Die Lust am Leisten
Kiesel handelt nicht nur mit Bau- und Umschlagmaschinen, sondern auch für die Zukunft. Die in zweiter Generation inhabergeführte Gesellschaft positioniert sich kontinuierlich weiter in Richtung Prozessoptimierer für seine Kunden. Im Gespräch mit tHIS gewährt Toni Kiesel, geschäftsführender Gesellschafter, Einblicke in die neue Kieselwelt. So stehen zukünftige Unternehmensstrategien stets in engem Zusammenhang mit den Erwartungen, die von Seiten der Bauausführenden an das Handelsunternehmen herangetragen werden.
Sie verfügen über eines der dichtesten Vertriebsnetze in Deutschland. Wie weit hat es denn ein Bauunternehmen in Deutschland zu einem Kiesel Vertriebspartner?
Wir möchten unseren Kunden in Deutschland ein flächendeckendes Vertriebs- und Servicenetzwerk zur Verfügung stellen. Derzeit verfügen wir allein in Deutschland über 34 eigene Standorte, über Partnerbetriebe kommen noch mehr als 50 zusätzliche Standorte hinzu. Wir haben unsere Kunden fest im Blick und möchten den Kontakt zu uns – auch geographisch – so schnell und unkompliziert wie möglich gestalten. Somit ist es unser erklärtes Ziel, ein flächendeckendes, exakt auf die Wünsche unserer Kunden zugeschnittenes Servicenetz in Deutschland zu installieren. Im besten Fall sollte kein Weg mehr als 80 bis 100 km betragen.
Die Ansprache des Kunden erfolgt dann seinen Wünschen entsprechend völlig individuell. Hier stellen wir natürlich fest, dass die Ansprüche und Erwartungen sehr unterschiedlich gelagert sind. So gibt es viele lokale, kleinere Kunden, für die eine Entfernung von 80 km immer noch zu weit ist. Für diese Kunden haben wir unser Kompaktmaschinenpartner-Konzept entwickelt. Hierbei stecken wir mit unseren Kooperationspartnern einen Radius von 30 km ab. Ein solches Konzept ermöglicht es uns, lokal und ganz in der Nähe des Kunden die von ihm benötigten Miet- und Servicedienstleistungen erbringen zu können.
Es gibt aber auch Kunden, bei denen die regionale Nähe völlig unbedeutend ist. Solche Kunden benötigen von uns eine hoch qualifizierte Expertise. Sie sind dann auch bereit, eine Anreise von 200-300 km in Kauf zu nehmen, um mit den Spezialisten beispielsweise für Abbruch oder Steinbruch im Hause Kiesel in Kontakt zu treten und mit ihnen die maschinentechnischen Lösungen für ihre Spezialaufgaben abzustimmen. Die regionale Nähe wäre zwar wünschenswert, sie ist hier aber nicht entscheidend.
Hier in Ihrer Firmenzentrale in Baienfurt werden alle übergeordneten Funktionen wie Zentraleinkauf, Vertriebskoordination und Marketing gebündelt. Wie stellen Sie sicher, dass auch in Ihren Niederlassungen die Details und Lösungen aus der Firmenzentrale übernommen werden?
Wir fahren ein zweischichtiges Modell. Alle Vorgänge rund um den Kunden spielen sich in den Regionen ab: entweder in unseren Niederlassungen oder mit unseren Partnern. Die Nähe zum Kunden ist hier unser erklärtes Ziel. Wir in der Zentrale betrachten uns als reines Dienstleistungszentrum für unsere eigenen Tochtergesellschaften und Partnerbetriebe. Derzeit sind wir dabei, noch eine weitere Dienstleistungszentrale aufzubauen – die Kiesel Technik Welt in Stockstadt am Rhein bei Frankfurt. Hier werden zukünftig alle Aktivitäten rund um Aftersales, Maschinen und Schulungen gebündelt. Alle Prozesse und Dienstleistungen, die einer zentralen Koordination bedürfen, werden wir hier als Dienstleistung zentral anbieten. Aber alles, was direkt mit dem Kunden zu tun hat, wird dezentral in den Regionen bearbeitet.
Mittelfristig werden auch Bagger zu Geräteträgern. Wie sehen Sie diese Entwicklung und welche Vorteile resultieren hieraus für den Bauunternehmer unter der Annahme, dass die Anbaugeräte nach und nach immer mehr an Bedeutung gewinnen?
