Titelstory

Den Rang ablaufen

Die Bauwirtschaft gehört zu den wichtigsten Sektoren der deutschen Wirtschaft. Trotzdem oder gerade deshalb sind organisatorische Abläufe bei vielen Bauunternehmern nur im Kopf abgespeichert. Tradierte Pfade führen nicht weiter. Profil und Auftrag durch eine Projektdatenbank. Lesen Sie, was auf dem Feld der Prozessoptimierung den Unterschied ausmacht.

Margit Dietz schaut durch Ihre Brille auf den Bauhof des Familienbetriebes Jean Bratengeier in Dreieich. Es herrscht ein reges Treiben auf dem Gelände. In der Werkstatt werden Fahrzeuge gewartet und Baumaschinen werden mit Anbaugeräten versehen. „Es ist gar nicht solange her, da haben wir uns häufig nur für die Abläufe auf den Baustellen interessiert. Das ist jetzt anders.“ Vor vier Jahren startete die umtriebige Geschäftsführerin gemeinsam mit ihrem Bruder eine umfangreiche Analyse über alle Prozesse in Ihrem Unternehmen (Lesen Sie dazu das Interview auf Seite 84). Von der Prozesssimulation bis zur Befragung der Mitarbeiter, kein „Baustein“ blieb auf dem anderen, sondern es wurde alles hinterfragt. Dabei lassen sich viele Bauunternehmer nicht nur von theoretischen Abhandlungen leiten, sondern nehmen die eigene Bauwelt zum Anlass über Veränderungen nachzudenken.

Es ist ein wenig so wie in der Mode: Alle Jahre wieder tauchte in der Vergangenheit ein neuer Begriff im Umfeld der Bauindustrie auf. Kaizen, Lean-Management und jede Menge weiterer Fachbegriffe fanden das Licht der Fachöffentlichkeit. In der Weiterentwicklung des Lean-Managements gilt der Ansatz des „Lean Constructions“ als eine Methodik, die Bauprozesse zu optimieren. Bereits seit Anfang der 90er Jahren wird der Grundgedanke der Prozessoptimierung als Ergebnis verschiedner Konzepte verfolgt. Der Fokus lag und liegt dabei auf schlanken, durchgängigen Abläufen, die fachliche Funktionen aus Kundensicht verknüpfen. Damit verabschiedete man sich langsam von dem übertriebenen Abteilungsdenken verbunden mit erheblichen Schnittstellenverlusten, einen großen Koordinationsaufwand und komplexen (aufgeblähten) Verwaltungstrukturen.


Die Automobilindustrie hat es vorgemacht

Alleine durch die organisatorische Restrukturierung der Aufbau- und Ablaufstrukturen, quer zur traditionellen Organisation, konnten die Durchlaufzeiten in der Automobilindustrie erheblich verbessert werden. Die Köster GmbH aus Osnabrück ließ sich stark von den Erfahrungen der Automobilbranche leiten und entwickelte ein eigenes Tool zur Abwicklung der Bauprozesse. Die konsequente Umsetzung durchgängiger Geschäftsprozesse stößt allerdings in der Bauwirtschaft auf zahlreiche Hindernisse. So sind die Prozesse bereits in der Phase der Projektentwicklung, vor allem aber in der Planungs- und Entwurfsphase, durch eine Vielzahl von Akteuren geprägt (vgl. Prof. Dr. Markus Krämer, 2008).

Die häufig durch „Zuruf“ geprägte Zusammenarbeit der Gewerke auf der Baustelle birgt zudem ein hohes Streitpotential. Eine Vielzahl von komplexen Baumaßnahmen wird durch Gutachter vor ordentlichen Gerichten entschieden. Nicht zuletzt aus diesen Grund hat die Anzahl der Dokumentationen während des Bauablaufs ständig zugenommen. So hat die Dokumentation der tatsächlichen Abläufe in einem Bautagebuch eine besondere Bedeutung erhalten. Dazu kommt, dass Dokumentation, Nachbereitung und Auswertung, sprich: Arbeitsschritte, die nicht direkt mit der Bautätigkeit zusammenhängen, häufig vernachlässigt werden. Dabei bietet die Erhebung, Speicherung und Aufbereitung der Erfahrungswerte einen immensen Mehrwert für die Projekte der Zukunft. Auch hier gilt: jedes Unternehmen kann seine Prozesse nach Bedarf aufstellen, und damit auch entscheiden, wieviel Datenerfassung, Vorbereitung und Auswertung sinnvoll ist. Eines sollten Inhaber von Baubetrieben nicht vergessen: Informationen und deren Verfügbarkeit sind heute wichtige Wettbewerbsvorteile.


Die richtige IT ist der Schlüssel

Der Informationstechnologie kommt im Zusammenhang mit der Steuerung von Abläufen eine zentrale Bedeutung zu (Lesen Sie dazu auch unsere Marktübersicht Bausoftware auf der Seite xyz). EDV-Systeme müssen an den richtigen Stellen in die Geschäftsprozesse integriert werden. Diese enge Verzahnung ermöglicht es, in jedem Prozess sofort an bereits vorhandene Daten und Dokumente zu gelangen und neue Informationen schneller für andere Mitarbeiter zur Verfügung zu stellen. Eine zentrale Projektdatenbank kann beispielsweise dabei helfen, den Überblick über bereits laufende Projekte, freie und verplante Ressourcen zu behalten und gleichzeitig die Angebotserstellung vereinfachen bzw. beschleunigen. Durch die schnell wachsende Verfügbarkeit von Mobilfunknetzen und Wireless LAN-Technologien zu vertretbaren Kosten sowie die breite Anwendung und Akzeptanz mobiler Endgeräte wird der Einsatz mobiler Einsatzszenarien zur ganzheitlichen Unterstützung von Geschäftsprozessen bis auf die Baustelle deutlich einfacher.

Die effektive Schnittstelle zwischen Baubüro und Baustelle wird in der Zukunft den erfolgreichen und serviceorientierten Bauunternehmer kennzeichnen. Margit Dietz weiß jedenfalls rechtzeitig, ob und wann Mitarbeiter, Material und Projekte wirtschaftlich harmonisieren.

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