Das große Blubbern (Teil 1)
Orientierende Untersuchungen zur Dichtheit von Sekundärbarrieren
Die Luftprüfung erlaubt, großflächige Dichtflächen und deren Fugen schnell, effizient und zerstörungsfrei auf ihre Dichtigkeit hin zu untersuchen. Dies ermöglicht den kostengünstigen Schutz von Böden und Gewässern vor Verunreinigungen durch Diesel- und Ottokraftstoffe.
Die Luftprüfung ist eine großflächige, schnelle und zerstörungsfreie Untersuchung der Dichtflächen sowie deren Fugen, Entwässerungseinrichtungen und sonstigen Durchdringungen. In diesem Artikel wird gezeigt, dass mit Hilfe der Luftprüfung eine schnelle und kostengünstige orientierende Untersuchung zur Abschätzung der Dichtheit von Sekundärbarrieren möglich ist. Dieses Verfahren wird seit 1999 in den Niederlanden und Belgien viele Tausend Male angewandt. Durch die großflächige Untersuchung konnte das Risiko der Bodenkontamination minimiert werden. Zusätzlich war es möglich, durch die exakte Lokalisierung und Detektierung der Schäden Kosten einzusparen.
1. Gesetzlicher Rahmen
Das Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (WHG) [1] fordert in § 62, dass Anlagen zum Lagern, Abfüllen, Herstellen und Behandeln wassergefährdender Stoffe sowie Anlagen zum Verwenden wassergefährdender Stoffe so zu errichten, unterhalten, betreiben und stillzulegen sind, dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern nicht zu besorgen ist. Konkretisiert wird diese Forderung in der neuen Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV) [2]. Die Rechtsverordnung vom 18.04.2017 gilt seit dem 01.08.2017 bundesweit.
Dort heißt es in § 18, Abs. 1: „Anlagen müssen ausgetretene, wassergefährdende Stoffe auf geeignete Weise zurückhalten. Dazu sind sie mit einer Rückhalteeinrichtung […] auszurüsten.“ Diese Forderung wird in Abs. 2 weiter erklärt, dort heißt es: „Rückhalteeinrichtungen müssen flüssigkeitsundurchlässig sein und dürfen keine Abläufe haben.“ [2]
Aus diesen gesetzlichen Forderungen ist nur schwer eine geeignete Bauausführung abzuleiten. Wertvolle Hilfestellung liefert hier das Arbeitsblatt DWA-A 786 „Technische Regel wassergefährdender Stoffe (TRwS 786) - Ausführung von Dichtflächen“ [3]. In der TRwS 786 werden, in Abhängigkeit von der Dichtflächenart sowie der möglichen Beanspruchungsstufen (gering, mittel, hoch) mögliche, geeignete Dichtflächenausführungen aufgezeigt. Beispiele für flüssigkeitsdichte Dichtflächen sind z. B. Ausführungen in Gussasphalt, Ortbeton, Beschichtungssysteme auf Beton, Stahl oder Kunststoffbahnen.
Die unterschiedlichen Bauausführungen sind in Tabelle 2 der Technischen Regel [3] aufgeführt.
Dichtflächen in Betonbauweise sind dort unter lfd. Nr. 4 Fertigbeton-Plattensysteme, lfd. Nr. 6 Beton, mit vorweggenommenem/ vereinfachtem Dichtheitsnachweis und lfd. Nr. 7 Beton, mit rechnerischem Nachweis der Dichtheit aufgeführt.
Die besonderen Anforderungen an die Dichtflächen aus Ortbeton ergeben sich aus Teil 1 der DAfStb-Richtlinie „Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen“ [4].
2. Nachweis der Dichtheit an Betondichtflächen
Für den Nachweis der Dichtheit ist zwischen Neuanlagen und bestehenden Dichtflächen zu unterscheiden.
2.1 Neuanlagen
Für Neuanlagen kennt die DAfStb-Richtlinie vier mögliche Varianten des Dichtheitsnachweises, diese werden im Kapitel 5 der Richtlinie [4] genannt:
a) Vereinfachter Nachweis gemäß Abschnitt 5.1.2 [4]:
Folgende Randbedingungen sind einzuhalten:
Bewehrungsgehalte nach Tabelle 1-6
(der Richtlinie)
FD- oder FDE-Beton der Druckfestigkeitsklasse C 30/37 nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2
Länge und Breite der Platten ≤ 50 m
Keine Verzahnung mit dem Untergrund, Beton-
deckung 35 mm
Mittlere Verkehrslast ≤ 10 KN/m2
Gleitschicht zwei Lagen PE-Folien oder mindestens gleichwertig
Bei Einhaltung dieser Randbedingungen ist sichergestellt, dass die Druckzonendicke eingehalten wird.
