahrer in die Fahrerkabine und fuhr rückwärts (Der Bagger war mit laufendem Motor abgestellt). Der später Verletzte wollte hinter dem Bagger
vorbeigehen und wurde angefahren und verletzt. Mit einer Kamera hätte der Maschinenführer den Kollegen rechtzeitig sehen können und währe aller Wahrscheinlichkeit nach nicht rückwärts losgefahren.


Finanzielle Unterstützung

durch die BG Bau

Für die Nachrüstung von Baumaschinen im Altbestand können Prämien in Form von Zuschüssen bei der BG Bau beantragt werden. Die Förderung ist auf max. 2 Kamera-Monitor-Systeme pro Jahr und Unternehmen begrenzt. Die Höhe des Zuschusses wird in Höhe von 25 % der Anschaffungskosten gewährt und beträgt max. 250,00 € pro Kamera-Monitorsystem.


Voraussetzung hierfür ist, dass

n die Firma des Antragstellers Mitglied bei der BG Bau ist,

n die nachzurüstende Erdbaumaschine
älter als Baujahr 2009 ist (da Erdbaumaschinen ab dem Baujahr 2009 die Sichtfeldanforderungen der ISO 5006:2006 herstellerseits bereits erfüllen müssen) und

n durch die Nachrüstung die vom Fahrerplatz aus ursprünglich nicht einsehbaren Nahbereiche deutlich reduziert werden. Dies kann derart überprüft werden, ob eine im Abstand von 1 m zur Baumaschine gehende / stehende Person vom Maschinenführer gesehen wird.


Durch die BG Bau wird zurzeit die Nachrüstung folgender Maschinen finanziell gefördert:

n Mobilbagger < 25 t

n Raupenbagger < 40 t

n Lader < 30 t

n Baggerlader < 25 t

n Planierraupen < 18 t

n Muldenfahrzeuge < 50 t

n Muldenfahrzeuge mit Frontmulde < 10 t

n Grader < 15 t

n Erd- und Müllverdichter 10 t < m < 35 t

n Walzen 5 t < m < 25 t

Die Förderung gilt derzeit nicht für LKW.


Empfehlungen für Unternehmen, die ihre Maschinen mit Kamera-Monitorsystemen ausrüsten möchten:

n Möglichst nur abgestimmte Komponenten eines Herstellers verwenden.

n Kamera-Monitorsysteme auswählen, die für baustellentypische Belastungen geeignet sind (Erschütterungen, Staub, Feuchtigkeit).

n Einbau entsprechend der Einbauhinweise der Hersteller (z. B. zu Einbauort und Neigung der Kamera gegen die Horizontale).

n Die Größe des Monitors sollte mindestens 5,5“ (5,5“ = 14 cm Bildschirmdiagonale) betragen

n Farbmonitor

n Monitor so im Sichtfeld des Bedieners anbringen, dass dadurch die Sicht auf den Fahr- und Arbeitsbereich nicht eingeschränkt wird.

n Betriebsbereitschaft wird durch eine Statusleuchte angezeigt.

n Kamera mit selbsttätigem Helligkeitsausgleich.

n Eine integrierte Heizung verhindert Kondenswasserbildung;

n gegen äußere Beschädigung und Diebstahl geschützt anbringen.

n Aussagekräftige Bedienungsanleitung

n Das Kamera-Monitorsystem darf die Funktionen der Maschine nicht einschränken.

 

Kampagne „Sehen und

gesehen werden“

Im Rahmen der Präventionskampagne Risiko raus der DGUV führt die die BG Bau die Trägerkampagne „Sehen und gesehen werden“ durch. Hierfür wurden Informationsmaterialien wie Flyer und Plakate entworfen sowie ein kurzes 8-minütiges Video produziert. Flyer, Plakate, Video sowie weiter Informationen sind auf der speziell dafür eingerichteten Seite www.sehen-und-gesehen-werden.de zu finden. Über diese Seite können die genannten Medien sowie das Video eingesehen und bestellt werden. Darüber hinaus können Informationen über finanzielle Förderung bei der Nachrüstung von Erdbaumaschinen mit Kamera-Monitorsystemen sowie entsprechende Anträge heruntergeladen werden.

Inhalt des Flyers sind 10 Tipps, durch die anschaulich mit wenig Text und prägnanten Grafiken gezeigt werden soll, wie mit einfachen Maßnahmen das Risiko erheblich reduziert und Unfälle verhindert werden können.


