Schritt für Schritt zum virtuellen Fließband
Wolff & Müller überzeugt mit DigitalisierungsstrategieFür seine Digitalisierungsoffensive hat Wolff & Müller beim diesjährigen Deutschen Baupreis den Sonderpreis Digitalisierung gewonnen. Oberstes Ziel der Offensive: das virtuelle Fließband.
„Wir müssen unsere Digitalisierung vorantreiben“: Ein Satz, der derzeit wohl aus jedem Wirtschaftszweig und jedem Unternehmen stammen könnte. Doch was genau ist mit Digitalisierung gemeint? Was wird bezweckt, welche Abläufe sollen mit welchen Werkzeugen und Methoden transformiert werden? Darauf muss jedes Unternehmen seine eigenen Antworten finden. Das Stuttgarter Bauunternehmen Wolff & Müller beschäftigt sich damit kontinuierlich. Um das Bewusstsein zu schärfen und Digitalisierung als zweite strategische Säule neben Nachhaltigkeit zu verankern, hat das Unternehmen in den Jahren 2021 und 2022 eine Digitalisierungsoffensive gestartet. Im ersten Schritt wurde das Ziel definiert, das mit der Digitalisierungsstrategie erreicht werden soll: das virtuelle Fließband.
1 BIM spielt bei der Digitalisierung von Wolff & Müller eine wichtige Rolle. Das Unternehmen setzt immer mehr BIM-Anwendungsfälle ein
© Wolff & Müller / Swen Carlin
Was ist das virtuelle Fließband?
Das virtuelle Fließband steht für einen Zustand, in dem alle notwendigen Informationen und Software-lösungen digital zur Verfügung stehen und die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter optimal unterstützen. Das Band symbolisiert die Prozesse. Es transportiert die Daten, die mit jedem Schritt immer reicher an Informationen und Kontext werden und dadurch immer wertvoller für Mitarbeiter, Baupartner und Kunden. Der Motor des Bandes ist die Software und IT-Systemarchitektur – sie bewegen und steuern den Prozessfluss. Alle Prozesse bei Wolff & Müller sind in einer Prozesslandschaft festgehalten. Sie ist der Ansatzpunkt für Digitalisierung und Automatisierung. Welche Anforderungen Daten, IT-Systemarchitektur und Prozesse für das virtuelle Fließband übergeordnet erfüllen müssen, zeigt Abbildung 2.
2 Daten, Systemarchitektur und Prozesse müssen für das virtuelle Fließband bestimmte Voraussetzungen erfüllen
© Wolff & Müller
Wie wird das virtuelle Fließband erreicht?
Die ersten Schritte zum virtuellen Fließband haben die Führungskräfte von Wolff & Müller zu Beginn der Digitalisierungsoffensive gemeinsam verabschiedet (Abbildung 3). Wichtig war dabei unter anderem, die Bedürfnisse aller Anspruchsgruppen – Mitarbeiter, Kunden, Baupartner sowie Umwelt und Gesellschaft – im virtuellen Fließband zu verankern. Um diese Schritte zu realisieren, spielten vier Faktoren eine große Rolle:
Das Leitbild: Darin hielt Wolff & Müller fest, was konkret erreicht werden soll. Zum Beispiel: Alle Informationen und Softwarelösungen, die das Unternehmen zur Ausführung seiner Prozesse braucht, sollen digital verfügbar sein, sodass die Mitarbeiter optimal damit arbeiten können – unabhängig von ihrem Standort.
Der Weg: Alle Prozesse sollen so gestaltet sein, dass sie zum virtuellen Fließband führen. Die Digitalisierungsoffensive verstand sich als Plattform, auf der die Digitalisierungs- und Automatisierungspotenziale im Unternehmen herausgearbeitet und aufgezeigt wurden. Dabei übernahm das Kernteam der Offensive die zentrale Koordination. Es ordnete die Maßnahmen Zeiträumen zu, hielt Prioritäten fest und erfasste den Mehrwert.
Die Maßnahmen: Die Maßnahmen selbst entstanden in regem Austausch mit den verschiedenen internen Einheiten, zum Beispiel in Workshops. Sie wurden in einem Katalog zusammengefasst. Über das Intranet konnten die Mitarbeiter ihre Ideen und Optimierungen einbringen. Es gab auch einen internen Wettbewerb, in dem jeden Monat eine Maßnahme und das Team, aus dem sie stammt, als Gewinner gekürt wurden.