b) Nachweis in ungerissenen Bereichen nach Abschnitt 5.1.3 [4]
Zur Sicherstellung der Dichtheit ist nachzuweisen, dass
h ≥ γe · etk [Formel 1] mit:
h = Bauteildicke
etk = charakteristischer Wert der Eindringtiefe
γe = Sicherheitsbeiwert (Eindringtiefe)
Die weiteren Randbedingungen sind der Richtlinie zu entnehmen.
c) Nachweis der Mindestdruckzonendicke nach Abschnitt 5.1.4 [4]
Zum Nachweis der Dichtheit ist für die Dicke der Druckzone nachzuweisen, dass
χ ≥ γe · etk [Formel 2]
≥ 2 Dmax
≥ 30 mm
mit:
χ = Druckzonendicke
Dmax = Nennwert des Größtkorns der Gesteinskörnung
Die weiteren Randbedingungen sind der Richtlinie zu entnehmen.
d) Rissbreitennachweis nach Abschnitt 5.1.5 [4]
Ein Rissbreitennachweis als Dichtheitsnachweis ist zulässig, wenn die Rissbreite bei Berücksichtigung der im Fall der Medienbeaufschlagung wirksamen Beanspruchung unter Gebrauchslasten in Abhängigkeit von der Bauteildicke (h) begrenzt wird. Alternativ kann der Nachweis nach den beiden Gleichungen geführt werden.
wcal ≤ wcrit · γr [Formel 3]
oder
h ≥ γe · ewtk [Formel 4]
mit:
wcal = größte rechnerische Rissbreite
unter Gebrauchsbeanspruchung
wcrit = kritische Rissbreite, bei der in Abhängigkeit vom Medium die Bauteildicke h in der Einwirkungszeit t durchdrungen wird
γr = Sicherheitsbeiwert (Rissbreite)
ewtk = charakteristische Eindringtiefe nach DAfStb-Richtlinie für eine einmalige Beaufschlagung über eine Zeit t in Abhängigkeit von der bei der Bemessung berücksichtigten Rissbreite wcal.
Beim Rissbreitennachweis dürfen mit Betonstahl bewehrte Betone ab einem Wert von wcal = 0,10 mm angesetzt werden. Weitere Details können der DAfStb-Richtlinie [4] entnommen werden.
2.2 Bestehende Dichtflächen
Für bestehende Dichtflächen gilt allgemein, sofern keine Mängel durch visuelle Beurteilung festgestellt werden, dass keine weiteren Nachweise erforderlich sind. Die Dichtflächen gelten dann als flüssigkeitsundurchlässig (vgl. TRwS 786, Kap. 9.1.1)[3]. Eine visuelle Beurteilung ist in vielen Fällen subjektiv und schwierig durchführbar (Besenstrich, Verschmutzung, etc.).
2.2.1 Nachweise nach TRwS 786 [3]
Die Dichtfunktion kann mit Hilfe folgender Methoden bewertet werden:
zerstörungsfreie Prüfungen,
Nachweis der Widerstandsfähigkeit,
Messen des Oberflächenabtrages,
stichprobenweise Kernbohrungen,
Überprüfung der unteren Seite der Dichtfläche,
Vergleich mit vorhandenen Bauplänen.
Bei erheblichen Mängeln sind die Flächen instandzusetzen.
Allgemein genügt eine Dichtfläche aus Beton den Anforderungen, wenn folgende Bedingungen eingehalten sind:
geringe und mittlere Beanspruchung,
Betongüte ≥ B 25 (C 20/25) (Nachweis über Bauunterlagen oder durch Prüfung mittels Schmidt‘schem Rückprallhammer gemäß der jeweiligen Prüfnorm an mind. 3 Stellen mit jeweils 10 Rückprallprüfungen),
Bauteildicke > 15 cm,
geschlossenporiges Gefüge und
Fugenmaterialien für Fugenkonstruktionen in Anlehnung an die Festlegungen in Abschnitt 4 der Technischen Regel. Auf den Nachweis der Umläufigkeit kann verzichtet werden.
Bei Bitumenheißvergussmassen sind detailliertere Untersuchungen erforderlich (z. B. Beurteilung in der kalten Jahreszeit).
Bei Erneuerungen sind Bitumenheißvergussmassen nicht zu verwenden.
