Ein Beitrag für das Stadtklima
Maßgeschneiderte Kombinationen aus Verdunstung, Nutzung und Versickerung machen es selbst in Citylage möglich, Niederschlagswasser zu 100 % zu bewirtschaften. Dabei kann noch die Effizienz von Fotovoltaikanlagen gesteigert werden. Die Regeln der Technik dazu sind vorhanden und aufeinander abgestimmt.
Fotovoltaik und Verdunstung
Wer auf Dachflächen durch Fotovoltaik Strom erzeugen möchte sollte wissen, dass die Stromausbeute sich erhöht, wenn die Umgebung bei gleicher Einstrahlung möglichst kühl ist. Man wird also den Verdunstungsprozess des Gründachs nutzen, wenn nicht gar optimieren durch Zufuhr gespeicherten Regenwassers. Dachbegrünung nach heutiger Bauart ist ein System aus mehreren Schichten mit Substratstärken ab acht Zentimeter und mit Verdunstungsraten im Jahresmittel von 30 Prozent bis über 90 Prozent der auftreffenden Regenmenge. Allerdings sind besondere Vorrichtungen notwendig, um Solarpaneele in der Dachbegrünung zu verankern und den Pflanzen Regenwasser auch unter der Fotovoltaik-Fläche zuzuführen.
Eine Variante zur Kühlung der Fotovoltaik durch Regenwasser ist die offene Wasserfläche, gespeist aus dem unterirdischen Regenspeicher. Bei der ehemaligen Solar-Fabrik im Freiburger Industriegebiet In der Haid hängen die Solarpaneele in der Glasfassade zwischen den Fenstern und festverglasten Scheiben direkt über dem Wasser. Besucher der Firma haben das flache, mit Seerosen besetzte und von Regenwasser langsam durchflossene Becken links und rechts unter ihren Füßen, wenn sie sich über einen Steg auf den Haupteingang in der Mitte der Glasfassade zu bewegen. Es wirkt als Spiegelteich, erhöht so die Intensität der Einstrahlung und kühlt durch Verdunstung des von den Dachabläufen gesammelten Regenwassers. Auch hier ist die erhöhte Stromausbeute neben der architektonischen Wirkung gewollt und geschickt geplant [1].
Regenwasser in der City nutzen
Wenn der Platz für Versickerung fehlt, wird der Abfluss von den Dachflächen am besten in Zisternen gesammelt, in neu erstellten Gebäuden im Untergeschoss platziert. Beispiele sind das Sony-Center, das Debis-Areal am Potsdamer Platz und das Institut für Physik der Humboldt Universität auf dem Campus Adlershof in Berlin. Bei einer Intensivbegrünung mit entsprechender Aufbaudicke wird nahezu die gesamte anfallende Niederschlagswassermenge zurückgehalten, durch die Vegetation genutzt und verdunstet. Das verbleibende, von den Gründächern abfließende Wasser kann anschließend in Zisternen aufgenommen werden. Die Kombination von Dach- oder Fassadenbegrünung mit einer Zisterne zur Verwertung des Restabflusses führt automatisch zu einer Entlastung der Kanalisation und außerdem zur Verminderung von Grundwasserentnahmen, da ein Teil des benötigten Trinkwassers durch Zisternenwasser ersetzt wird. In Ballungsräumen ist dies besonders von Vorteil.
Die Regenwassernutzung ist in Deutschland genehmigungsfrei, allerdings meldepflichtig bei Trinkwasserversorger und Gesundheitsamt. In der Regel wird nur von den Dachflächen Regenwasser verwendet. Bei Abläufen von Gründächern kommen besonders Toilettenspülung, Bewässerung von Außenanlagen, Innenbegrünung und Fassadenbegrünung in Betracht. Intensiv begrünte Dächer haben in Trockenzeiten Wasserbedarf. Sie können mit ihrem eigenen Überlauf aus Starkregenzeiten, wenn der in einer Zisterne zwischengespeichert wurde, versorgt werden [2], [3], [4].
Aktuelle Regelwerke
Für die hier genannten Segmente der Regenwasserbewirtschaftung sind aufeinander abgestimmte, allgemein anerkannte Regeln der Technik vorhanden:
– Verdunstung: FLL-Dachbegrünungs-Richtlinie, März 2008
– Nutzung: DIN 1989-1, April 2002
– Versickerung: DWA-A 138, April 2005 (außerhalb von Verkehrsflächen); FGSV MVV R2, 2013 (innerhalb von Verkehrsflächen)
Gestapelter Wald
Die Haustechnik nach den Erfordernissen der Botanik auslegen, das wird im Gewächshaus jedes botanischen Gartens gemacht. Die Pflanzen stehen innen, das Gebäude schützt sie. Die Möglichkeiten der Botanik aber vorrangig nutzen und die Haustechnik als Ergänzung betrachten, das wird in einer bislang bei Wolkenkratzern nicht da gewesenen Konsequenz in Mailand realisiert. Hier stehen die Pflanzen außen und schützen das Gebäude und seine Bewohner – selbst im 20. Stockwerk. Es handelt sich um zwei Wohnhäuser mit 80 und 112 Metern Höhe, deren Fassadenbegrünung zusammengenommen einen Hektar Wald abbildet. Die Versorgung des senkrecht gestapelten Waldes (Bosco Verticale) erfolgt mit Betriebswasser. Kühlaggregate kommen bei diesem ehrgeizigen Projekt im Sommer nur zum Einsatz, falls die Verschattung durch die Laubgehölze und die Verdunstungskühlung durch die gesamte Pflanzengesellschaft an der Fassade nicht ausreicht. Die Zertifizierung erfolgte nach LEED. Das Investitionsvolumen betrug 60 Millionen Euro. Das Projekt verspricht Vorteile für die Energiebilanz des Objekts und zugleich positive Auswirkungen auf das Stadtklima. Im Jahr 2015 war es Teil der EXPO Milano zum Thema „Den Planeten ernähren, Energie für das Leben“ sein.