Die 10 Tipps lauten im Einzelnen:

1. Sichtfeld überprüfen!

2. Sicht verbessern!

3. Kamera-Monitor-Systeme und Spiegel in Ordnung halten!

4. Blickkontakt herstellen!

5. Arbeiten im Fahr- und Arbeitsbereich vermeiden!

6. Baumaschinen im Auge behalten und Abstand wahren!

7. Erst gucken, dann fahren oder schwenken!

8. Lasten außerhalb des Fahrweges im Blickfeld des Fahrers führen!

9. Warnkleidung tragen!

10. Maschinenführer und Bodenpersonal qualifizieren!

Die Flyer eignen sich gut als Informationsmaterial für Unternehmen und Schulungen.

Bei dem Entwurf der Plakate wurde eine sehr eindringliche, zum Teil schockierende Art der Darstellung gewählt. Grund hierfür ist, dass es sich bei dem hier in Zusammenhang mit Erdbaumaschinen behandelten Unfallgeschehen um Unfälle mit schwersten oder gar tödlichen Verletzungen handelt. Um dies ohne viel Text deutlich zu
machen, wurde diese eindringliche Art der Darstellung gewählt. Die Reaktionen hierauf sind unterschiedlich. Wer sich überwiegend theoretisch mit dem Arbeits- und
Gesundheitsschutz beschäftigt oder in Bereichen arbeitet, in denen die hier erwähnten schweren Unfallfolgen eher die Ausnahme sind, kann auf die Plakate zunächst ge­schockt reagieren. Wer aber mit dem Thema dieser Kampagne durch seine tägliche Arbeit bereits direkt in Verbindung steht, reagiert überwiegend positiv.

Wer nicht mit Flyern, Fachartikeln etc. arbeiten möchte, hat die Möglichkeit, sich die entsprechenden Informationen über das Video anzusehen. In dem Video werden kurz und prägnant die 10 Tipps anschaulich dargestellt, wobei aus Gründen der besseren filmischen Darstellbarkeit 2 der 10 Tipps zu Einem zusammengefasst wurden. Hierdurch wurde die Zahl der Tipps im Film auf 9 Tipps reduziert, ohne dass inhaltlich ein Tipp verlorengegangen ist.

 

Überarbeitung der Bausteine

Im Rahmen der regelmäßigen Aktualisierung des Regelwerkes der BG Bau wurden die maschinenspezifischen Module der „Gel-
ben Mappe“, die sogenannten „Bausteine“ überarbeitet und an die neue Rechtslage angepasst. Die neuen „Bausteine“ werden voraussichtlich im November 2010 erscheinen. Hierdurch wird auch über diesen Informationsweg ein breites Fachpublikum über die Neuerungen hinsichtlich des sicheren Betriebs von Erdbaumaschinen auf aktuellem Stand gehalten.

 

Kontrolle des Sichtfeldes

An einer Erdbaumaschine lässt sich einfach überprüfen, ob der Fahrer ausreichende Sicht nach hinten hat. Hierfür wird die Maschine abgestellt und der Motor ausgeschaltet. Anschließend stellt sich eine durchschnittlich große Person im Abstand von einem Meter hinter die Maschine. Kann der Fahrer den Kopf und die Schultern dieser Person sehen, so kann davon ausgegangen werden, dass die Sicht ausreichend gut ist (Siehe Abb 10 und 11).

Es ist zu erkennen, dass eine im Abstand von 1 m hinter der Maschine stehende Person für den Fahrer nicht direkt zu sehen ist. Der Hersteller hat zum Ausgleich der mangelnden Direktsicht seine Baumaschine mit einem Kamera-Monitorsystem ausgerüstet. Hierdurch wird es dem Baugeräteführer auf ergonomische Weise ermöglicht, den Gefahrbereich hinter der Maschine einzusehen. Radladerfahrer müssen in manchen Fällen bis zu 50 % ihrer Arbeitszeit rückwärts fahren. Eine Sichthilfe, die kein ständiges Umdrehen erforderlich macht, ist daher ein modernes technisches Hilfsmittel, welches von den Baugerätefahrern angenommen und benutzt wird und wegen der günstigen Ergonomie auch eine Steigerung der Leistungsfähigkeit beim Einsatz von Erdbaumaschinen ermöglicht.