Für den Unternehmer - den Bauunternehmer, den Straßenbauer und den Tiefbauer, egal welchen Bereich wir hier betrachten wollen - steigt der Wettbewerbsdruck stetig. Dies zieht automatisch einen Zwang zur Prozessoptimierung nach sich. Prozess-optimierung bedeutet, Prozesse auf der Baustelle effizienter und wirtschaftlicher zu gestalten, um so am Ende des Tages erfolgreich, das heißt mit Gewinn zu arbeiten. Das geht vielfach natürlich mit einer Mechanisierung der Baustellen einher. Auch maschinentechnisch müssen Lösungen gefunden werden, um schneller und effizienter zu arbeiten. In Folge dessen wird die Maschine immer mehr zum Geräteträger. Das Geld wird hier in letzter Konsequenz auch mit Anbaugeräten verdient, denn diese bieten ein sehr hohes Maß an Flexibilität.
Sie schilderten, dass Sie übergeordnete und breit gefächerte Zielgruppen haben. Wo sehen Sie noch Potenzial, wo wollen Sie noch wachsen?
Wir wollen in der Fläche wachsen und die Räume verdichten, in denen wir in Deutschland vertreten sind. Eine wesentliche Basis unseres zukünftigen Wachstums wird darüber hinaus in einer optimierten Qualität der von uns angebotenen Dienstleistungen liegen.
Wir wollen mit besser ausgebildeten Mitarbeitern tiefer in die Märkte eindringen. In dieser Beziehung ist noch Potenzial vorhanden. Es wird in nächster Zeit vorrangig um Konsolidierung gehen. Wir werden mit den bestehenden Produkten, mit den bestehenden Standorten, mit der bestehenden Infrastruktur viele Prozesse zum Nutzen unserer Kunden optimieren.
Sie haben durch die Fusion mit Reif und durch die Übernahme des Baumaschinengeschäftes von Bausetra an Ihrer Expansion gearbeitet. Sehen Sie momentan keine Wachstumsoptionen, andere Baumaschinen-Standorte zu erwerben?
Wir verfügen derzeit über ein Netz, mit dem wir in der Fläche sehr gut aufgestellt sind. Wir beobachten die Entwicklung des Marktes natürlich sehr genau und strategisch interessante Chancen haben wir in der Vergangenheit stets genutzt und werden diese auch zukünftig nutzen. Denn gezieltes, erfolgsorientiertes unternehmerisches Handeln ist selbstverständlich die Basis für die Führung eines jeden Unternehmens. Wenn sich also eine Chance bietet, die zu unserer Strategie passt, dann sind wir nach wie vor offen. Der Fokus geht derzeit aber ganz klar in Richtung Konsolidierung, um die begonnenen Entwicklungen weiter voranzutreiben und zu optimieren.
Beobachter der Branche rechnen im Moment eher mit einer Stagnation bei den Herstellern und in den Produktionsprozessen. Wie beurteilen Sie den Lieferantenmarkt für die nächsten drei Jahre?
Für die Lieferanten, aber auch für uns als Partner und Dienstleister, wird der Markt in Deutschland vorerst nicht wachsen. Wir haben es mit einem sehr harten Verdrängungswettbewerb zu tun. Der Feind des Guten ist der Bessere. Der Bessere wird gewinnen! Für mich ist ein langfristiges Commitment von entscheidender Bedeutung. Hersteller und Händler, die für den Kunden auf Dauer ein vertrauensvoller und verlässlicher Partner sind, werden auf lange Sicht die Nase vorn haben.
Es wird immer klarer, dass der reine Verkauf einer Maschine nicht die alleinige Bedeutung für den Kunden hat. Wie positionieren Sie sich als Marke Kiesel im Verhältnis zu Ihren Lieferanten, den Herstellern?
Wir sagen ganz klar: Wir sind kein Hersteller und wir wollen auch keiner sein. Wir sind ein Dienstleistungsunternehmen!
Unsere Aufgaben sind vielfältig. Unser Anspruch ist es, das Sprachrohr unseres Kunden im Markt zu sein. Wir entwickeln mit unseren Kunden gemeinsam technische Lösungen und sind dabei immer häufiger auch Unternehmensberater. In Kooperation mit den Herstellern treiben wir so die Entwicklung einzelner Produkte weiter voran. Wir sind Systempartner und Entwicklungspartner. Am Ende dieser Kette muss die optimale Maschine für unsere Kunden stehen. Dort, wo der Hersteller aussteigt, weil er sich zu weit von seiner Serie entfernt, da kommen dann individualisierte Kiesel-Systemlösungen zum Tragen. Deshalb haben wir auch die Kiesel Technologie- und Entwicklungsgesellschaft (K-TEG) gegründet. Diese beschäftigt sich mit Sonder- und Systemlösungen, um den Kunden branchenspezifisch bessere Lösungen zu bieten.
