Meisterliche Tribüne
Sonderschalung und Sichtbeton: Umbau unter komplexen BedingungenDer VfB Stuttgart bezog pünktlich zum Bundesliga-Saisonstart 2023/24 sein frisch modernisiertes Zuhause. Die MHP Arena Stuttgart erstrahlt nach komplexem Umbau der Haupttribüne im neuen Glanz.
Die Arbeiten in der bestehenden Struktur und im laufenden Spielbetrieb erforderten durchdachte Planung.
© Meva Schalungs-Systeme
Mit dem Rückbau des alten Tribünenteils im Sommer 2022 begann das Rennen gegen die Zeit für die ARGE 1893 Ed. Züblin AG/ROM Technik GmbH & Co. KG. Schon ein Jahr später stand die neue Tribüne mit den Sitzreihen für das Publikum zur Verfügung. Im Januar 2024 werden auch alle weiteren Arbeiten abgeschlossen sein. Sportler, Funktionäre und über 60.000 Zuschauer finden dann eine meisterwürdige Manege vor. Und wenn im Juni 2024 die Fußballwelt für fünf Spiele der Europameisterschaft nach Stuttgart blickt, wird nichts mehr daran erinnern, dass hier unter Hochdruck, in der bestehenden Struktur und im laufenden Spielbetrieb, am infrastrukturellen Herzen des Stadions operiert wurde.
Von außen sind nur die neuen Publikumsränge sichtbar, doch im Bauch der Haupttribüne entstand vieles mehr: ein Sportlertrakt mit Mannschaftskabinen, Funktionsräume für Offizielle, Pressesaal und Mediencenter, TV-Studios, eine Restaurant-Küche, Haustechnikbereiche, Sanitärräume und Aufzüge. Die Erschließung der Tribüne wird nach hohen Sicherheitsstandards optimiert. In einem exklusiven Businessbereich kommt das Publikum künftig den Stars auf deren Weg zwischen Kabine und Spielfeld ganz nah.
Zeitdruck und Platznot
Die Zahnbalken wurden aus Platzgründen vor Ort betoniert und dienen als Querträger für Tribünenflächen aus Fertigbetonelementen.
© Meva Schalungs-Systeme
Insbesondere das knapp bemessene Zeitfenster war eine Herausforderung. Jede Woche zählte, denn eine um Tausende Plätze reduzierte Kapazität für Zuschauer und Business-Bereiche kostet wertvolle Einnahmen. Durch einen hohen Vorfertigungsgrad konnte das erfahrene Bauteam bestmöglich unterstützt werden.
Zwischen Rasen und Tribünen bestand kaum Platz für Materiallagerung und Transport. Hier half nur penible Baustellenlogistik. Die Komplexität der vielen unterschiedlichen Baukörper erforderte umfangreiche Vorbereitung: Mehr als 100 Schalpläne und eine Fülle von Montageplänen für Sonderschalungen wurden von Meva erstellt. Erheblich war auch der Aufwand vor jedem Spiel: Die Baustelle musste geräumt, gesichert und hinter Abdeckungen versteckt werden. Im Innenraum war der Einsatz von Hochbaukränen nicht möglich, daher wurden viele mobile Hebegeräte genutzt.
Ein Großteil der noch laufenden Schalarbeiten findet im Bestand statt, oft in schwer zugänglichen Bereichen unter vorhandenen Decken. Die Innenwände des Tribünenkörpers entstanden auf engstem Raum und, aus Zeitgründen, parallel zu den Zuschauerrängen. Die leichte und stabile Handschalung AluStar spielte hier ihre Stärken aus: Leichtigkeit, Robustheit, einfache Handhabung.
Wo Kranhilfe vom Stadion-Außenbereich aus möglich war, wurde mit den leistungsstarken Wandschalungen Mammut 350 und Mammut XT gearbeitet. Beim Bau der neuen Zugänge und Freitreppen erwies sich Mammut 350 als ideal: Mit dem stimmigen, symmetrischen Fugen- und Ankerbild und der serienmäßigen alkus Vollkunststoff-Platte wurde hohe Sichtbetonqualität erzielt. Mit Mammut XT wurden vier jeweils 9 m hohe Leitwände für Treppen errichtet: Trotz Wandstärke 72 cm war hier einseitiges Ankern mit eingezogenen Spannstellen problemlos möglich.
Traggerüste clever kombiniert
Die Traggerüste MEP und MT 60 erleichterten dank ihrer Flexibilität die Arbeit, zum Beispiel bei der Unterstützung von Überhängen und Decken, die erhalten werden sollten oder zurückgebaut werden mussten, um Treppenhäusern und Aufzugschächten Platz zu machen. Entsprechende Kon-struktionen wurden mit MT 60, Triplex-SB-Schwerlaststützen und EuMax-Baustützen errichtet. MT 60 wurde auch beim Bau von Decken D = 40 cm mit Unterzügen und Rüsthöhen von 5 bis 8 m genutzt, häufig in Kombination mit MEP. Decken mit Rüsthöhen unter 5 m wurden mit MevaFlex unterstützt.
Zahnbalken und V-Stützen
50 cm breite V-Stütze unter 70 cm breitem Zahnbalken.
© Meva Schalungs-Systeme
Im Frühjahr 2023 wurden 24 markante Zahnbalken unterschiedlicher Ausmaße vor Ort betoniert. Zwei davon sind direkt mit den Brüstungen des neuen Spielertunnels verbunden. Die Zahnbalken nehmen als Querträger die aus Fertigbetonelementen bestehenden Tribünenflächen auf. Die Schalung war mit Standardsystemen nicht möglich, daher konstruierte Meva eine spezielle Lösung. Die Abteilung für Sonderschalungsbau plante die Zahnungen mithilfe Hunderter Sonder-Holzelemente in Dutzenden unterschiedlichen Abmessungen. So wurden zunächst 3D-Modelle erstellt, auf deren Grundlage die Sonderschalung schnell entstehen konnte.
Alle Zahnbalken verfügen über Abstufungen unterschiedlicher Tiefe. Auch Abstände und Höhen der Sitzreihen differieren, da die Tribünenneigung von rund 30 ° unten auf fast 40° oben ansteigt. Daher weisen die Zahnbalken Krümmungen auf. Nach Aufbau der Stellschalung (Mammut 350) wurden teils MEP-Traggerüst-elemente und die unteren Sonderelemente – die Bodenkästen – installiert. Dann wurde bewehrt, die oberen Deckelkästen an speziellen Halterungen fixiert, die Schließschalung gestellt und der Beton über oben liegende Öffnungen in den Deckelkästen eingegossen.
Problemlos verlief auch die Betonage von vier V-förmigen, 50 cm breiten Stützen. Auf ihnen lagern 70 cm breite Zahnbalken. Um die Breitendifferenz auszugleichen, wurden die Mammut-350-Elemente für Stell- und Schließschalung um je 10 cm mit Holz aufgedoppelt. Stellschalung aufgebaut, Einlagekisten fixiert, Bewehrung und Schließschalung montiert, betoniert. Dann wurde im oberen Bereich die Schließschalung entfernt, Bewehrung und Sonder-Holzelemente für die Betonage der aufliegenden Zahnbalken gestellt, Schließschalung geankert, Beton eingegossen. Die V-Stützen und Zahnbalken erstrahlen in Sichtbetonqualität über der vom Bauherrn geforderten SB2-Güte. Sie reihen sich ins makellose Gesamtbild der MHP Arena Stuttgart ein.