Bahnhof und Pflaster mit besonderer Funktion
Nach welchen Kriterien sollte die Umnutzung eines historischen Bahnhofes und dessen Umfeld in einem Mittelzentrum mit rund 33.000 Einwohnern erfolgen? Vor dieser Frage standen die verantwortlichen Planer im sächsischen Radebeul, als man vor einigen Jahren eine Neuordnung des gesamten Bahnhofsumfeldes vorsah. Heute - nach Abschluss der Bauarbeiten - ist erkennbar, dass bei der Planung des neuen Stadtzentrums Radebeul-Ost besondere Maßstäbe gegolten haben müssen.
Von vorne herein stand fest, dass das Bahnhofsgebäude aus dem Jahre 1900 in einen Kulturbahnhof umfunktioniert werden soll. Im Jahre 2011 wurden neue Bahnsteige erschlossen und somit die Verkehrsanbindung vom Bahnhofsgebäude auf die daneben liegende S-Bahn-Haltestelle verlegt. Damit war der Weg frei, das Bahnhofsgebäude einer neuen Nutzung zuzuführen: Während im Westflügel schon seit längerer Zeit die Stadtbibliothek eingezogen war, wurde ab 2012 die Wartehalle und der Ostflügel des Jugendstil-Baus saniert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Die zu DDR-Zeiten verschlossene Kuppel über der Wartehalle wurde freigelegt und lässt durch die Fenster wieder Licht herein. Auch die historischen Bögen an der Decke wurden sichtbar gemacht und lassen ein völlig neues Raumgefühl entstehen. Die Stadt Radebeul plant diesen Mehrzweckraum künftig für Kulturveranstaltungen zu nutzen. Im Ostflügel zieht nach Ende der Sanierungsmaßnahme die Volkshochschule ein.
Aus Bahnhof wird Kulturbahnhof
Aber auch das Umfeld des Bahnhofs wurde komplett umgestaltet: Hierzu zählt der Neubau eines REWE-Einkaufsmarktes mit Parkhaus neben der Stadtbibliothek, die gegenüberliegende Wohnanlage der „Sidoinienhöfe“ sowie die Neuanlage aller angrenzenden Verkehrsflächen. Dass auch diese nach besonderen Maßstäben geplant wurden, erläutert Ralf Sonntag vom Ingenieurbüro IPROconsult GmbH aus Dresden: „Das gesamte Umfeld sollte zusammen mit dem Bahnhof eine architektonische Einheit bilden. Die Flächenplanung sah es vor, das historische Flair des Hochbaus durch geeignete Beläge für Fahrbahn und Gehwege zu unterstützen. Für deren Befestigung schied deshalb Asphalt von vorne herein aus“, so Sonntag.
Gesucht war aber ein Belag, der mehrere Funktionen erfüllte: Er sollte sowohl zum historischen Ambiente des Bahnhofs, als auch zum modernen Neubau der Einzelhandelsumgebung passen. Darüber hinaus bestand eine weitere Anforderung in bestimmten funktionalen Eigenschaften, die die Flächenbefestigung zu erfüllen hatte: Hierzu Ralf Sonntag: „Der neue REWE-Supermarkt wird täglich von schweren LKW beliefert. Neben der üblichen Verkehrsbelastung durch PKW werden daher die Verkehrsflächen rund um das neu befestigte Areal besonders stark durch Schub- und Scherkräfte belastet, die beim Rangieren der LKW entstehen. Deshalb suchte man nach einem Pflasterbelag, der dieser Belastungssituation dauerhaft gewachsen ist“, erklärt Sonntag.
Flächen sollen attraktiv und stabil sein
Die Entscheidung für die rund 4.000 m² zu befestigenden Flächen fiel auf das Einsteinpflaster der Firma Angermüller aus dem Betonwerk Bad Lausick. Aus optischen Gründen setzten die Planer verschiedene Formate und Formen ein. Hierzu Ralf Sonntag: „Auf den Gehwegen kamen größere Steine im Format 20 x 30 cm zum Einsatz. Diese wurden in einem - extra für dieses Objekt gefertigten - Gelbton produziert, der den Farbton der Bahnhofsfassade aufgreift und auf der Fläche fortführt. Die Fahrbahnen zwischen Bahnhof und Supermarktbereich dagegen wurden mit etwas kleineren Steinen im Format 16 x 24 cm verlegt. Farblich in hellem grau gehalten unterstreichen diese wiederum sehr gut die moderne Architektur des REWE-Marketes.“
Erfüllt diese Art der Flächenbefestigung aber auch die gestellten Anforderungen an die hohe Verkehrsbelastung? Ralf Sonntag beruhigt: „Das Gute an diesem vermeintlich ganz gewöhnlichen Rechteckpflaster ist die im verborgenen stattfindende Verbundtechnologie, die man auf den ersten Blick gar nicht erkennt.“ In der Tat: Das Systempflaster ist mit Verbundnockenpaaren versehen, die alle soweit unterhalb der Steinoberkante enden, dass sie selbst bei nicht ganz gefüllter Fuge unsichtbar sind. Entscheidend für die Stabilität der Fläche ist die D-Punkt-Fugensicherung, die dafür sorgt, dass es bei der Verlegung der Steine nur zu einer punktuellen, minimalen Berührung an den Steinunterkanten kommt. Der Anteil der Fläche, an dem sich die Steine berühren bleibt deshalb sehr gering. Die meist übliche Knirsch- oder Pressverlegung mit relativ großen Beton-Kontaktflächen wird so vermieden, eine ordentliche Fuge ist gewährleistet und damit auch eine optimale Kraftübertragung zwischen den Steinen. Sonntag: „Schub- und Horizontalkräfte, die der Verkehr auf den neuen Flächen verursacht, werden über das Fugenmaterial abgepuffert und gleichmäßig in die Tragschichten weitergeleitet. Damit erfüllt dieser Belag sehr gut unsere Anforderungen an die Belastbarkeit der Fläche.“⇥■
Einstein Fugentechnik
Im September 2013 wurden die neuen Flächen Ihrer Bestimmung übergeben. Die Planer zeigen sich so zufrieden, dass auch der im kommenden Jahr noch zu bauende Park + Ride Parkplatz mit überdachten Stellflächen für 100 Fahrräder im Eingangsbereich zu den Bahnsteigen mit dem Einstein Systempflaster befestigt wird. Dass das gesamte Sanierungsprojekt Radebeul-Ost heute schon ein Erfolg ist, beweist aber auch eine besondere Auszeichnung: Im Rahmen des Wettbewerbes „Sächsischer Staatspreis für Baukultur 2013“ erfuhr das Projekt eine besondere Anerkennung.