Eine dieser Entwicklungen ist Kiesel Tritec, mit deren Hilfe die Maschinen eine um bis zu 50 % höhere Hubkraft erreichen, können Sie kurz beschreiben, wie ein Innovationsprozess bei Kiesel abläuft und wo Sie Schwerpunkte für zukünftige Neuentwicklungen sehen?
Solche Schwerpunkte sehen wir zum Beispiel in der Entwicklung der K-TEG. Wir betrachten eine bestimmte Branche und suchen Optimierungsmöglichkeiten für diese Branche. Können wir die Prozesse, die wir beobachten, durch unsere technischen Lösungen noch optimieren? Wenn wir zu dem Eindruck kommen, hier können wir dem Kunden weiterhelfen, also seine Arbeitsabläufe produktiver und profitabler gestalten, dann beginnt unsere Arbeit. Dann werden in unserem Sondermaschinenbau die ersten Prototypen gebaut. Gleichzeitig werden Pilotkunden gesucht, die unsere Entwicklungsarbeit in der Praxis auf Herz und Nieren, sprich auf ihre Alltagstauglichkeit hin genau prüfen. Dadurch entsteht dann nach und nach eine Systemlösung. Auf der bauma 2013 werden auf unserem Kiesel-Stand gleich mehrere eigene Systemlösungen und Sonderlösungen für Abbruch, Tiefbau, Recycling und Schrott präsentieren.
Herr Kiesel, Sie sind geschäftsführender Gesellschafter und beschäftigen europaweit 800 Mitarbeiter. Sie müssen stark investieren, um in den nächsten Jahren Ihre Inves-titionen zurückzuholen. Wie sieht Ihr Finanzierungsplan aus und wo liegen Ihre nächsten Schritte?
Wir haben mit starkem Wachstum in den letzten 10 Jahren den Sprung von rund 100 Mitarbeitern auf nun 700 in Deutschland und international 800 geschafft. Das spricht für unsere Unternehmensphilosophie. Diese ist eine mittelständisch geprägte Philosophie, die darauf abzielt, dass unser gesamtes unternehmerisches Handeln langfristig angelegt ist, dass die Finanzierungen und Investitionen langfristig angelegt sind und dass die Eigenkapitalquote parallel zum Wachstum steigt. Gleichzeitig konnte der Umsatz von 50 Mio. € in den letzten 10 Jahren auf knapp 400 Mio. € gesteigert werden, aber mit einer deutlich stärkeren Kapitalstruktur. Die großen Investitionen, die wir zurzeit tätigen, zielen weiter auf den Ausbau der Infrastruktur ab. Zeitgleich wollen wir unser Dienstleistungskonzept weiter nach vorn bringen. Unsere Dienstleistungen müssen unseren Kunden einen noch höheren Mehrwert bringen. Ein neuer Ansatz in diese Richtung ist unsere Kiesel Technik Welt, in der unter anderem auch die Kiesel Akademie sitzt. Hier schulen und betreuen wir alle Schlüsselpositionen im Unternehmen unserer Kunden: den Fahrer, den Maschinisten, den Techniker, den Polier, den Bauleiter und natürlich auch den Chef. So machen wir unsere Kunden erfolgreicher, ohne dass ihnen dadurch höhere Kosten entstehen.
Für uns geht es in erster Linie um eine Qualitätssteigerung. Eine bessere und schnellere Ersatzteilversorgung, eine bessere Qualität der Sonderbauten, eine bessere Schulungsmöglichkeit und Sonderlösungen zum Anfassen. Dies ist die Botschaft, die wir unseren Kunden mit auf den Weg geben. Der Weg hin zum Systemlieferanten ist in der Zwischenzeit bereits vollzogen. Dadurch, dass wir unsere Mitarbeiter noch besser ausbilden und sie in Bezug auf ihre Fachkompetenz kontinuierlich weiter fördern, können wir dem Kunden einen deutlichen Mehrwert bieten. Wir versuchen die Branche besser zu verstehen, indem wir uns in die Bauprozesse hineindenken.
Hier wird der Fokus in den nächsten drei bis vier Jahren liegen.
Hitachi, Terex, Terex Fuchs und Mecalac sind sehr starke Marken, die Sie als Systemanbieter auch in Ihrem Portfolio haben. Können Sie uns am Beispiel der Terex-Dumper erklären, wie Sie neue Produkte aussuchen? Wie gehen Sie an ein Vertriebsprodukt heran, das Sie neu in Ihr Portfolio eingliedern?
