„Dumme Rohre – Intelligente Netze“

Am 11. Februar 2016 ist es wieder soweit: Die Jade Hochschule am Studienort
Oldenburg in der Ofener Straße öffnet für zwei turbulente Tage ihre Türen für die Besucher des nunmehr 30. Oldenburger Rohrleitungsforums.

Auch bei seiner Jubiläumsveranstaltung ist das Oldenburger Rohrleitungsforum nach drei Jahrzehnten ganz weit davon entfernt, in die sprichwörtlichen Jahre gekommen zu sein. Wie immer ist praktisch alles vertreten, was in der Branche Rang und Namen hat – das gilt für die Aussteller ebenso wie für die Referenten und Besucher. Und wie in jedem Jahr hat das Oldenburger Rohrleitungsforum das Ohr am Puls der Zeit, wenn es heißt „Dumme“ Rohre – „Intelligente“ Netze und an den beiden Tagen über Modelle, Simulation und Steuerung von Infrastrukturen diskutiert werden soll. Doch damit nicht genug. Auch zum 30-jährigen Jubiläum warten die Veranstalter mit Neuerungen auf. Erstmals wird es einen feierlichen Eröffnungsabend geben; er findet am Vorabend im Schlosssaal des Oldenburger Renaissanceschlosses statt. Und die „Diskussion im Café“ wird zur „Diskussion im Lichthof“, ein Raum, der 2016 Platz für zusätzliche Aussteller und ein vielfältiges Rahmenprogramm bieten wird.

Was kann ein 30. Oldenburger Rohrleitungsforum noch Neues bieten? Nach fast dreißig Jahren müsste doch wohl alles über Rohrleitungen gesagt sein, was man so sagen kann, könnte man denken – so vorsichtig tastet sich Prof. Thomas Wegener, Vorstandsmitglied des Instituts für Rohrleitungsbau an der Fachhochschule Oldenburg e.V., Geschäftsführer der iro GmbH Oldenburg und Vizepräsident der Jade Hochschule, im Vorwort des Programmheftes an das diesjährige Motto heran. Allerdings ist er auch sicher, dass ein intensiverer Blick hinter die Kulissen den letzten Zweifler eines Besseren belehren wird. „Auch nach drei Jahrzehnten gibt es etwas, was dieses Forum rechtfertigt“, so der Hausherr der Veranstaltung. „Zwar finden sich von Jahr zu Jahr immer wieder ähnliche Themen, dies ist aber ein Ausdruck der regen Weiterentwicklung in dem einen oder anderen Segment. Und anhand der Leitthemen des Forums werden immer wieder die Bezüge zu den gesellschaftlichen Megatrends gesucht und gefunden.“

In Oldenburg wird es insbesondere um die Folgen der Digitalisierung mit zunehmenden Möglichkeiten der Steuerung, der Kommunikation in und zwischen den Netzen gehen. Begrifflichkeiten wie Modelle, Simulation und Steuerung von Infrastrukturen geben hier die inhaltliche Richtung vor und sollten auch diejenigen überzeugen, die angesichts von „dummen“ Rohren in „intelligenten“ Netzen bereits an karnevalistische Motive gedacht haben könnten. Davon ist man in Oldenburg ganz weit entfernt. Im Gegenteil: Verknüpft man einfache Rohre zu einem Netz, legt noch ein zukunftsweisendes Konzept und eine entsprechende Steuerung dahinter, dann wird die Angelegenheit ganz einfach intelligent.

 

Flexibilität für Trinkwassernetze und Kanalisation

Rohrleitungsnetze sollen domänenübergreifend funktionieren, Rohrleitungsnetze sollen situationsbedingt möglichst flexibel zu steuern sein, und von Rohrleitungsnetzen werden zunehmend intelligente Eigenschaften verlangt. Das betrifft etwa den Trinkwasserbereich im Gesamtkonzept, zum Beispiel mit saisonal oder in längeren Perioden stark schwankender Nutzung, ebenso wie den Abwasser- und Entwässerungsbereich mit zunehmenden Starkregenereignissen. Wenn den Menschen das Wasser buchstäblich bis zum Hals steht, wird besonders deutlich, wie dringlich eine Auseinandersetzung mit diesen Themen ist – wie etwa Anfang Oktober, als ein Unwetter-Drama in Südfrankreich Menschenleben forderte. Auslöser der Überschwemmungen waren heftige Unwetter, in einigen Regionen fiel innerhalb von drei Stunden die Niederschlagsmenge von zwei Monaten. Und damit waren nicht nur die Menschen in der betroffenen Region überfordert, sondern auch die komplette Infrastruktur. Das Beispiel – leider nur eines von vielen in den vergangenen Jahren – zeigt, dass unsere Leitungsnetze für die zu erwartenden Lastfälle nicht ausgelegt ist. Deshalb rückt dieses Thema bei kommunalen Infrastrukturplanungen zunehmend in den Blickpunkt.