Wird von einer oder mehreren o. g. Bedingungen für den Beton abgewichen, genügt eine Dichtfläche aus Beton dennoch den Anforderungen (vgl. TRwS 786, Kap. 9.2.1) [3], wenn folgende Bedingungen eingehalten werden:
geringe und mittlere Beanspruchung,
Fugen entsprechend der Bedingungen der Technischen Regel und
die Eindringtiefe der wassergefährdenden Flüssigkeit beträgt maximal zwei Drittel der ungerissenen Mindestbetondicke für die jeweilige Beanspruchung nach Abschnitt 4 der Technischen Regel.
Hilfestellung bei der Einschätzung der visuellen Beurteilung leistet das DWA-Arbeitsblatt 781 „(TRwS 781) Tankstellen für Kraftfahrzeuge“ [6]. Hier findet man in Kap. 10.2.4.1, Abs. 2 den Satz: „Ferner prüft er den ordnungsgemäßen Zustand der Dichtfläche durch Inaugenscheinnahme, insbesondere
auf Risse im Beton (siehe 5.1.2.2 Absatz 1, 5. Anstrich),
auf Fehlstellen im Beton (z. B. Abplatzungen, Hohlstellen, Kiesnester, Auswaschungen),
auf Setzungserscheinungen ...“ [6]
2.2.2 Nachweis mittels Luftprüfung
Zur Unterstützung der visuellen Beurteilung bestehender Dichtflächen ist es möglich, eine Luftprüfung durchzuführen. Eine solche Luftprüfung erfolgt in etwa wie die Luftprüfung nach DIN EN 1610; sie wird in den Niederlanden häufig angewandt, die Prüfung wird in der niederländischen Technischen Regel Akkreditationsschema (AS) 6704 (Prüfung von Dichtflächen mit einem Luftprüfsystem) [7] beschrieben.
Diese Methode ermöglicht eine relativ schnelle Überprüfung auch größerer Dichtflächen. Zudem erlauben Luftprüfungen die Inspektion von Undichtigkeiten, die visuell nur schwer erfasst werden können. Bild 1 zeigt einige dieser möglichen Leckagestellen.
2.2.2.1 Beschreibung Luftprüfsystem
Bei einer Luftprüfung wird ein kontrollierter Überdruck unter die zu prüfenden Fläche gebracht. An luftdurchlässigen Stellen dringt das Prüfmedium durch die Dichtfläche an die Oberfläche. Die durchdringende Luft wird auf der Oberfläche mit Hilfe von Seifenlauge als Indikator sichtbar gemacht. Die Seifenlauge bildet keine Emulsionen, ist abscheiderfreundlich und biologisch abbaubar. Dort, wo die Luft die Dichtfläche durchdringt, tritt eine Blasenbildung in der Seifenlauge auf. Die Häufigkeit und Dichte der Blasen sind zu beurteilen.
Der Prüfdruck unterhalb der zu prüfenden Fläche beträgt mindestens 5 mbar, der maximale Druck wird berechnet und darf nicht überschritten werden (vgl. Technische Regel AS 6704) [7]. Aufgebaut wird der Druck über einen Messpunkt in der Fläche. Dieser Druck wird während der Messung aufrecht gehalten und in einem Messprotokoll dokumentiert. Der Druck breitet sich in aller Regel gleichmäßig, ringförmig unter der Fläche aus (siehe Bild 2: roter Ring). Dies wird durch einen zweiten Messpunkt kontrolliert. Sollten mehrere Messpunkte nötig sein, wird auch an dem jeweils anderen Messpunkt der Prüfdruck aufgebracht und dokumentiert. So lassen sich auch größere Flächen untersuchen (s. Bild 2: blauer Ring).
Nach Abschluss der Luftprüfung werden die Messpunkte wieder flüssigkeitsdicht verschlossen.
In „Das große Blubbern (Teil 2)“ in der nächsten Ausgabe erfolgt ein Vergleich der Verfahren und die Auswertung der Messergebnisse.
