Energieautarke Mehrfamilienhäuser in Ziegelbauweise
Wärme-, Schall-, Brandschutz sowie Statik-Vorgaben problemlos erfülltEine Wohnungsgenossenschaft errichtet zwei energieautarke Viergeschosser mit je sieben Wohnungen. Hochwärmedämmendes Ziegelmauerwerk erfüllt beim Projekt gleich mehrere Aufgaben und wirkt bauphysikalisch als Speichermasse.
Voraussichtlich im Sommer 2018 beziehen 14 Mietparteien neue Wohnungen im Cottbusser Stadtteil Sandow. Beide Mehrfamilienhäuser in Ziegelmassivbauweise basieren auf dem sogenannten Sonnenhaus-Konzept. Die solare Eigenproduktion soll bis zu 70 % des Verbrauchs an Wärme und Strom abdecken. Der Bauherr bietet den Genossenschaftsmitgliedern eine Pauschalmiete von 10,50 Euro/m² und eine Energie-Flatrate über zehn Jahre an. Für den Rest schließt die Genossenschaft Verträge mit der Energiewirtschaft ab.
Betreuung durch Wienerberger
Projektmanagement
Dipl.-Ing. Susanne Weichold, Projektentwicklerin, und Dipl.-Ing. Carsten Rünger, Technischer Berater, beide aus dem Wienerberger Projektmanagement (WPM), betreuen dieses Leuchtturmprojekt, das bisherige Erfahrungen zum energieautarken Bauen des Solarpioniers Prof. Timo Leukefeld im Bereich der Einfamilienhäuser auf den Mehrgeschossbau transferiert.
Beide Objekte wurden für die aktive und passive Nutzung solarer Energie optimiert. Wesentliche Ausgangsbasis dafür ist ein massives hochwärmedämmendes Außenmauerwerk aus mit Mineralwolle verfüllten Poroton-Ziegeln in der Wandstärke von 42,5 Zentimetern.
Bauphysikalische Vorteile des Ziegels
Die monolithische Bauweise machen die beiden Gebäude mit 600 Quadratmetern beheizter Wohnfläche durch seine massiven Außenwände wenig anfällig für Temperaturschwankungen. Die Speichermasse aus gebranntem Ton kann so bauphysikalisch alle Vorteile hinsichtlich Energieeinsparung und Raumklima ausspielen. Je weniger sich die Schwankung der Außentemperatur im Inneren auswirkt, desto günstiger ist es für die Bewohner. Der Einfluss, den die Hüllkonstruktion auf Wärmetransport und Speichervorgänge hat, wird durch den Wärmedurchgangswiderstand und die Wärmespeicherfähigkeit ihrer Bauteile bestimmt. Je größer die zeitliche Phasenverschiebung der Temperaturamplitude ist, umso angenehmer gestaltet sich das Raumklima über einen längeren Zeitraum ohne technische Unterstützung: im Sommer kühl, im Winter warm.
Qualitätssicherung baulicher Umsetzung
Durch die hochwärmedämmende Außenhülle mit einem U-Wert von 0,18 W/m2k und den verminderten Wärmebrückenzuschlag nach DIN 4108, Beiblatt 2, bewegt sich der Transmissionswärmeverlust bei 66 Prozent im Vergleich zum Referenzgebäude (entspricht KfW-Haus 55, Vorgabe: < 70 Prozent). Der Jahresprimärenergiebedarf mit 8,41 kWh/m2a beträgt lediglich 14 Prozent zum Referenzgebäude (Vorgabe: < 55 Prozent). Das WPM-Team hat als Grundlage eine Vorbemessung der wärmeübertragenden Umfassungsfläche inklusive Überprüfung der Wärmebrücken mit pauschal 0,05 W/(m²K) vorgenommen – bei Verwendung von Planungsbeispielen nach DIN 4108, Beiblatt 2, beziehungsweise des Poroton-Wärmebrücken-Tools.
Für die Einhaltung des erhöhten Schallschutzes nach DIN 4109, Beiblatt 2, übernahm Carsten Rünger von WPM beispielsweise auch die Vorbemesssung. Er beriet außerdem die Planer der HELMA Eigenheimbau AG zur Ausbildung verschiedener konstruktiver Details, um die Außenwand bezüglich der Anforderungen an Schall, Wärme, Statik und Ausführbarkeit zu optimieren. Anwendungstechniker Tino Ansky von Wienerberger unterstützte mit praktischen Einweisungen auf der Baustelle, beispielsweise beim Einsatz der Poroton-Deckenrandschale DRS Neo am Wand-Decken-Knoten.
Strom- und Wärmeautark dank großer Solarflächen
Neben dem hohen Transmissionswiderstand der Gebäudehülle aus Ziegeln sorgen große Solarwärme- und Solarstromanlagen auf der steilen südwärts ausgerichteten Dach- und Fassadenfläche für Selbstversorgung und weitgehende Unabhängigkeit von Strom- und Wärmelieferanten. Ein Wasserspeicher von 24 m³ pro Haus nimmt Sonnenwärme auf, die nicht sofort benötigt wird. In der warmen Jahreszeit können damit sogar noch zwei Nachbarschaftsgebäude über ein Nahwärmenetz versorgt werden. Die Solarthermieausnutzung lässt sich so nahezu verdoppeln.
Der Stromeintrag über die Photovoltaik-Anlagen wird für Haushaltsgeräte, Anlagentechnik und Elektroautos verbraucht. Überschüsse nehmen pro Haus zwei Lithium-Ionen-Akkus mit je 54 KWh Speicherkapazität auf. Sollte in den Wintermonaten dennoch weiterer Wärmebedarf entstehen, kann in jedem Gebäude eine wirtschaftliche Gas-Brennwertherme kurzfristig zusätzliche Wärme für Heizung und Warmwasser liefern.
Bewährte Bausteine neu kombiniert
Timo Leukefeld freut sich, in der größten Baugenossenschaft des Landes Brandenburg einen innovativen Partner gefunden zu haben: „Unser gemeinsames Ziel ist es, den Gedanken wirtschaftlich vernetzter Energieautarkie auch in der Wohnungswirtschaft auf breite Schultern zu stellen.“ Uwe Emmerling, Vorstandsvorsitzender der Cottbusser Wohnungsbaugenossenschaft, ist sich sicher, dass gerade diese Eigentumsform solche Entwicklungen fördert. „Zudem, und das ist faszinierend und einfach zugleich, haben wir bewährte Bausteine wie die monolithische Ziegelwand, den Solarspeicher, aber auch die Gas-Brennwerttherme neu zusammengeführt, ohne ins Experimentelle abzugleiten.“
Die Genossenschaftsmitglieder zahlen eine Pauschalmiete und versorgen sich über eine Flatrate mit Strom und Wärme. „Diesen Vorzug können wir bieten, weil die Bewohner Miteigentümer sind“, so Emmerling. Die Zahl von 50 Bewerbern zeigt, dass dieses Vorhaben öffentlichkeitswirksam angekommen ist. Die Genossenschaft plant Mieterworkshops, um Konzept und Umsetzung aus erster Hand zu erläutern. Zudem werden sich Interessenten aus der Wohnungswirtschaft in den kommenden Wochen in Cottbus die Klinke in die Hand geben.