Besondere Fachkenntnisse gefordert!
Professor Dr. jur. Gerd Motzke griff während der Beton-Insta in Dresden das Thema der beschränkten Ausschreibung im Baurecht nach VOB/A auf und begründete, warum diese bei der Betoninstandsetzung zulässig ist.
Nach wie vor herrscht Unsicherheit in der Branche, ob Schutz- und Betoninstandsetzungsarbeiten beschränkt ausgeschrieben werden können oder nicht. Professor Dr.-jur. Gerd Motzke griff das Thema während der Beton-Insta 2011 im Rahmen eines Vortrags auf und erläuterte die „Beschränkte Ausschreibung im Baurecht nach VOB/A im Bereich Betoninstandsetzung“ aus juristischer Sicht. Seine Einschätzung: Beschränkte Ausschreibungen bei der Betoninstandsetzung sind zulässig, da für Arbeiten in der Betoninstandsetzung besondere Anforderungen an die Qualifikation von Personal und Betrieb sowie an die betriebliche Ausstattung bestehen. Damit sind die in den einschlägigen technischen Regelwerken DIN-EN 1504-9 und Instandsetzungs-Richtlinie genannten Voraussetzungen gegeben.
Professor Motzke, Rechtsanwalt und Honorarprofessor für Zivil- und Zivilverfahrensrecht der Universität Augsburg, stellte in seinem Vortrag zunächst die grundsätzlichen Voraussetzungen vor, die erfüllt sein müssen, um das Verfahren der beschränkten Ausschreibung einleiten zu können. Nach Definition der charakteristischen Merkmale der Betoninstandsetzung ging er anschließend detailliert auf die Zulässigkeit der Vergabeart ‚beschränkte Ausschreibung nach Abschnitt 1 der VOB/A im Bereich der Betoninstandstandsetzung’ ein.
Sein Fazit: Gerade die für die Betoninstandsetzung notwendigen besonderen Fachkenntnisse und umfassenden Erfahrungen rechtfertigen eine beschränkte Ausschreibung. Diese werden in den einschlägigen technischen Regelwerken formuliert. Während sich dabei die DIN-EN 1504-9 noch recht allgemein mit der Fachkompetenz des Personals beschäftigt - demnach muss der die Arbeiten ausführende Unternehmer ein Qualitätsmanagement anwenden, um sicherzustellen, dass die festgelegten Qualitätsanforderungen erfüllt und geeignete Maßnahmen durchgeführt werden – werden die Anforderungen in der Instandsetzungsrichtlinie sehr konkret benannt.
Anforderungen der einschlägigen technischen Regelwerke
Nach Teil 3 der Instandsetzungs-Richtlinie muss ein Betrieb, der Betoninstandsetzungsarbeiten durchführt, über eine qualifizierte Führungskraft, einen Bauleiter und Baustellenfachpersonal verfügen. Diese Mitarbeiter müssen aufgrund ihrer Erfahrung und Kenntnisse in der Lage sein, die ordnungsgemäße Ausführung, Überwachung und Dokumentation der Instandsetzungsmaßnahme zu gewährleisten. Dabei kommt vor allem der qualifizierten Führungskraft eine hohe Verantwortung zu. Zu ihrem Aufgabenbereich gehören die Prüfung der Leistungsbeschreibung, die Planung der Arbeitsabläufe, sowie die Auswertung, Überwachung und Schlussfolgerungen aus den Überwachungsergebnissen. Da die qualifizierte Führungskraft auch die Aufgaben des sachkundigen Planers übernehmen kann, muss sie über einschlägige Ingenieur-Kenntnisse verfügen.
Die Ausführung der Instandsetzungsarbeiten ist von einem Bauleiter zu leiten. Zusätzlich muss auf der Baustelle ständig ein Fachmann anwesend sein, der über betontechnische und andere baustofftechnische Kenntnisse, Fertigkeiten und praktische Erfahrungen verfügt. Diese Spezialisierung ist durch eine spezielle Bescheinigung nachzuweisen. Das Fachpersonal muss in einem Abstand von höchstens drei Jahren entsprechend geschult werden. Außerdem bestehen besondere Anforderungen an die Geräteausstattung, die eine fachgerechte Ausführung der Arbeiten sowie die Ermittlung der geforderten Eigenschaften der Baustoffe und die Überprüfung der Arbeitsergebnisse ermöglichen.
Beschränkte Ausschreibung nach vorausgegangenem öffentlichen Teilnahmewettbewerb
„Diese besonderen Anforderungen an die personelle und technische Ausstattung der Ausführungsbetriebe,“ stellte Motzke fest, „rechtfertigen eine beschränkte Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb.“ Diese Vergabeart komme insbesondere dann in Betracht, wenn
- die Leistung auf Grund der bestehenden hohe Qualitätsanforderungen Anforderungen nur von einem eingeschränkten Kreis von Unternehmen ausgeführt werden kann
- die Bearbeitung des Angebots wegen der besonderen Art der geforderten Leistung einen außergewöhnlich hohen Aufwand erfordert.