Unternehmer, die Erdbaumaschinen betreiben, sind verpflichtet, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung die Gefahren beim Betrieb dieser Maschinen zu ermitteln. Hierzu gehören auch die Gefährdungen durch Sichteinschränkungen bzw. „tote Winkel“. Diese Gefährdungen kann auf schnelle Weise durch dieses vereinfachte Verfahren ermittelt werden. Wird hierbei festgestellt, dass die überprüfte Maschine keine ausreichende Sicht nach hinten aufweist, müssen Maßnahmen ergriffen werden.

Das bedeutet, dass diese Maschine nicht ohne besondere Schutzmaßnahmen eingesetzt werden darf. Derartige Maßnahmen können z. B der Einsatz von Sicherungsposten oder Einweisern sein. Alternativ können Gefahrbereiche  abgesperrt werden (Abb. 12). Im Einzellfall, d. h. bei einer einmalig nur kurz und unvorhersehbar entstandenen Gefahrsituation mögen diese Schutzmaßnahmen sinnvoll sein.  Bei den klassischen Einsätzen im Tief- und Erdbau müssen sich auf Grund der örtlichen Platzverhältnisse und der organisatorischen Umstände auf den Baustellen immer wieder Personen im Gefahrbereich der Maschinen aufhalten. Hier ständig einen Sicherungsposten oder Einweiser vorzuhalten bzw. Absperrungen umzustellen ist zum einen sicherlich nicht wirtschaftlich. Zum anderen würde die Entscheidung für derartige Schutzmaßnahmen für die Baustellenverantwortlichen wie z.B. Bauleiter oder Schachtmeister bedeuten, sich ständig um den Einsatz von Einweisern, Sicherungsposten oder Personal für das Umstellen von Absperrungen kümmern zu müssen und rechtzeitig entsprechende Anweisungen zu geben. Auch dies erscheint nicht für die Praxis geeignet. Gleichzeitig wird den Baustellenverantwortlichen ein Mehr an Verantwortung und Organisationsaufgaben aufgebürdet.

Technische Maßnahmen wie z.B. das Nachrüsten mit Kamera-Monitorsystemen sollten daher baldmöglichst umgesetzt werden. Auch Käufern von Neumaschinen ist daher zu empfehlen, vor dem Kauf einer Erdbaumaschine diese einfache Sichtfeldüberprüfung durchzuführen. Hierfür spricht neben der Verpflichtung, nur sichere und normgerechte Maschinen zu erwerben und einzusetzen auch der Anspruch, eine möglichst leistungsstarke Maschine zu betreiben. Bedenkt man, dass viele Baumaschinen auf engem Raum eingesetzt werden müssen, wird klar, wie wichtig für den wirtschaftlichen Einsatz einer Maschine ein gutes Sichtfeld ist.

Alternativ können auch Spiegel zum Ausgleich von Sichteinschränkungen eingesetzt werden. Hierbei ist jedoch zu prüfen, ob durch die Anordnung, Abmessung und Konstruktion der Spiegel eine ausreichende Sicht auf die Gefahrbereiche sichergestellt ist. Auch sollte man sich ernsthaft die Frage Stellen, ob ein mittig hinter dem Fahrer angebrachter Spiegel, der vom Fahrer eine Umdrehen um 180° erfordert, wirklich eine sinnvolle Maßnahme ist. Bedenkt man, dass am Heck angebrachte Spiegel sich beim Schwenken z.B. durch leichtes Streifen von Buschwerk  leicht verstellen und dass zum Einstellen von Spiegeln immer eine zweite Person benötigt wird, so kommen Zweifel an dieser Maßnahme auf.

Hinter dem Fahrer angeordnete Spiegel stellen in diesem Zusammenhang eine zwar zulässige, aber in der Regel ergonomisch ungünstige und störungsanfällige Möglichkeit zur Verbesserung der Rücksicht dar. Zwischenzeitlich können hingegen Rückfahrkameras so montiert werden, dass sie geschützt vor Diebstahl und Beschädigung dem Fahrer eine optimale Sicht nach hinten ermöglichen.

 

Qualifizierung

Bei vielen Unfällen zeigt sich aber auch, dass eine ungünstige Organisation der Baustellenabläufe, leichtsinniges Verhalten des „Bodenpersonals“ und manchmal die unvorsichtige Fahrweise des Maschinenführers derartige Unfälle begünstigen. (Raser gibt es nicht nur im Straßenverkehr!)