 

Interdisziplinäres Denken gefragt

Was kann man tun, um die mit Starkregenereignissen oft einhergehenden Sach- und Personenschäden zu vermeiden? Mit der Beantwortung dieser Frage beschäftigen sich Fachleute unterschiedlicher Fakultäten; Klimaforscher sind ebenso gefragt wie die Netzbetreiber und Stadtplaner. Vor allem mit Blick auf den demografischen Wandel und die zu erwartende Änderung unseres Klimas müssen Planer und Betreiber von Entwässerungsanlagen gemeinsam zukunftsfähige Lösungen entwickeln. Und hier schließt sich der thematische Kreis und schafft gleichsam eine Verbindung zu verschiedenen Themenblöcken auf dem kommenden Oldenburger Forum. Es gilt Modelle zu entwickeln, Simulationen durchzuführen und daraus Steuerungsmöglichkeiten von Infrastrukturen abzuleiten. Zum Beispiel in Form von Belastungsszenarien, Risikoanalysen und Niederschlags-Abfluss-Modellen, die in Planungskonzepten münden, welche stadtplanerische Aspekte, den Straßenbau und den Kanalbau sinnvoll vereinen.

 

Vom Messen bis zur Anwendung

Mit den Facetten der Energiewende setzt sich einmal mehr Handlungsstrang 1 auseinander. Unter anderem geht es um das Zusammenspiel der Medien Gas und Strom, allerdings werden auch marktpolitische Tendenzen aufgegriffen, wenn es zum Beispiel um Krisenvorsorge und staatliche Marktsteuerung geht. Natürlich darf in diesem Themenkomplex die Auseinandersetzung mit Chancen und Perspektiven für die Wasserwirtschaft und Stadtentwässerung nicht fehlen. „Potenziale von Radardaten in der Stadtentwässerung – von der Messung bis zur Anwendung“ – der Titel dieses Vortrages macht unter anderem deutlich, was sich hinter den Schlagworten Modell, Simulation und Steuerung alles verbergen kann. Ein anderer Vortragsblock widmet sich der interessanten Frage, was aus „dummen“ Rohren alles werden kann, etwa wenn man verschiedene Werkstoffe smart kombiniert. So lassen sich auch Trinkwassernetze entwickeln und gestalten. Das untermauern Referate über „Einflussfaktoren auf zukünftige Trinkwasserverbräuche“, die „Unternehmensübergreifende Nutzung von Trinkwasserverteilungsanlagen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit“ oder die „Messwertgestützte Simulation zur Energie- und Bezugskostenoptimierung“ ebenso wie der Vortragsblock zu Rohrleitungsbeeinflussungen und Lösungsansätze mit Hilfe des kathodischen Korrosionsschutzes.

 

Klassiker und heiße Eisen

Während sich die zweite Vortragsreihe traditionell den klassischen Rohrwerkstoffen widmet – Praxiserfahrungen mit GFK-Stauraumkanälen zählen hier ebenso zu den Bausteinen wie aktuelle Entwicklungen und moderne Lösungen aus Stahl, Guss, Steinzeug, Kunststoff oder Beton – fasst die dritte Themenreihe sogenannte heiße Eisen wie Leckortung, die Überwachung von Trinkwassernetzen oder die Herausforderungen für die Abwasserinfrastruktur an. Nicht weniger spannend dürfte die Frage sein, ob es sich bei möglichen Leitungsschäden um ein beherrschbares Risiko handelt. Vorgestellt werden unter anderem die Initiative BALSibau zur Vermeidung von Schäden bei Tiefbauarbeiten in der Nähe bestehender Leitungsnetze und BIL, ein bundesweites Informationssystem zur Leitungsrecherche. Vorträge zur Pipelinetechnik und zur Schweißtechnik runden den Themenkomplex ab.

