Eiskanal wieder fit dank Trockenbeton
Nachhaltige Sanierung eines UNESCO-WeltkulturerbesEine außergewöhnliche Aufgabe und ein prominentes Sanierungsobjekt waren eine Herausforderung für den Baustoffsystemhersteller Sakret. Denn nicht nur unter Kanusportfans ist der Augsburger Eiskanal legendär.
Der Augsburger Eiskanal ist die älteste künstliche Wildwasserstrecke und gilt als Baudenkmal.
© Michael Neumann
Die Anlage wies zunehmend Schäden auf: An den Oberflächen der Strömungskörper hatten sich Risse
und Abplatzungen gebildet.
© Sakret
Errichtet für die Olympischen Spiele 1972, wurde er zum Vorbild für Kanu-Slalom-Anlagen in aller Welt. So gilt diese älteste künstliche Wildwasserstrecke heute als Baudenkmal von höchsten Ehren: Seit 2019 ist der Eiskanal Teil des UNESCO-Welterbes der Stadt Augsburg.
Die Anlage des Eiskanals spiegelt exemplarisch die Gesamtidee der Olympischen Spiele von 1972 wider, die als „heitere Spiele“ geplant waren. Eingebettet in das Naherholungsgebiet Augsburger Stadtwald, wirkt der Eiskanal so natürlich wie kaum eine andere Sportarena. Auch die Wasserführung ohne aufwändige Pumpensysteme ist heute noch vorbildlich: Einlass ist am Hochablass des Lech; am Ende wird das Wasser einfach wieder in den Lech zurückgeleitet.
Ausgestattet ist die Wettkampfstrecke mit 35 höckerförmigen Strömungskörpern, die den typischen Wildwasser-Charakter erzeugen. Beidseitig gibt es Laufstege, von denen aus auch die Slalomtore aufgehängt werden. Die Wassermenge wird über Wehre reguliert; zusätzlich wurden verstellbare Wasserabweiser eingebaut, mit denen die Wasserführung verändert werden kann.
Die „Mutter aller künstlichen Kanu-Slalom-Strecken“ war seit 1972 immer wieder Austragungsort internationaler Wettbewerbe. 1985, 2003 und 2022 fanden hier Weltmeisterschaften im Kanu-Slalom statt, 1996 die erste Europameisterschaft, 2011 gab es die Weltmeisterschaftspremiere im Wildwassersprint, und 2015 trafen sich erstmals die Cross-Boater zum Europacup.
Bestandsaufnahme: Risse, Abplatzungen, Hohlräume
Phase 1: Abtragen des Betons an den Schadstellen.
© Sakret
Phase 2: Vorbereiten des Untergrunds für die Mineralische Haftbrücke.
© Sakret
Phase 3: Auftragen der Haftbrücke.
© Sakret
Phase 4: Auftragen des Trockenbetons.
© Sakret
Zu Beginn der 2010er Jahre zeigte sich der Eiskanal in keinem optimalen Zustand mehr. Erbaut von 1970 bis 1972, war das Kanalbett aus Stahlbeton angelegt worden, die Strömungskörper jedoch aus Stampfbeton mit einer glatten Feinbetonschicht als Oberfläche. Nun wies die inzwischen 40 Jahre alte Anlage zunehmend Schäden auf. An den Oberflächen der Strömungskörper hatten sich Risse und Abplatzungen gebildet.
2014 wurde daher das Ingenieurbüro für Bauwesen Fischer beauftragt, den Zustand der Anlage im Detail zu prüfen und eine gründliche Sanierung zu planen. Ein erster Schritt war, in sämtlichen Bereichen der Strömungskörper Hohllagen zu ermitteln, zu vermessen und zu markieren. Ergänzende Erkenntnisse gewannen die Ingenieure durch Probeöffnungen und einzelne Probebohrungen. So stellten sie fest, dass die höhere Qualität der Feinbetonschicht (teils bis über 30 N/mm²) gegenüber den Höckern aus Stampfbeton (bis weit unter 10 N/mm²) zu einer Schalenbildung geführt hat. Auch variierten die Druckfestigkeiten des Betons innerhalb des Bauwerks deutlich.