Deshalb ist es wichtig, Bodenpersonal und Maschinenführer zu unterweisen und zu qualifizieren. Zum einen müssen Maschinenführer und „Bodenpersonal“ mindestens einmal jährlich über die Gefährdungen beim Betrieb von Erdbaumaschinen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zur Vermeidung dieser Gefährdungen unterwiesen werden. Zum anderen müssen hierbei die für den Betrieb von Erdbaumaschinen relevanten Inhalte der geltenden Unfallverhütungsvorschriften und BG-Regeln sowie des einschlägigen staatlichen Vorschriften- und Regelwerkes in verständlicher Weise vermittelt werden. Die Unterweisung muss dokumentiert werden. Seit dem 7. Januar 2009 gibt es den anerkannten Qualifikationsnachweis zum „Ge­prüften Bagger- und Laderfahrer“. Die Spitzenverbände der Bauwirtschaft und die BG Bau empfehlen, diese Möglichkeit zur Verbesserung der Rechtssicherheit zu nutzen. Es sollten also Maschinenführer eingesetzt werden, die diese praktische und theoreti­sche Qualifikation zum „Geprüften Bagger- und Laderfahrer“ absolviert haben. Zugelassene Prüfungsstätten betreiben der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes.

  

Rechtlicher Hintergrund

Bei den rechtliche Grundlagen muss zwischen den Anforderungen unterschieden werden, die sich an den Hersteller bzw. den Inverkehrbringer einer Maschine richten und denen, die sich an den Betreiber wenden. Einige in diesem Zusammenhang wichtige Rechtsgrundlagen sind in der Tabelle in Abb. 17dargestellt und den entsprechenden Normadressaten zugeordnet.

 

Anforderungen an neue Maschinen
ab 30.11.2008 (Datum des erstmaligen Inverkehrbringens)

Die Sichtanforderungen an Erdbaumaschinen wurden durch die neuen Standards der seit dem 30.11.2008 geltenden EN 474 auf ein sehr hohes Niveau gebracht. Zusammen mit der neuen EN 474 ist jetzt auch die neue ISO 5006:2006 verbindlich. Sie gilt für: Radlader, Skidsteer-Lader, Kettenlader, Baggerlader, Mobilbagger, Raupenbagger, Muldenkipper, Planierraupe, Grader, Kompaktoren und Walzen. Mit der neuen ISO 5006:2006 „Erdbaumaschinen – Sichtfeld – Testverfahren und Anforderungskriterien“ wird neben der Änderung des Verfahrens zur Erfassung „Toter Winkel“ auf einem Messkreis mit einem 12-m-Radius als wesentliche Neuerung die Einführung einer zusätzlichen Sichtmessung im Nahbereich eingeführt. Hierbei muss ein 1,5 m hoher Prüfkörper an einer rechteckigen Umrisslinie im Abstand von 1m von der Maschine zu sehen sein, wobei verdeckte Bereiche bis zu einer Breite von 30 cm toleriert werden. Ursächlich für die Verschärfung der Anforderungen an das Sichtfeld ist das Unfallgeschehen beim Einsatz von Erdbaumaschinen.

Hersteller, die ihre Maschinen ab diesem Datum erstmals in Eu­ropa in den Verkehr bringen und die in dieser Norm beschriebenen Sichtanforderungen erfüllen, können davon ausgehen, dass die Forderungen der Maschinenrichtlinie be­züglich der Sicht eingehalten sind.

 

Anforderungen an Bestandsmaschinen

Eine konkrete und allgemeingültige Nachrüstverpflichtung für Maschinen, die vor die­sem Datum (30.11.2008) erstmals in den Verkehr gebracht wurden, besteht nicht. Vielmehr sind die Unternehmer beziehungsweise die Betreiber von Erdbaumaschinen auf Grund der Betriebssicherheitsverordnung verpflichtet, die Gefahren beim Betrieb der Maschinen zu ermitteln und die erforderlichen Schutzmaßnahmen zu veranlassen. Die BG-Regel „Betreiben von
Erdbaumaschinen“ (BGR 500, Kap. 2.12) beschreibt, welche Schutzmaßnahmen festzulegen und umzusetzen sind, um Gefährdungen durch Personenaufenthalt im Gefahrbereich zu vermeiden. Im § 15a der Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten“ (BG C 22) werden ebenfalls Schutzmaßnahmen verbindlich gefordert.


Auszüge aus den genannten

Regelwerken:


BetrSichV, Anhang 1, Abschnitt 3.1.6 : (Mindestvorschriften für Arbeitsmittel gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2)

d) Reicht die direkte Sicht des Fahrers nicht aus, um die Sicherheit zu gewährleisten, sind geeignete Hilfsvorrichtungen zur Verbesserung der Sicht anzubringen.

