„Das Rohr hat seine Schuldigkeit getan…“

GFK-Wickelrohre als temporäre Installationshilfe beim Gaspipeline-Bau im Emstunnel

GFK-Wickelrohre des Flotwtite Systems sind bislang schon für nahezu alle denkbaren Anwendungsfälle eingesetzt worden. Die Rolle, die sie im Frühjahr 2010 beim Bau einer Gasleitung im Emstunnel spielten, ist zumindest einmalig. Dort wurden 4,2 km Rohr aus Glasfaser verstärktem Kunststoff (GFK) DN 770 als Ballast-Rohr zur Montage einer stählernen Gaspipeline installiert – und postwendend wieder demontiert.

Der Emstunnel DN 3000, den die BAM Combinatie Eemstunnel (BCE) im Frühjahr 2010 zwischen Rysum in Niedersachsen und dem niederländischen Delfzijl aufgefahren hat, um darin eine Gaspipeline DN 1200 zu verlegen, gehört in jeder Hinsicht zu den spannendsten Leitungsbauprojekten des noch frischen Jahrhunderts. Bei diesem weltweit einzigartigen Projekt kam dem Rohrsystem Flowtite des GFK-Wickelrohr-Hersteller Amitech Germany GmbH in Mochau eine bislang absolut einmalige Funktion zu. Rund 4,2 km Wickelrohr DN 770 dienten einzig und allein als Installationshilfe, um die eigentliche Gas-Pipeline, ein Stahlrohr DN 1200, ohne Materialstress in den Emstunnel einzuschieben. Dazu wurden zwölf Meter lange GFK-Rohre mit REKA-Kupplungen zu vier Strängen von je ca. 1000 m Länge zusammengefügt, die anschließend hintereinander zusammen mit der Gaspipeline in den zuvor gefluteten Betontunnel unterhalb der Ems eingeschoben wurden.


Tunnelvortrieb

Hintergrund des Projektes im Auftrag der niederländischen Gasunie war die Anbindung des niederländischen Gasnetzes an eine nahe gelegene deutsche Gas-Anlandestation, in der große Mengen norwegisches Nordsee-Erdgas ankommen. Am Westufer der hier 4 km breiten Emsmündung schließt sich in den Niederlanden ein rund 500 km langes Gas-Verteilnetz an, das künftig über den Emstunnel beschickt wird.
Im ersten Arbeitsgang der Erstellung der unterseeischen Lebensader, wurde die BCE beauftragt, die Planung und Ausführung zu erstellen. Die Tunnelbauexperten trieben in Tübbingbauweise einen Tunnel aus Betonringen von 3 m Innendurchmesser im großen Bogen vom deutschen Ufer bei Knock unter der Ems zur niederländischen Seite vor. Die Bauüberwachung wurde durch das Hamburger Ingenieurbüro De La Motte übernommen. Die Tunnelvortriebsphase war nach 8 Monaten erfolgreich abgeschlossen. Dieses Bauwerk, der eigentliche Emstunnel, nahm anschließend die Gaspipeline, einen geschweißten Stahlrohrstrang DN 1200, auf. Dazu schoben
die Experten der Fa. Bohlen & Doyen aus Wiesmoor den Stahlrohrstrang mit Hilfe eines Pipe Thrusters auf einem kilometerlangen System von Rollenböcken über eine Rampe in den Tunnel ein. Um dabei die Außenbeschichtung des Gasrohrs nicht zu beschädigen, galt es den Kontakt mit der Tunnelwand zu vermeiden. Man flutete den Tunnel mit dem Ziel, dass die luftgefüllte Gaspipeline quasi reibungsfrei einschwimmen konnte. Der Haken bei diesem Vorgehen: Es war zu befürchten, dass Reibungsprobleme nun im Scheitel des Tunnels statt an dessen Sohle auftreten würden. An dieser Stelle erhielt das Flowtite Wickelrohr während der Planungsphase eine wichtige Funktion für den Einzug der Gaspipeline durch die Fa. Bohlen & Doyen. Bohlen & Doyen wurde vom Hamburger Ingenieurbüro IMPAC Offshore Engineering bei den notwendigen Berechnungen unterstützt.


Nötiger Ballast

Der Plan sah vor, gemeinsam mit dem Gasrohr einen darin liegenden, mit Wasser gefüllten GFK-Rohrstrang als Ballast einzuschieben. Der GFK-Rohrstrang, so die Berechnungen, würde das Gewicht der Gas-Pipeline so weit erhöhen, dass diese in den gefluteten Emstunnel mit geringem Abtrieb über die mit Kies ausgelegte Tunnelsohle eingeschoben werden könnte. Der Bestellung des Rohrmaterials bei Amitech Germany gingen entsprechend filigrane Berechnungen voran: Bei welcher Nennweite und welcher Wandstärke wäre das Gewicht des GFK-Rohrs zusammen mit dem Gewicht des hinein passenden Wasservolumens so groß, dass die angestrebte Abtriebskraft der Gaspipeline erreicht wird. Es zeigte sich, dass der ideale Wert bei einem GFK-Rohr der exotischen Abmessung DN 770 mit 17,5 Millimeter Wandstärke gegeben war. Ein klassischer Fall für die Flowtite Wickelrohrtechnik von Amitech Germany, denn die spezifische Produktionstechnik des Wickelns um einen wandernden Kern ermöglicht es, auf den Produktionsstraßen des Mochauer Werks exakte Sondermaße von Nennweite und Wandstärke zu fertigen.Und so wurden in genau 6 Arbeitstagen 4200 m GFK-Rohre DN 770 mit der Baulänge von 12 m hergestellt, mit einer Kupplung aufgezogenen und an die Nordseeküste transportiert.


Erfolgreicher Abschluss

Gasrohr und GFK-Ballastrohr wurden durch einen GFK-Drehkopf miteinander verbunden. Über Öffnungen im Drehkopf wurde das GFK-Rohr beim Einschieben der Pipeline geflutet, so dass das errechnete Gesamtgewicht des Ballastrohrs von 513,12 kg/m erreicht und die vorgegebene Toleranz von +/- 3 % auch tatsächlich eingehalten wurde. Im Inneren des Stahlrohrstrangs wurde das Ballastrohr durch Kunststoff-Abstandhalter exakt zentrisch fixiert. Schrittweise wurden auf der deutschen Seite vier je über einen Kilometer lange GFK-Stränge zusammengekoppelt und dann gemeinsam mit der entsprechenden Länge Pipeline eingeschoben.  Das Einschieben der Pipeline samt Ballastrohr dauerte alles in allem 18 Arbeitstage.
Nachdem die Gaspipeline erfolgreich in voller Länge im Emstunnel verlegt worden war, wurde der 4,2 km lange GFK-Rohrstrang mit Hilfe eines Molches in einem Stück wieder aus der Gaspipeline heraus gedrückt und oberirdisch rückgebaut. Dabei wurden die Einzelrohre von den Kupplungen gelöst und aus der Gaspipeline entfernt. Der Rückbau des Ballastrohrs dauerte insgesamt 5 Arbeitstage. n

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