Außergewöhnliche Herausforderungen
In der Planungsphase zeigte sich, dass für die notwendigen Sanierungsmaßnahmen zwei besondere Herausforderungen eine Rolle spielten:
Materialeigenschaften
Eine Gesamterneuerung der Wettkampfbahn stand aus Kostengründen außer Frage und wäre auch nicht nötig gewesen. Die Gesamtoberfläche der Strömungskörper beträgt rund 2.500 Quadratmeter. Davon waren rund 700 Quadratmeter sanierungsbedürftig. Hierfür musste nun ein moderner Beton gefunden werden, der ein möglichst niedriges E-Modul, aber auch eine möglichst hohe Widerstandsfähigkeit gegen Tausalz und Frostangriff etc. aufwies, um dem verbleibenden, angrenzenden Feinbeton möglichst nahe zu kommen. Zusätzlich sollte sich der neue Beton gut mit dem Untergrund aus Stampfbeton verbinden. Hierfür wurde im Labor der Produktentwicklung von Rygol-Sakret, Painten bei Kelheim ein spezieller Trockenbeton entwickelt, der die notwendige Luftporenbildung aufwies, der TB C25/30 LP. Für die sichere Verbindung mit dem Untergrund aus Stampfbeton sorgte die Sakret Mineralische Haftbrücke MHB.
Lieferlogistik
Anders als üblich konnte am Eiskanal kein ausreichendes Materiallager angelegt werden. Zum einen erlaubte es der Landschaftsschutz nicht, vor Ort eine größere Fläche dafür zu nutzen. Zum anderen war im Zuge der Voruntersuchung deutlich geworden, dass der genaue Umfang der Schäden teilweise erst während der Baumaßnahmen beim Öffnen der Strömungskörper feststellbar sein würde. Somit waren die benötigten Materialmengen erst im Zuge der Arbeiten schrittweise bestimmbar.Auch hier zeigte das Unternehmen sich in der Lage, die besonderen Anforderungen zu erfüllen. Trockenbeton und Haftvermittler konnten jederzeit bedarfsweise abgerufen und just-in-time in den benötigten Mengen angeliefert werden.
Die Sanierungsarbeiten im Detail
Im Frühjahr und Sommer dient der Eiskanal Profis wie Amateuren als wichtige Wettkampf- und Trainingsstätte. Eine längere vollständige Schließung hätte den Sportbetrieb daher übermäßig behindert. So verblieben für die Arbeiten jeweils nur die Herbst- und Wintermonate, in denen der Kanal ohnehin trockengelegt wird, um eine ausreichende Wasserführung der Augsburger Stadtbäche zu sichern. Daher wurden unter der Leitung des Ingenieurbüros für Bauwesen Mühldorfer & Ullmann, Neusäß für das Gesamtprojekt vier Lose geplant, die ab September 2017 jeweils von einer ausführenden Firma übernommen wurden.
Um die Strömungskörper später wieder formgetreu modellieren zu können, mussten vor Beginn der Abbrucharbeiten entsprechende Lehren abgeformt werden. An anderen Stellen kamen Höhenprofile zum Einsatz, die von Holzbrücken herabhingen; hier wurden die Konturen teilweise händisch nachgeformt. Dabei konnte man auch auf Wunsch des Bundesleistungszentrums für Kanu-Slalom und Wildwasser in Augsburg einige geringfügige Anpassungen berücksichtigen.
Die eigentlichen Betonarbeiten an den Strömungskörpern unterteilten sich in mehrere Schritte:
(1) Abtragen des Betons an den Schadstellen, bis fester Untergrund ohne loses Gefüge erreicht war: Wo das lose Gefüge allerdings sehr tief reichte, verzichtete man aus wirtschaftlichen Gründen auf einen vollständigen Abtrag. Für diese Bereiche ging man davon aus, dass der reprofilierte Beton bei entsprechender Schichtstärke ausreichend stabil sein würde, um zukünftige Schalen und Abplatzungen zu verhindern.