Mit zwei Blöcken zu grabenlosen Verlegetechniken ist wie in jedem Jahr ein weiterer Klassiker des Oldenburger Rohrleitungsforums vertreten. Erfahrungsgemäß werden die Hörsäle regelrecht wieder aus allen Nähten platzen, wenn Möglichkeiten und Grenzen der Verfahren anhand von aktuellen Bauvorhaben beleuchtet werden. Ihren angestammten Platz nehmen darüber hinaus der Rohrleitungssanierungsverband (RSV), der Rohrleitungsbauverband (rbv) und die German Society for Trenchless Technology e.V. (GSTT) mit Vortragsblöcken oder mit Ausstellungsständen ein, die das Leistungsspektrum der Organisationen erlebbar machen. In der fünften Vortragsreihe bringen regionale Beispiele dann den wichtigen Bezug zur Praxis. Vertreter aus Kommunen und Netzbetreiber aus Hamburg, Aachen, Hannover und Bremen berichten über „Moderne Methoden für die Entwicklung von Sanierungsstrategien“ oder darüber, wie „Kommunale Infrastruktur intelligent genutzt“ werden kann. Beispiele hierfür liefert auch der Themenkomplex zu Messungen im Kanalnetz, der Einsatzmöglichkeiten und Perspektiven beim Messen, Steuern und Regeln aufgreift.

 

Hausanaschlüsse im Fokus

Dass auf dem Oldenburger Rohrleitungsforum nicht nur das ganze Netz im Fokus steht, beweist ein Vortragsblock, der sich mit Hauseinführungssystemen beschäftigt. Der Übergang zwischen Hausanschlussleitung und Sammler war zum Beispiel auch im Kanalbau lange Zeit ein stiefmütterlich behandeltes Thema. Die Einbindung des Hausanschlusses in den Sammler verlangte ausführenden Unternehmen Geschick und Einfallsreichtum ab – vor allem, wenn es galt, Rohre verschiedener Nennweiten und aus unterschiedlichen Werkstoffen dauerhaft dicht miteinander zu verbinden. Standardisierte Produkte für eine professionelle Lösung gab es  lange Zeit nicht, und folglich ließen sich Zuverlässigkeit und Haltbarkeit der hergestellten Verbindungen schlecht vorhersehen. Die Schäden, die als Folge nicht fachgerecht hergestellter Hausanschlüsse entstanden, waren nicht selten gravierend – insbesondere, wenn aus schadhaften Zuläufen austretendes Abwasser das Grundwasser verschmutzte. Deshalb gibt es für die Erschließung eines Grundstückes – egal ob mit Kanalisation, Strom, Gas und Telekommunikation – sowohl regelwerksseitige Anforderungen als auch ausgereifte, moderne Verfahren. Sind diese in der Anwendung sicher, dicht und geregelt? Mit dieser Thematik setzen sich Referate über den „langen Weg zum gemeinsamen Regelwerk“, über „Prüfgrundlagen für Hauseinführungssysteme“ sowie über „rechtliche Fragen bei Erstellung und Sanierung von Hauseinführungen“ auseinander.

 

Lichthof eingebunden

Natürlich müssen die Gäste des Oldenburger Rohrleitungsforums nicht auf ihren „Ollnburger Gröönkohlabend“ verzichten, der den ersten Veranstaltungstag traditionell beschließt. Ebenso wenig wie auf ihre „Diskussion im Cafe“. Der rege Austausch von Fachleuten wird 2016 unter dem Programmpunkt „Diskussion im Lichthof“ weitergeführt – an neuer Wirkungsstätte, aber hoffentlich mit der gleichen fairen Streitkultur, wenn es diesmal um „die Möglichkeiten und die sich daraus ergebenen Chancen des Building Information Modeling für die Bauwirtschaft der Zukunft“ unter besonderer Berücksichtigung der Bereiche Rohrleitungsbau, unterirdische Infrastruktur und Anlagenbau geht. Die Vorstellung von Abschlussarbeiten von Absolventen der Jade Hochschule aus dem Bereich des Rohrleitungsbaus oder des allgemeinen Baubetriebes sowie ein Interview mit Prof. Dipl.-Ing. Joachim Lenz, dem Vorsitzenden der Stiftung Prof. Lenz, gehören zu den weiteren Aktionen, mit denen der Lichthof aufwarten kann.

 

Institut für Rohrleitungsbau Oldenburg (iro)

www.iro-online.de

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