Die Kennzahlen: Monatliche Kennzahlen wurden erhoben, um objektiv und transparent zu messen, wo das Unternehmen auf dem Weg zum virtuellen Fließband steht. So lassen sich Stärken, Schwächen und Fortschritte verfolgen. Jede Einheit kann die aktuellen Kennzahlen im Intranet einsehen. Zwei Beispiele: Die Zahl der registrierten Baupartner im Online-Baupartnerportal zeigt, wie gut das Portal angenommen und genutzt wird. Die durchschnittliche Zahl der VPN-User zeigt, wie hoch die Quote beim mobilen Arbeiten ist.
Roadmap: Die Ergebnisse der letzten Jahre sind in einer agilen Roadmap festgehalten worden, die den Weg zum virtuellen Fließband beschreibt. Sie unterteilt sich in Meilensteinen, teilt darin vorhandene sowie kommende Maßnahmen zu, beschreibt Abhängigkeiten, zeigt den Weg auf und gibt Auskunft über den digitalen Reifegrad von Wolff & Müller.
3 Zehn Schritte zum virtuellen Fließband
© Wolff & Müller
Was bedeutet Digitalisierung für den einzelnen Mitarbeiter?
Obwohl es viel um IT geht, bleibt der Mensch der zentrale Faktor. Jede neue Entwicklung soll die Arbeit der Mitarbeitenden konkret unterstützen (Abbildung 4). Zuerst wird der Arbeitsalltag festgehalten und überlegt, wie sich die Abläufe standardisieren lassen. Ist ein Standard in der Prozesslandschaft festgehalten, kann der Prozess digitalisiert oder digital transformiert werden. Stehen die Grundlagen dafür fest, kann über eine Automatisierung nachgedacht werden. Doch auch sie muss stets den Anforderungen der Arbeit sowie Rahmenbedingungen wie der IT-Security entsprechen. Die Reihenfolge ist wichtig, damit neu eingeführte Methoden und Tools auf den Baustellen und in den Büros wirklich nützlich sind und von den Mitarbeitern akzeptiert und angewendet werden.
4 Jede neue Entwicklung soll die Arbeit der Mitarbeitenden konkret unterstützen
© Wolff & Müller
Gibt es konkrete Beispiele?
Ein konkretes Beispiel ist das digitale Planen und Bauen mit BIM. BIM-Prozesse werden durch Tools wie Desite, Dalux, Revit oder iTWO ermöglicht. Wolff & Müller nutzt BIM für immer mehr Anwendungsfälle. Während etwa Visualisierung, Kollisionsprüfung oder Mengenermittlung schon Klassiker sind, kamen andere Fälle wie Mängelmanagement, Fotodokumentation und Planmanagement neu hinzu.
Ein weiteres Beispiel betrifft die Personalprozesse. Hier sind zwei Einheiten zuständig: die zentrale Personalabteilung und die Wolff & Müller Personalentwicklung GmbH (WMPE). Die WMPE ist eine eigens gegründete Dienstleistungsgesellschaft, die sich auf die Entwicklung und Weiterbildung der Mitarbeitenden sowie die Digitalisierung von Personalprozessen fokussiert. Für die Stammdatenverwaltung und Entgeltabrechnung wird die Software SAP HCM eingesetzt. Die Betreuung und Weiterentwicklung läuft über Magellan, eine von der Firma GuideCom entwickelte digitale Lösung. Wolff & Müller ist Entwicklungspartner von GuideCom und hat mit der Zeit immer mehr Magellan-Module und weitere Funktionalitäten eingeführt. In Magellan gibt es mittlerweile auch einige Self-Services – also Funktionen, die von den Mitarbeitern selbst bedient werden können. Beispiele sind die Anträge auf ein Arbeitszeugnis oder Elternzeit.
Wie lautet das Fazit?
Die Bilanz nach zwei Jahren Digitalisierungsoffensive: In zahlreichen Workshops, Mitarbeiterumfragen und internen Fachtagungen hat das Unternehmen an seiner Digitalisierung gearbeitet. 400 Maßnahmen sind entstanden, über 300 davon abgeschlossen und 120 Entwicklungsprojekte vollendet. Damit ist bereits an vielen Stellen ein Schritt in Richtung virtuellem Fließband erreicht. Auf dem Weg zur digitalen Transformation unterscheidet das Unternehmen drei Stufen: Rund 40 Prozent der Maßnahmen haben Standards geschaffen, 54 Prozent dienten der Digitalisierung und rund 6 Prozent zahlen auf die Automatisierung der Prozesse ein.