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Benutzung Beaufschlagungszyklus äquivalente Beaufschlagung (gleiche Eindringtiefe) Beispiel
1 2 3 4
1 täglich 28 Tage je 5 h einmalig 144 h Öffentl. Tankstelle, Abfüllstelle mit offener Abfüllung
2 wöchentlich 14 Wochen je 5 h einmalig 48 h Abfüllstelle mit offener Abfüllung
Tabelle 1: Intermittierende Beaufschlagung aus DAfStB-Richtlinie [4]
Fläche Bohrkern Material
I 1.1 Ortbeton, 250mm
1.2
II 2.1 Betonfertigteil-Element; 98mm
2.2
2.3
III 3.1 Ortbeton
3.2
Tabelle 2: Übersicht der Probenkörper
Probe Material Materialstärke (mm) Visuelle Beurteilung (z. B. nach TRwS 781) Eindringtiefe (mm) Absorption nach 144 h (l/m²) Beurteilung der Eindringtiefe nach DAfStb-Richtlinie
1.1 Ortbeton 250 ohne Mangel 123 5,3 dicht
1.2 ohne Mangel 65 2,4 dicht
2.1 Betonelement 98 sichtbarer Riss 98*) leck undicht
2.2 ohne Mangel 7 0,25 dicht
2.3 ohne Mangel 98**) leck undicht
3.1 Ortbeton unbekannt ohne Mangel 5 0,8 dicht
3.2 unbekannt ohne Mangel 4 1,2 dicht
Tabelle 3: Eigenschaften und Absorptionsmessungen der verschiedenen Bohrkerne
*) Das Durchlaufen begann bereits zu Beginn der Messung
**) Das Durchlaufen begann innerhalb der ersten 24 Stunden
Probe Blasenbildung bei der Luftprüfung Beurteilung Blasenbildung, AS 6704 Beurteilung der Eindringtiefe nach DAfStb-Richtlinie Vergleich Luftprüfung - DAfStb Abbildung der Blasenbildung
1.1 Kontinuierlich Blasen mit Schaumkronen dicht dicht identisch Bild 7
1.2 Wie Kern 1.1 aber weniger Schaum dicht dicht identisch ohne Bild
2.1 Starke Schaumbildung undicht undicht identisch ohne Bild
2.2 Fast keine Schaumbildung dicht dicht identisch Bild 8
2.3 Deutliche Schaumbildung undicht undicht identisch Bild 9
3.1 Schaumköpfe mit sehr feinen Luftblasen dicht dicht identisch Bild 10
3.2 dicht dicht identisch
Tabelle 4: Beurteilungsvergleich zwischen Luftprüfung und DAfStb-Richtlinie
*) Die Luftprüfung detektiert, dass in unmittelbarer Nähe der Probeentnahmestelle eine Undichtigkeit vorliegt. Der Beton zeigt im Bereich der Kernbohrung fast keine Schaumbildung, jedoch in unmittelbarer Nähe eine deutliche Schaumbildung.
[1] §62 Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz - WHG), 31.07.2009
[2] §18 Abs.1-2 Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (AwSV), 18.04.2017
[3] DWA (Hrsg.): Arbeitsblatt DWA-A 786: Technische Regel wassergefährdender Stoffe (TRwS) - Ausführung von Dichtflächen, Hennef: DWA, 2005
[4] DAfStb (Hrsg.): DAfStb-Richtlinie Betonbau beim Umgang mit wassergefährdenden Stoffen (BUmwS), Berlin: Beuth, 2011
[5] DAfStb (Hrsg.): DAfStb-Richtlinie Stahlfaserbeton, Berlin: Beuth, 2012
[6] DWA (Hrsg.): Arbeitsblatt DWA-A 781 - Tankstellen für Kraftfahrzeuge, Hennef: DWA 2018
[7] SIKB (Hrsg.): Meten vloeistofdichtheid met luchttestsysteem – Inspectie vloeistofdichtheid van bodembeschermende voozieningen met luchttestsysteem – Protocol 6704, Gouda: SIKB, 2012; (SIKB (Hrsg.): Dichtheitsprüfung mit Lufprüfsystem – Dichtflächenprüfung für Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen – Protokoll 6704, Gouda: SIKB, 2012 #
[8] K.-U. Voß, W. Berresheim: Anforderungen an Dichtflächen als Sekundärbarrieren in Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen, Neuwied: Beton 1+2 2008
[9] G.J.L. van der Wegen: Relatie luchtdichtheid en vloeistofdichtheid – Eindrapport, 2001, unveröffentlicht; (G.J.L. van der Wegen: Verhältnis zwischen Luft- und Flüssigkeitsdichtigkeit – Abschlussbericht, 2016, unveröffentlicht)
[10] F.-W. Laube, T. Pflugbeil, M. Franssen, J. Eismann: Studie zu Dichtflächen als Sekundärbarrieren in Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen - Prüfungen mit Hilfe des Lufttests, 2017, unveröffentlicht
Über die Autoren
Dipl.-Ing. Friedrich-Wilhelm Laube (VDI), öbuv Sachverständiger für Genehmigungsverfahren im Bereich Wasser, Technischer Leiter AwSV-Sachverständigen-Organisation, 45141 Essen
Timo Pflugbeil, AwSV-Sachverständiger, 48301 Nottuln