 

§ 15a der BG-Vorschrift C 22 (Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten“):

(2) Ist bei Fahr- und Arbeitsbewegungen die Sicht des Fahrzeug- oder Maschinenführers auf seinen Fahr- oder Arbeitsbereich eingeschränkt, muss ein Sicherungsposten eingesetzt werden.

(3) Abweichend von Absatz 2 kann auf einen Sicherungsposten verzichtet werden, wenn durch geeignete Einrichtungen sichergestellt ist, dass Personen nicht gefährdet werden können.

Geeignete Einrichtungen können z. B. Spiegel, Fernsehüberwachungsanlagen, Leiteinrichtungen, Absperrungen oder Abgrenzungen sein.

 

BGR 500, Kap. 2.12:

3.3.1 Im Gefahrbereich von Erdbaumaschinen dürfen sich Personen nicht aufhalten.

3.3.2 Der Maschinenführer darf mit der Erdbaumaschine Arbeiten nur ausführen, wenn sich keine Personen im Gefahrbereich aufhalten.

3.3.3 Ist es aus betrieblichen Gründen unvermeidlich, dass Versicherte den Gefahrbereich betreten müssen, hat der Unternehmer auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung Maßnahmen festzulegen. Abweichungen von den Abschnitten 3.3.1 und 3.3.2 sind nur unter Beachtung dieser Maßnahmen zulässig.

Solche Maßnahmen können beispielsweise sein:

– technisch: zusätzliche Einrichtungen zur Verbesserung der Sicht;

– organisatorisch: Einsatz von Einweisern oder Sicherungsposten;

– ergänzend personenbezogene Maßnahmen, wie das Tragen von Warnwesten.

 

Empfehlung des

Fachausschuss Tiefbau

Der Fachausschuss Tiefbau hat im April 2009 eine Empfehlung veröffentlicht, nach der alle Erdbaumaschinen im Rahmen der nächsten Prüfung durch eine „Befähigte Person“ hinsichtlich der Sichtverhältnisse im Nahbereich überprüft werden sollen. Wird hierbei zum Beispiel festgestellt, dass eine hinter der Ma­schine stehende Person vom Fahrer nicht gesehen werden kann, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Technische Maßnahmen, etwa Nachrüstung mit Kamera-/ Monitor­systemen, sollten baldmöglichst umgesetzt werden. Andernfalls muss die Gefährdung durch die Sichteinschränkung durch baustellenspezifische Maßnahmen verhindert wer­den –
beispielsweise Sicherung beziehungsweise Absperrung des Fahr- und Arbeitsbe­reiches oder Einsatz von Einweisern und Sicherungsposten. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Unternehmer bzw. die in der Linienverantwortung stehenden Mitarbeiter (z.B. Bauleiter, Schachtmeister) in der Verantwortung stehen, die Gefährdungen durch Sichteinschränkungen zu ermitteln und entsprechende Schutzmaßnahmen auf der Baustelle umzusetzen, siehe auch Abschnitt „Kontrolle des Sichtfeldes“.

Der Einsatz von Hilfsmitteln zur Verbesserung wie z. B. Kamera-Monitorsystemen entlastet Unternehmer und Baustellenverantwortliche von der Verpflichtung, sich ständig um den Einsatz von Einweisern, Sicherungsposten oder Personal für das Umstellen von Absperrungen kümmern zu müssen und rechtzeitig entsprechende Anweisungen geben müssen (siehe auch Abschnitt „Kontrolle des Sichtfeldes).

 

Rückfahrwarneinrichtungen

Einige Maschinenhersteller rüsten ihre Erdbaumaschinen mit Rückfahrwarneinrichtungen, den sog. Rückfahrpiepern, aus. Bezüglich dieser Warneinrichtungen tauchen immer 2 Fragen auf:

1. Sind derartige Rückfahrwarneinrichtungen vorgeschrieben?

2. Stellen diese Rückfahrwarneinrichtungen eine ausreichende Sicherheitsmaßnahme dar, wenn an einer Erdbaumaschine das Sichtfeld größere Sichtfeldeinschränkungen (tote Winkel) aufweist?

