Entlastungskanal in Kassel
mit GFK-Rohren saniert
Aarsleff Rohrsanierung führte Arbeiten auf einer Strecke von 300 Metern aus
Ein mehr als 80 Jahre alter Kanal aus Ortbeton verrichtete über Jahrzehnte zuverlässig seinen Dienst, doch Zeit und Starkregen hinterließen Spuren. Daher war eine Sanierung mitsamt den Vorkammern mittels DN 1900 Rohre unumgänglich.
Geregnet hat es in diesem Jahr in Kassel ausreichend – Starkregen gab es aber nur zwei Mal. Und dann schlägt die Stunde des bewährten Entlastungskanals, der am Regenüberlaufbecken RÜ 99 an der Wilhelm-Speck-Straße im Nordosten von Kassel beginnt, über die Gartenstraße verläuft und in einem 90o-Winkel auf das Kläranlagengelände von Kasselwasser, dem Eigenbetrieb der Stadt Kassel, schwenkt. Kurz vor dem Auslauf in die nahe gelegene Fulda ist dem Kanal ein Schieberbauwerk mit zwei Absperrschiebern vorgeschaltet.
Erreicht bei Starkregen der Wasserstand eine Höhe von etwa 1,40 Meter, läuft das Wasser in den Entlastungskanal RÜ 99 über. Jahrzehntelang hat der im Jahr 1934 aus Ortbeton gebaute Entlastungskanal DN 1900 mit Haubenprofil und Trockenwettergerinne zuverlässig seine Arbeit getan; doch die Jahre hinterließen deutliche Spuren: Im Rahmen der Planung für ein neues Hochwasserschutzkonzept wurden 2015 bei einem 3-D-Laserscan erhebliche Schäden wie Risse, Wurzeleinwuchs, Korrosionen, einragende Hindernisse und eindringendes Grundwasser festgestellt. An einer Sanierung des Entlastungskanals sowie der Vorkammer des Schieberbauwerkes führte deshalb kein Weg vorbei.
„Zur Auswahl standen seinerzeit insgesamt drei ganz unterschiedliche Verfahren. Letztendlich haben wir uns dann für die Sanierung mittels GFK-Kurzrohren sowie in einigen kleinen Teilbereichen mit GFK-Platten entschieden“, erklärt Dipl.-Ing. Kai Himmelreich, Leiter des Bereichs Netzbetrieb und Sanierung bei Kasselwasser.
GFK-Rohre mit Drachenprofil
Mit der Sanierung beauftragten die Verantwortlichen der Netzbetreiber die Aarsleff Rohrsanierung GmbH. Bei der Wahl des Sanierungsverfahrens ist Kasselwasser damit auf „Nummer Sicher“ gegangen und hat diese Lösung sogar wissenschaftlich erarbeiten lassen. „Der Zufall wollte es, dass seinerzeit eine Studentin ein Praktikum bei uns absolvierte und ein Thema für ihre Bachelorarbeit suchte“, erinnert sich Himmelreich. Da habe es nahegelegen, die Studentin mit der Untersuchung des am besten geeigneten Sanierungsverfahrens zu betrauen. „Zur Wahl standen Schlauchlining, Wickelrohrrelining und der Einbau vorgefertigter GFK-Rohre“, erläutert der Bereichsleiter.
Das Wickelrohrrelining sei ausgeschieden, da hierfür eine Baugrube im Bereich des 90-Grad-Schwenks von der Gartenstraße auf das Klärwerksgelände nötig gewesen wäre. Doch ausgerechnet hier verläuft ein Kreuzungskanal über dem zu sanierenden, was die Erstellung einer Baugrube unmöglich gemacht hat. Gegen das Schlauchlining sprachen die verhältnismäßig langen Aushärtungszeiten, die angesichts der möglichen Flutung des Kanals ein unüberwindbares Problem darstellten.
So fiel die Wahl schließlich auf GFK-Rohre DN 1900 mit Drachenprofil, die die Firma Aarsleff auf einer Länge von 300 Meter zwischen Regenüberlaufbecken und Schieberbauwerk einbaute, wo das Profi l ohne Schacht in ein Rechteckprofi l aus Stahlbeton DN 1500 mit einer Länge von 11,5 Meter wechselt. Die Rohre überzeugen unter anderem durch ihre große Zug- und Druckfestigkeit sowie durch ihre hohe chemische Resistenz.
Der Rohrproduktion vorausgegangen war eine Kalibrierung im 3-D-Laserverfahren mit Messpunkten im 20 Meter Abstand, um für die Herstellung der Rohre die exakte und optimale Formgebung unter Berücksichtigung des Ringspaltes zu bestimmen. Das Ergebnis war ein detaillierter Verlegeplan, der gemeinsam mit dem Rohrhersteller erarbeitet wurde.
Alarmierungssystem bei Flutung
Nach der Erstellung des Plans und der Einrichtung der Baustelle begannen erst einmal die vorbereitenden Arbeiten im Altkanal wie die Reinigung, optische Untersuchung, Beseitigen von Hindernissen und Grundwassereintritten sowie Verschließen der nicht in Betrieb befindlichen Anschlüsse. Auf eine Wasserhaltung verzichteten die Verantwortlichen bewusst und bauten stattdessen ein dreistufiges Alarmierungssystem ein.