(2) Vorbereitung des Untergrunds für die Mineralische Haftbrücke MHB: Zunächst waren dafür die betreffenden Oberflächen von Fremdstoffen zu reinigen; im Fall des Stampfbetons war dies jedoch kaum nötig. Zum Auftrag sollte die Unterlage matt feucht sein.
(3) Auftragen der Haftbrücke: Das angemischte Material wurde mit Bürsten oder harten Straßenbesen aufgetragen und eingebürstet. Für einen Quadratmeter waren 2 Kilogramm vorzusehen.
(4) Auftragen des Trockenbetons TB C25/30 LP: Bei manueller Verarbeitung musste der frische Trockenbeton in die frische Haftbrücke eingearbeitet werden. Die Strömungskörper benötigten dabei eine Schichtdicke von mindestens 15 Zentimeter, um bei erneuten Unterspülungen ein Abplatzen zu verhindern.
Zusätzliche Herausforderungen während der Arbeiten waren das kalte Winterwetter, aus den Wehren durchdrückendes Wasser sowie die Notwendigkeit, die flankierenden Grünanlagen des Eiskanals zu schonen. Gegen die Kälte errichteten die ausführenden Firmen bedarfsweise beheizte Einhausungen über den frisch betonierten Strömungskörpern. Eindringendes Wasser musste abgepumpt werden. Besonders aufwändig war der Schutz der ebenfalls denkmalgeschützten, erdmodellierten Zuschauertraversen aus dem Jahr 1972: Dafür verbrachte ein Kran mit 35-Meter-Ausleger das gesamte Material direkt in die Rinne.
Fazit
Die Bauarbeiten blieben im Zeitplan und im Budget; knapp 21 Millionen Euro kostete die Sanierung der denkmalgeschützten Strecke samt Außenanlagen. Mit dem Ergebnis zeigten sich nicht nur die Auftraggeber zufrieden, darunter Oberbürgermeisterin Eva Weber, Sportreferent Jürgen Enninger, Ministerialdirektor Karl-Michael Scheufele und der Präsident des Deutschen Kanu-Verbands Jens Perlwitz. Auch die Sportlerinnen und Sportler sind von der wieder optimal nutzbaren Anlage begeistert: Die Strecke sei schneller geworden und habe ein neues „Feeling“, so die einhellige Meinung.
Sakret Trockenbaustoffe Europa GmbH & Co. KG
– Gesamtlänge 600 Meter
– Wettkampfstrecke 308 Meter
– Breite 10 – 12 Meter
– Tiefe 40 – 120 Zentimeter
– Höhenunterschied 4,1 Meter
– Wassergeschwindigkeit 3 – 6 m/sec
– Wildwasser-Schwierigkeitsgrad WW IV „sehr schwierig“
– Kapazität: 20.000 Zuschauer
Partner des Sanierungsprojektes „Eiskanal“, Augsburg
· Planung, technische Bearbeitung: Fischer Ingenieurbüro für Bauwesen (Manfred Fischer), 86340 Leipheim
· Bauleitung und -überwachung, technische Bearbeitung: Mühldorfer & Ullmann Beratende Ingenieure Partnerschaft mbB (ehem. Walter Ullmann Ingenieurbüro für Bauwesen), 86356 Neusäß
Betonarbeiten
· Bauabschnitt 1 (09 bis 12/2017): Josef Rädlinger Ingenieurbau GmbH, 94575 Windorf
· Bauabschnitt 2 (09 bis 12/2018): Dobler GmbH & Co. KG Bauunternehmung, 87600 Kaufbeuren
· Bauabschnitt 3 (10 bis 12/2019): Gottlob Rommel Bauunternehmung GmbH & Co. KG, 70188 Stuttgart
· Bauabschnitt 4 (10/2020 bis 02/2021): Grimbacher Ingenieurbau GmbH & Co. KG, 86505 Münsterhausen