Ein neues Haus für die Menschenaffen
Wie ein Berg liegt es da, das neue Menschenaffenhaus der Wilhelma in Stuttgart. Schon vom
Rosensteinpark aus zu sehen, erhebt sich die neue Anlage über die anderen Gehege und setzt ein Zeichen. Denn alleine die Größe verspricht
bereits viel Platz für Tiere und Besucher.
In seiner künstlich hergestellten Topographie folgt der Neubau dabei seiner Umgebung. Denn das im benachbarten Park vorzufindende und für Stuttgart typische Gelände aus Hügeln und Tälern wurde mit dem Menschenaffenhaus aufgegriffen. So entstand ein künstlicher Bergrücken. Eingebettet zwischen den Anlagen für Giraffen, Erdmännchen, Zebras und Dorcas-Gazellen, Somali-Wildeseln und Straußen bildet das neue Haus mit seinen Nachbarn den Schwerpunktbereich Afrika. Dies ist auch der Grund, dass das neue Haus, obwohl für Menschenaffen konzipiert, lediglich Heimat für die Bonobos und Gorillas der Wilhelma ist. Die anderen Menschenaffen-Arten, die Orang-Utans und die Gibbons, die in der Wilhelma gehalten werden, sind als asiatische Tiere an einem anderen Standort konzentriert.
Viel Platz für die Tiere
Vor allem zoologische Aspekte standen bei der Planung der neuen Anlage im Vordergrund. Das Büro Hascher Jehle Architektur aus Berlin schuf einen Ort, an dem moderne und artgerechte Tierhaltung möglich ist. So schwärmt etwa der Zoodirektor Prof. Dr. Dieter Jauch vom besten Affenhaus der Welt. Alleine das Platzangebot wurde gegenüber der bisherigen Heimat der Tiere deutlich erweitert.
Die Bonobos können sich innen auf rund 350 m²austoben und finden außen noch einmal 1.220 m²Platz. Dies bedeutet das Zehnfache an Fläche gegenüber der alten Anlage. Und auch den Gorillas wurde man mit einer Steigerung um das Fünfzehnfache gerecht. So gelang es im Innern 600 m² und im Außengehege 2.270 m² an Platz zu schaffen. Hinzu kommen noch etwa 150 m² für den Gorillakindergarten. Hier werden verwaiste Gorillakinder aus ganz Europa von Hand aufgezogen und in direkter Nachbarschaft zur Gorilla-Familiengruppe der Wilhelma an das Leben im Sozialverband heran geführt.
Künstlicher Felsen
Doch zurück zum ersten Eindruck: Die Assoziation mit einem Felsen liegt nicht der Gebäudeform wegen nahe. Denn unter der intensiven Dachbegrünung besteht die Anlage tatsächlich aus einer Art Stein. Sie wurde aus Stahlbeton konstruiert, der teilweise von der Heidelberger Beton GmbH aus dem Werk Stuttgart-Nord geliefert wurde. Die rund 515 m3 Beton entsprechen unterschiedlichen Festigkeits- und Expositionsklassen, im Schwerpunkt allerdings der Festigkeitsklasse C30/37 und, aufgrund des geforderten Karbonisierungsschutzes, Stichwort Feuchtigkeit, der Expositionsklassen XC1 bis XC4. Da die Betone der Innengehege stark durch Tierexkremente und Reinigungsmittel belastet werden, erhielten diese andere Vorgaben. Ihre Expositionsklassen liegen bei XC3 bzw. XA1. Letztere auch aus dem Bau von Klärbecken oder Güllebehältern bekannt. Bei der Konsistenz der gelieferten Ortbetone wurde ebenfalls variiert – je nach Einbauort und der damit verbundenen Schalung. So lieferte Heidelberger Beton beim Dach des Affenhauses einen zähflüssigen Beton mit dem Ausbreitmaß F3, um das Abrutschen auf den schrägen Flächen zu verhindern. Bei den Stützen dagegen setzte man einen Beton mit F6 ein. Dieser musste alle in den Stützen verbauten Stahlteile komplett umschließen und durfte keine Hohlräume ausbilden. Wegen der hohen Belastung wurde hier auch Beton mit der Festigkeitsklasse C45/55 verwendet.