Hintergrund ist, dass die anfallenden Wassermengen aus dem Regenüberlaufbecken nicht in die Kläranlage eingeleitet werden können, sondern in die Fulda abgeschlagen werden müssen. Zu- und Abfluss aus dem Entlastungskanal in den Fluss werden über computergesteuerte Absperrschieber im Schieberbauwerk reguliert; ein Überlaufen über die Schwelle bedeutet, dass die Schieber geöffnet werden müssen.
Doch aufgrund des unterschiedlichen Wasserstandes der Fulda kann es vorkommen, dass Wasser aus dem Fluss zurück in den Kanal einströmt. Das Alarmierungssystem sorgte während der Sanierung dafür, dass die Arbeiter im Fall der Fälle den Kanal rechtzeitig verlassen können. Und da sämtliche Rohre sofort nach Einbau gegen eine eventuelle Flutung gesichert wurden und die Ringraumverfüllung haltungsweise erfolgte, wäre im Fall einer Flutung nur ein Rohrstück betroffen.
Dauerhafte Abdichtung
Die im Wickelrohrverfahren hergestellten GFK-Rohre in den Längen zwischen 0,5 und 2,35 Meter sowie einer Wanddicke von bis zu 37 Millimeter wurden über zwei rund 5,50 Meter tiefe und 4 x 3 Meter breite Baugruben eingebracht, wovon eine in der Gartenstraße ausgehoben wurde. „Auf dem Klärwerksgelände mussten wir erst einmal einen geeigneten Ort finden, was angesichts der vielen dort verlaufenden Leitungen gar nicht so einfach war“, erklärt Bauleiter Himmelreich. „Man muss sich das Ganze wie in einem Hochspannungswerk vorstellen - natürlich nur alles unterirdisch.“
Schließlich begann Anfang Oktober die eigentliche Rohrsanierung. Mit einem Transportwagen wurden die GFK-Rohre zum Einbauort befördert und dort fachgerecht verlegt, wobei das Muffe-Spitzende-System mit Lippendichtung für eine dauerhafte Abdichtung sorgt. Das hohe Gewicht der Rohre zusammen mit dem Eigengewicht des Transportwagens machte es nötig, die Sohle des Altkanals teilweise zu betonieren, um einen ausreichend stabilen Untergrund für den Fahrwagen herzustellen. Immerhin bringen Rohr und Transportwagen zusammen bis zu zwei Tonnen Gewicht auf die Waage.
Eine weitere Herausforderung stellte der 90-Grad-Bogen im Übergang zum Klärwerksgelände dar: „Hier wurden die trapezförmigen Sonderprofile stumpf anschlagend verlegt und von innen handlaminiert“, erläutert der Aarsleff-Bauleiter. Schließlich konnten die insgesamt 14 Hausanschlüsse im Bereich der Wilhelm-Speck-Straße und Gartenstraße fachgerecht an die neu verlegten Rohre von innen angeschlossen werden.
Haltungsweise dreilagige Ringraumverfüllung
Die Verfüllung des Ringraums zwischen GFK-Rohr und Altrohr erfolgte haltungsweise auf Basis einer statischen Berechnung nach ATV-M127 Teil 2. Hierbei kam den Baubeteiligten zugute, dass sich in unmittelbarer Nähe der Baustelle ein Betonwerk befindet, das die Belieferung der Baustelle mit dem Dämmbaustoff übernahm, wo er mittels Schneckenpumpe zum angesteuerten Bereich befördert wurde. Aufgrund der hohen Anforderungen an die zuverlässige Auftriebssicherung erfolgte das Einbringen der Ringraumverfüllung in drei Lagen.
Parallel zur Verlegung der GFK-Rohre erfolgte der Einbau von GFK-Platten im Rechteckprofi l sowie in der Vorkammer des Schieberbauwerkes. Hier wurden die drei Millimeter Platten verdübelt und anschließend Handlaminat bis zu einer Dicke von zwei Millimeter aufgebracht. Der Übergang von den neuen GFK-Rohren zum Rechteckprofi l wurde ebenfalls mit Handlaminat abgedichtet und anschließend mit Dämmer hinterfüllt.
Enge Abstimmung und langjährige Erfahrung
Nach rund zwei Monaten konnte die eigentliche Rohrsanierung erfolgreich abgeschlossen und danach die Hausanschlüsse hergestellt werden. Schließlich fand noch die haltungsweise Dichtigkeitsprüfung in Form einer Unterdruckprüfung statt.
Trotz des sehr straffen Zeitplans und der vielen Herausforderungen ist es zu keiner nennenswerten Verzögerung gekommen. Dementsprechend zufrieden ist Kai Himmelreich von Kasselwasser mit dem Bauablauf.
Eine enge Abstimmung der Baubeteiligten untereinander und nicht zuletzt die langjährige Erfahrung von Aarsleff Rohrsanierung nennt der Leiter des Bereichs Netzbetrieb und Sanierung als wesentliche Erfolgsfaktoren bei der Sanierung des Entlastungskanals RÜ 99. Ergebnis ist ein statisch tragfähiges und dichtes Abwassersystem mit einer Nutzungsdauer von bis zu 80 Jahren.