Nach den in der neuen EN 474 und der neuen ISO 5006 beschriebenen Anforderungen müssen in dem Fall einer unzureichenden Direktsicht (Sichtfeldanforderungen der ISO 5006 nicht erfüllt) die Sichteinschränkungen durch Hilfsmittel zur Verbesserung der Sicht ausgeglichen werden. Das heißt, bei unzureichender Direktsicht sind die toten Winkel durch Kamera-Monitorsysteme oder Spiegel auszugleichen. Nur wenn dies nicht möglich ist, muss die Steuerung der Maschine so ausgelegt und gebaut sein, dass dem Ingangsetzen der Rückwärtsfahrt ein akustisches und/oder optisches Warnsignal vorgeschaltet ist.


Das bedeutet:

n Die Rückwärtsfahrt muss trotz Aktivierung durch den Fahrer zunächst durch die Art der Steuerung verhindert werden.

n Ein akustisches und/oder optisches Warnsignalmuss so lange aktiviert werden, dass hinter der Maschine befindliche Personen genügend Zeit bleibt, um den Gefahrenbereich zu verlassen und

n erst danach die Rückwärtsfahrt von der Steuerung freigegeben wird.

n Während der Rückwärtsfahrt ist das akustische und/oder optische Warnsignal nicht erforderlich.

Dass eine derartige Steuerung im Bereich der klassischen Erdbaumaschinen nicht praktikabel ist und vermutlich eher eine „Verschlimmbesserung“ bewirken würde, liegt auf der Hand. Man stelle sich vor: Der Baugeräteführer legt den Rückwärtsgang ein und will losfahren, die Maschine lässt ihn aber nicht. Also gibt er mehr Gas und nach Ablauf der vorgeschalteten Anfahrverzögerungszeit wird die Rückwärtsfahrt von der Steuerung plötzlich freigegeben. Ein mehr oder weniger unkontrolliertes nach hinten Losfahren mit überhöhter Geschwindigkeit wäre die Folge.

Somit lässt sich zur Beantwortung der ersten Frage der Sachverhalt wie folgt zusammenfassen: Die auf dem Markt üblichen Rückfahrwarneinrichtungen, die während der Rückwärtsfahrt permanent aktiviert sind, erfüllen die Anforderungen der Maschinenrichtlinie und der EN 474 nicht und werden dort auch nicht gefordert. Das bedeutet, dass sie bei in Europa eingesetzten Erdbaumaschinen nicht vorgeschrieben sind. Die Antwort auf die zweite Frage lautet: Rückfahrwarneinrichtungen können keine Kamera-Monitorsysteme bzw. Spiegel ersetzen, die zur Verbesserung der Sicht erforderlich sind.

 

Sicht hat immer Vorrang!

Aber: Kombinationen wie z. B. Kamera- / Monitorsystem und Rückfahrwarnung können aber sinnvoll und für den Fahrer eine zusätzliche Hilfe sein. Zu nennen sind hier z. B.:

n zusätzliche Personen-/Objekterkennungs-
systeme (über Ultraschall, Infrarot, Laser, Impulsradartechnologie),

n zusätzliche akustische Rückfahr- / Abstandswarner (mit Breitband oder Piepton; Achtung: Gefahr der Reizüberflutung beim zeitgleichen Einsatz mehrerer Maschinen!)

 

Zusammenfassung

Nach wie vor ereignen sich viele schwere und tödliche Unfälle beim Betrieb von Erdbaumaschinen. Ursächlich für viele dieser Unfälle sind unter anderem Sichteinschränkungen bzw. tote Winkel an den Maschinen. Betroffen sind nicht nur Erdbaumaschinen, die im Bau eingesetzt werden, sondern auch viele Maschinen, die auf Werksgeländen von stationären Betrieben eingesetzt werden. Die BG Bau unterstützt ihre Mitgliedsbetriebe durch die finanzielle Förderung bei der Nachrüstung von Erdbaumaschinen mit Kamera-Monitorsystemen. Durch die Kampagne „Sehen und gesehen werden“ sollen Mitgliedsbetriebe der BG Bau, aber auch Hersteller, Vermieter, und andere Beteiligte und interessierte Kreise auf diese Problematik aufmerksam gemacht werden.

Über den Link www.sehen-und-gesehen-werden.de können Antragsformulare für die finanzielle Förderung heruntergeladen werden. Des Weiteren kann auf dieser Internetseite Informationsmaterial angesehen, heruntergeladen und bestellt werden.


Dipl.-Ing. Horst Leisering,

Neumünster, Leiter des Fachgebiets „Erdbau“ bei der BG Bau,

[www.bgbau.de]

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