Chancen durch Prozessoptimierung
Das Fachmagazin THIS und der Lehrstuhl für Bauprozessmanagement und Immobilienentwicklung der TU München kürten das „Bauunternehmen des Jahres“. Die Auswertung der Teilnehmer-Fragebögen brachte interessante Ergebnisse.
Anders als in der Sachgüter produzierenden Industrie ist bei Immobilien eine Serienfertigung samt damit verbundenen Produktoptimierungen nicht möglich. Ein Bauwerk besteht aber aus vielen einzelnen Bauteilen, die keine Unikate sind. Da viele Bauteile und Prozesse in den meisten Bauwerken sich gleichen, lässt sich ein Serieneffekt prozessbezogen ableiten und standardisieren. Das ermöglicht eine Optimierung, etwa durch den Einsatz unternehmensspezifischer Verfahrensweisen und entsprechende Schulungen von Mitarbeitern.
Wettbewerbsvorteil durch Prozessmanagement
Bauunternehmen können also ihre Wettbewerbsfähigkeit durch Optimierung standardisierter Prozesse und der damit verbundenen günstigeren Kostenstrukturen steigern. Die Dienstleistung „Bauen“ erfordert damit ein hohes Maß an Problemlösungskompetenz und kann in diesem Sinne als „wissensintensive Dienstleistung“ gelten, auch wenn die Bauunternehmen nach wie vor Stoffe wie etwa Beton, Stahl, Glas oder Teppichboden im Zuge der Erbringung dieser Dienstleistung verkaufen.
Unterschiedliche Kostenstrukturen
Wenn zwei Bieter im Wettbewerb um die Realisierung eines Bauprojektes anbieten, werden Bieter 1 und der Bieter 2 die Einzelkosten der Teilleistungen (EKT) ungefähr gleich kalkuliert haben. Bauverfahren, Stoffe und Produktivitätsansätze können sich nicht wesentlich unterscheiden. Es könnte allerdings sein, dass die Unternehmen in ihrer Organisation unterschiedlich aufgestellt sind, was unterschiedliche Allgemeinen Geschäftskosten (AGK) zur Folge hat.
Das wiederum könnte bedeuten, dass ein Unternehmen nicht für dieses Projekt geeignet wäre, weil es eben viele weitere Kompetenzen vorhält, die zwar nicht benötigt werden, vom Bauherrn dennoch bezahlt werden müssten. Auch die Projekt-gemeinkosten (PGK) für Steuerung und Leitung auf Projekteben können höher sein.
In der Konsequenz wäre dadurch dieses Unternehmen entsprechend Abb. 1 bei gleicher Leistung teurer als das andere. Es liegt demzufolge für einen Bauherrn kein Grund vor, bei Eignung beider Unternehmen nicht das niedrigste Angebot zu beauftragen. Die Konsequenz daraus ist, dass die Prozesse und damit die Kostenseite optimiert werden müssen. Der Bauherr „belohnt“ damit das Unternehmen, das sich intern besser aufgestellt hat.
Optimierungspotentiale
Untersuchungen zeigen, dass Materialsuche, unnötige Wege, Transporte, Abwesenheit von Arbeitskräften, störungsbedingte Unterbrechung, Aufräum- und Umräumarbeiten etc. enorme Fehlzeiten auf Baustellen verursachen. Für die eigentliche Haupttätigkeit bleiben nur 30,9 Prozent der Arbeitszeit. Solange diese Potenziale, die über einen kalkulierten Gewinn von ein bis drei Prozent weit hinausgehen, nicht ausgeschöpft werden, bleibt die Kritik vieler Bauunternehmen, dass der Preiswettbewerb ruinös sei, unglaubwürdig.
Die Umsatzrendite im deutschen Bauhauptgewerbe ist in Abb. 2 dargestellt. Sie liegt für kleinere Unternehmen im Bereich bis zu fast 15%. Bei größeren Unternehmen beträgt die Umsatzrendite nur um die 2%, also ähnlich niedrig wie in der Lebensmittelindustrie.
Bauunternehmen des Jahres
Über zwei Dutzend deutsche Bauunternehmen haben sich dem von THIS ausgelobten Wettbewerb gestellt. Die Anzahl der gewerblich Beschäftigten reicht von 6 bis 7.414, wobei die Zahl 6 hier nicht zum kleinsten teilnehmenden Bauunternehmen des Wettbewerbs gehört, sondern zu einem Unternehmen, dass verstärkt auf Subunternehmer setzt.
Der Fragebogen „Bauunternehmen des Jahres“ deckt sämtliche Bereich des Unternehmens ab (Abb. 5) und geht auf die Branchenspezifika ein. 92% der Wettbewerbsteilnehmer sind primär als Hauptauftragnehmer am Baumarkt tätig. Die Organisation und Unternehmensgröße unterscheidet sich allerdings erheblich im Teilnehmerkreis (vergleiche Abb. 4 und Abb. 6).
Im Arbeits- und Gesundheitsschutz warten einige Teilnehmer mit einem hohen Maß an präventiven Maßnahmen für ihr Personal auf. Viele Tausend Euros werden hierbei in die Gesundheit der Mitarbeiter investiert – von Gesundheitsprämien über Sportkurse mit externer Fachunterstützung, innerbetriebliche Mitarbeiterberatung, Arbeitsplatzausstattung bis hin zu Mitarbeitererfolgs-Beteiligungsmodelle.
Überdurchschnittliche Problemlösungs-Kompetenz
Die Dienstleistung „Bauen“ erfordert ein hohes Maß an Problemlösungskompetenz in der Umsetzung der Kundenwünsche. Alle am Wettbewerb teilnehmenden Unternehmen haben die von uns aufgestellten Kriterien überdurchschnittlich erfüllt – eigentlich hätten alle einen Preis verdient. Andererseits: Unsere Unternehmen sind es eben gewöhnt, sich im Wettbewerb zu behaupten und verkraften, auch einmal zweiter Sieger zu sein. Denn im nächsten Jahr werden die Karten wieder neu gemischt.