Anlage mit drei Zonen
Betrachtet man das eigentliche Haus isoliert von den Außenanlagen, folgt dieses einer S-förmigen Linie und schlängelt sich zwischen dem vorhandenen, historischen Baumbestand hindurch. Wo kein Grün das Gebäude bedeckt, dominieren Glas und der bereits erwähnte Beton als Materialien. Die Glasflächen der Fassade ermöglichen dabei neben Ein- und Ausblicken auch eine gute, natürliche Belichtung. Neben dem Hauptbau wurde auch die Begrenzung der Gorilla-Anlage im Freien mit Beton und Glas erstellt. Die rund 720 m² messende Betonmauer wurde neben den Scheiben noch mit Holzelementen ergänzt. Hierin unterscheidet sich das Außengehege der Gorillas auch von dem der Bonobos. Während die Gorilla-Außenanlage kein Dach hat, sondern nach oben offen ist, wurde die Außenanlage der Bonobos stärker auf deren Kletterdrang hin gestaltet. So überspannt ein Stahlnetz mit bis zu 12 Metern Höhe den Außenbereich mit seinen zahlreichen Gerüsten und Schaukeln. Betonrahmen mit großen Glasscheiben sorgen auch hier für freie Sicht zwischen Mensch und Tier.
Mischung aus Beton und Rindenmulch
Betritt man das Innere, wird der monolithische Charakter erneut bestärkt. Statische Elemente wie Stützen, Wände und Decken sind in der 20 Millionen teuren Gesamtanlage in Sichtbeton der Klassen SB1 bis SB3 ausgeführt und werden durch große Glasflächen unterbrochen, die den Blick in die Innengehege freigeben. Dort, wo sich die Bonobos, die Gorillas und die Gorilla-Handaufzuchten bei schlechter Witterung aufhalten, wurde der Beton als Hauptmaterial auch funktional eingesetzt. Die Terrassen, Treppen und Böden in den Gehegen beherbergen teilweise die Heizelemente.
Damit wird mit dem Einsatz von Niedrigtemperaturheizungen auch darauf geachtet, dass der Energieaufwand gering gehalten werden kann. Zudem dienen die warmen Böden den Affen als Ort der Entspannung. Solche beheizten Sitzflächen gibt es im Übrigen auch im Außenbereich. Die sogenannten Nahbegegnungszonen befinden sich meist an den Panoramascheiben. So soll es immer wieder zu räumlicher Nähe von Tier und Mensch kommen. Ergänzt werden die Innengehege mit einem Boden aus Pinienrinde, der zum Spielen, Toben und Erkunden ideal ist. Er verfügt zudem dank Mikroorganismen und Huminsäuren über eine natürliche Fähigkeit zur Selbstreinigung. Um den darunter liegenden Beton vor Feuchte zu schützen, wurde dieser mit wasserdichtem Epoxidharz versiegelt. Dies gilt auch für die Terrassen und Treppen in den Gehegen, die ebenso wie der Boden mit einem leichten Gefälle versehen wurde.
Projekt: Neubau des neuen Hauses für Afrikanische Menschenaffen
Einweihung/Eröffnung: Pfingsten 2013
Ort: Stuttgart, Botanisch-Zoologischer Garten Wilhelma
Bauherr: Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Stuttgart
Architekten: Hascher Jehle Architektur, Berlin
Produkt: 515 m3 Beton in unterschiedlichen Festigkeits- und Expositionsklassen, im Schwerpunkt C30/37, Expositionsklassen XC1 bis XC4. Betone Innengehege XC3 bzw. XA1, Sichtbetone SB1-SB3
Beton: Heidelberger Beton GmbH & Co.
Stuttgart KG
www.wilhelma.de
www.heidelbergcement.com