Die Terex-Dumper haben wir sehr gerne mit in unseren Vertrieb und in unseren Service integriert, denn der Terex-Dumper schließt eine Lücke in unserem Angebot. Wir fokussieren uns im Baubereich auf Baggern Laden und Transportieren auf Gewinnung, Abbruch sowie Tief- und Straßenbau. Der logische nächste Schritt war hier, die Lücke „Dumper“ zu schließen. Da wir mit Terex im Bereich der Fuchs-Umschlagmaschinen gute Erfahrungen gemacht haben, entsprach es einer inneren Logik, die Terex-Dumper ins Programm aufzunehmen. Voraussetzung hierfür war die Gesamtverantwortlichkeit für Deutschland. Inzwischen sind wir hier Exklusivpartner.
Die Entwicklung der Datenübertragung von Fahrern und Maschinen in Echtzeit ins Baubüro wird immer brisanter. Welchen technologischen Weg geht Kiesel bei der Übermittlung relevanter Maschinendaten?
Bei der Telematik stehen wir meines Erachtens erst am Anfang der Entwicklung. Diese Entwicklung steht natürlich wieder in engem Zusammenhang mit Prozessoptimierungsabläufen beim Kunden. Für den Unternehmer wird es in Zukunft darum gehen, die vielen unterschiedlichen dezentralen Bauprozesse zentral über Telematik abzubilden und in sein Warenwirtschaftssystem oder ERP-System einzubetten. Auch unser Fokus liegt in der Telematik-Entwicklung, deren hohe Relevanz wir auch für unser Unternehmen erkannt haben. Wir arbeiten seit eineinhalb bis zwei Jahren an entsprechenden Entwicklungen, um damit dem Kunden wieder einen Mehrwert zu bieten. Bei der Telematik-Entwicklung steht vor allem der Kunde im Mittelpunkt und nicht die Maschine. Telematik bedeutet deutlich mehr als nur Maschinen auszuwerten. Hier geht es um Mitarbeitermanagement, es geht um Anbaugeräte, Fuhrpark, LKW, PKW, Baumaschinen, Geräte, Anbaugeräte, Containerlösungen und und und.
Seit 2004 gibt es die Kiesel Finance GmbH & Co. KG. Wie hat sich dieser Geschäftszweig aus Ihrer Sicht entwickelt?
Wir haben die Kiesel Finance hauptsächlich ins Leben gerufen, weil wir davon überzeugt sind, dass die Finanzierung ein Teil des Gesamtpaketes rund um die Maschinen ist. Der Kunde darf von uns erwarten, dass wir ihm auch in dieser Beziehung ein überzeugendes Angebot machen. Wir machen das auf eigenes Risiko, weil wir auf der einen Seite die Maschinen und den Kunden und auf der anderen Seite den Wiederverkauf kennen. Dieses Geschäftsfeld hat sich in unserem Hause sehr positiv entwickelt und wird in Zukunft noch deutlich stärker werden. Zurzeit beträgt der Umsatz etwa 60 bis 70 Mio. € pro Jahr. Wir wollen diesen auf 100 Mio. anheben und damit einer der maßgeblichen Spieler im Markt werden. Auch das Thema Finanzierung gehört wieder zu unserer Philosophie und die Frage, wie ich dem Kunden als Systemlieferant die gesamte Bandbreite anbieten kann, wenn es um Baggern, Laden, Transportieren und um Dienstleistungen geht.
Welche Überschrift zu Ihrem Unternehmen würden Sie in unserem Fachmagazin tHIS gerne in 2015 lesen?
Ich bin mit meinen Visionen bei den Kunden angekommen.
Herr Kiesel, wir bedanken uns für das Gespräch!
Der Grundstein für die heutige Kiesel-Firmengruppe datiert aus dem Jahr 1958, als Helmut Kiesel zusammen mit seiner Frau eine Fuchs-Servicestation gründete. Die ersten drei Jahrzehnte waren durch ein organisches Wachstum und eine Erweiterung der Angebotspalette geprägt. Mit dem Einstieg der drei Söhne Toni, Rainer und Jochen Kiesel wurde die Firmenpolitik stärker auf eine Expansion und die Erschließung neuer Märkte ausgerichtet, sodass sich das Baienfurter Unternehmen bis heute zu einem der führenden Händler von Bau- und Umschlagmaschinen in Deutschland sowie Nord- und Osteuropa mit europaweit 800 Mitarbeitern entwickelt hat.
Kiesel ist Exklusivpartner von Hitachi, Mecalac, Terex (im Bereich Dumper & Muldenkipper), Giant und Mantsinen für Deutschland sowie für Terex Fuchs in 17 europäischen Ländern. Mit einem Umsatz von 392 Millionen Euro und einem Absatz von 2744 Maschinen war 2011 das bislang erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte.
www.kiesel.net