Dies sei in der Betoninstandsetzung, so Motzke, nach den Anforderungen der Instandsetzungs-Richtlinie der Fall: „Allgemein liegen die Voraussetzungen für eine beschränkte Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb dann vor, wenn das in gewöhnlichen, normalen Ausbildungsgängen Vermittelte nicht ausreicht, um der gestellten Aufgabe ordnungsgemäß gerecht zu werden.“ Motzke weiter: „Die in der Instandsetzungs-Richtlinie Teil 3 aufgestellten Forderungen an die personelle Ausstattung eines Ausführungsbetriebes verdeutlichen, dass das gewöhnliche, üblicherweise in Ausbildungsgängen vermittelte Wissen gerade nicht ausreicht.“ Er verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass ein Ausführungsbetrieb gewöhnlich keine qualifizierte Führungskraft nachweisen muss. „Allein schon diese personelle Anforderung verdeutlicht, dass nur ein beschränkter Kreis von Unternehmen in Betracht kommt.“
Durchführung
Wird eine beschränkte Ausschreibung nach vorausgegangenem öffentlichen Teilnahmewettbewerb durchgeführt, erfolgt die Auswahl der Bieter in einem förmlichen Verfahren. Potentielle Teilnehmer werden durch eine Bekantmachung nach § 12 Abs.2 VOB/A etwa in Tageszeitungen, Amtsblättern oder Internetportalen zur Teilnahme aufgefordert. Die Inhalte der Bekantmachung sind in §12 Abs.1 NR.2 VOB/A dargestellt. Aus den Bewerbern sucht der Auftraggeber entsprechend den Kriterien von
§ 16 Abs. 2 VOB/A jene Firmen aus, die er auf Grund ihrer Qualifikation für geeignet hält, den Auftrag fachgerecht auszuführen und fordert diese auf, ein Angebot einzureichen. Die Auswahl wird über eine Negativauslese getroffen: Bieter, an deren Eignung Zweifel bestehen, scheiden aus und werden nicht aufgefordert, ein Angebot abzugeben.
Beschränkte Ausschreibung ohne vorausgegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerb
Grundsätzlich ist nach Motzke aber auch die beschränkte Ausschreibung ohne vorausgegangenen öffentlichen Teilnahmewettbewerb zulässig. Hier erfolgt die Auswahl der Bieter in einem nicht förmlichen Verfahren. Dabei wählt der Auftraggeber selbst diejenigen Bewerber aus, die er zur Angebotsabgabe auffordert. Das Verfahren ist jedoch an bestimmte Vorrausetzungen gebunden. Es ist nur möglich, wenn
- Der Auftragswert bestimmte Summen nicht überschreitet. Das sind
- 50.000 € bei Ausbaugewerken (ohne Energie- und Gebäudetechnik), Landschaftsbau und Straßenausstattung,
- 150.000 € im Tief-, Verkehrswege und Ingenieurbau,
- 100.000 € bei allen übrigen Gewerken,
- eine öffentliche Ausschreibung kein annehmbares Ergebnis erbracht hat
-eine öffentliche Ausschreibung etwa aus Gründen der Geheimhaltung oder Dringlichkeit nicht zweckmäßig ist
Motzke nahm in seinem Vortrag außerdem Stellung zu zwei Sonderformen der beschränkten Ausschreibung: Betoninstandsetzungsarbeiten mit einem Volumen von mehr als 4.485.000 Euro und Betoninstandsetzung im Bereich der Sektoren.
Betoninstandsetzungsarbeiten mit einem Volumen von mehr als 4.485.000 Euro
Bei einem Auftragswert von 4.485.000 Euro und mehr ist das Kartellvergaberecht nach §§ 97 ff GWB gültig. Das bedeutet: Es gibt es nur eine beschränkte Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb (§3 a Abs.1 Nr. 2 VOB/A). Diese Vergabeart wird „Nichtoffenes Verfahren“ genannt. Die Zulässigkeit bestimmt sich nach denselben Kriterien wie bei der beschränkten Ausschreibung nach vorausgegangenem öffentlichen Teilnahmewettbewerb § 3 Abs. 4 VOB/A bereits beschrieben. Das nichtoffene Verfahren kommt außerdem in Betracht, wenn ein offenes Verfahren oder ein nicht-offenes Verfahren in zulässiger Weise aufgehoben wurde.
Potentielle Teilnehmer sind durch Bekanntmachung zu informieren und zur Teilnahme am Wettbewerb aufzufordern. Dabei kann der Auftraggeber jedoch die Zahl der Teilnehmer am Wettbewerb begrenzen. Er hat die Möglichkeit, bereits in der Bekanntmachung die von ihm vorgesehenen objektiven und nicht diskriminierenden, auftragsbezogenen Kriterien und die vorgesehene Mindestanzahl, ggf. auch die Höchstzahl der einzuladenden Bewerber anzugeben.
Grundsätzlich müssen jedoch mindestens fünf Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Die Zahl der aufgeforderten Bewerber muss einen echten Wettbewerb sicherstellen.
Wie bei der beschränkten Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb müssen Bewerber sich einer Eignungsprüfung unterziehen und nachweisen, dass sie die entsprechende Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen sowie über ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel verfügen, um die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen zu gewährleisten.
Betoninstandsetzung im Bereich der Sektoren
Für Betoninstandsetzungsarbeiten im Bereich der Sektoren (nach § 1 SektVO Tätigkeiten auf dem Gebiet der Trinkwasser-, oder Energieversorgung oder des Verkehrs) gilt die SektVO sofern der Auftragswert mindestens 4.485.000 Euro oder mehr erreicht. Die SektVO unterscheidet zwischen drei Vergabeverfahren:
- Offenes Verfahren
- nicht offenes Verfahren mit Bekanntmachung und
- Verhandlungsverfahren mit Bekanntmachung.
Dabei entspricht das nicht offene Verfahren mit Bekanntmachung der beschränkten Ausschreibung nach Teilnahmewettbewerb bzw. dem nichtoffenen Verfahren. Der Auftraggeber hat jedoch den Vorteil, dass er zwischen den einzelnen Vergabearten frei wählen kann. Es müssen für die Entscheidung zugunsten des nichtoffenen Verfahrens mit Bekanntmachung keine besonderen Gründe vorliegen.