Facelift für Betonoberflächen
Betonkosmetik und BetonretuscheDas optische Erscheinungsbild einer Bauteiloberfläche ist ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtqualität eines Betons. Treten Betonfehler auf, ist es gut zu wissen, wie diese mit der richtigen Betonkosmetik korrigiert werden können.
Bei Bauteiloberflächen werden höchste Anforderungen an Roh- und Fertigteilbauer gestellt. DIN 18217 [1] beschreibt, dass „Betonflächen das Spiegelbild der Schalungshaut oder das Ergebnis nachträglicher Bearbeitung und/oder Behandlung“ sind. Um eine nachträgliche Bearbeitung zu vermeiden oder zu minimieren, sollten im Vorfeld folgende Einflussfak-toren besser berücksichtigt werden:
Betonausgangsstoffe, die aufeinander abgestimmt sind und in Vorversuchen auf Eignung geprüft sind,
Schalungslösungen, die Schalhaut, Dichtigkeit und Befestigungstechnik berücksichtigen,
Betontrennmittel, die auf Kompatibilität mit dem Beton, der Schalung und dem Betoniervorgang getestet sind,
Lösungen zur Verarbeitung, z. B. Verdichtungs-dauer und gleichmäßige Betonierabschnitte,
Nachbehandlungsverfahren, die den Beton vor
einer zu schnellen Austrocknung schützen, sowie
günstige Witterungsbedingungen, die eine gleichbleibende Temperatur und Luftfeuchtigkeit sicherstellen.
Hersteller bauchemischer Produktsysteme beraten hierzu i.d.R. und unterstützen auch bei der Konzeption und Umsetzung.
Umsetzung in der Praxis
Durch die Komplexität der Wechselwirkungen ist eine makellose Optik selbst bei größter Sorgfalt nur schwer realisierbar. Trotz professioneller Beratung, Planung und Ausführung werden die gewünschten Eigenschaften nicht immer erzielt. Statt einer ebenmäßigen und homogenen Betonoberfläche zeigen sich beim Entschalen manchmal mangelhafte Wände, Stützen oder Decken, die durch ofenporige Betonflächen mit konzentrierten Großporen oder Lunker gekennzeichnet sind.
Niedrige Beton- und Umgebungstemperaturen sowie eine hohe relative Luftfeuchte während der Austrocknung fördern maßgeblich die Entstehung von dunklen Verfärbungen [2]. Auch punktuelle oder großformatige Fehlstellen wie Kantenabbrüche, Kiesnester oder stärkere Ausblutungen an Kanten oder Ankerlöchern findet man in der Praxis immer wieder vor.
Dann ist eine material- und fachgerechte Ausbesserung gefragt, die in der DIN 18217 [1] definiert ist. Das Gelingen einer professionellen Ausbesserung hängt danach von den zwei Faktoren korrekte Materialwahl und handwerkliches Geschick des Verarbeiters bzw. der ausführenden Firma ab. Hier leisten Material-anbieter anwendungstechnische Unterstützung, indem sie neben den adäquaten Werkstoffen auch eine Unterweisung der Mitarbeiter in der Anwendung der Werkstoffe bieten.
Beurteilung des Ist- und Soll-Zustandes
Ein weiterer Aspekt bei der Durchführung von Ausbesserungen ist die frühzeitige Beurteilung des Ist- und Soll-Zustandes. Ein hilfreiches Werk zur Bestandsaufnahme und Schadensanalyse ist das Buch „Betoninstandsetzung – Baustoff – Schadensfeststellung – Instandsetzung“ dargelegt [3]. Die DAfStb-Richtlinie [4] definiert den Ist-Zustand als Summe der vorhandenen Eigenschaften und Beanspruchungen eines Bauteils vor Schutz und Instandsetzung. Hingegen stellt der Soll-Zustand die Summe der verlangten Gebrauchseigenschaften unter den voraussehbaren Beanspruchungen nach der Schutz- und Instandsetzungsmaßnahme dar. Aus den Festlegungen des Ist- und Soll-Zustandes werden Instandsetzungskonzepte zur Mängelbeseitigung entwickelt. Hierbei ist zu definieren, ob es sich um Maßnahmen zur Wiederherstellung der Standsicherheit und
Dauerhaftigkeit oder ausschließlich zur optischen Verbesserung von Betonoberflächen handelt.
Betoninstandsetzung vs. Betonkosmetik
Zeigen Beton- und Stahlbetonbauwerke gravierende technische Mängel auf, sind diese zunächst durch fachgerechte Instandsetz-ungsmaßnahmen unter Berücksichtigung zahlreicher, nationaler und europäischer Normwerke zu ertüchtigen. Schutz- und Instandsetzungsmaßnahmen beinhalten:
die Untergrundvorbereitung
die vorbereitenden Arbeiten an der Bewehrung zur dauerhaften Herstellung des Korrosionsschutzes
das Füllen von Rissen und Hohlräumen
die Instandsetzung von Fugen
die Instandsetzung mit Betonersatz
den Oberflächenschutz
Bei einer Beeinträchtigung der Tragfähigkeit werden zudem
Bewehrungsstäbe nachträglich eingemörtelt, Betonbauteile verstärkt sowie kathodischer Korrosionsschutz eingesetzt.Bei optisch fehlerhaften, aber technisch intakten Betonoberflächen, bei denen die Standsicherheit nicht gefährdet ist, werden „lediglich“ betonkosmetische Maßnahmen vorgenommen. Die verwendeten Materialien bei der Betoninstandsetzung und der Betonkosmetik haben lediglich eine Gemeinsamkeit: Sie sind kunststoffmodifiziert und zementgebunden. Technisch spürbare Unterschiede hingegen gibt es hinsichtlich der Funktionalität, Widerstandsfähigkeit und Verarbeitbarkeit. Instandsetzungssysteme sind unter statischen Aspekten und in ihrer Schutzfunktion hoch leistungsfähig. Instandsetzungsprodukte erfüllen die Anforderungen der EN 1504-3 als statisch relevante Mörtel der Klassen R1 bis
R4 [5]. Wohingegen sich Betonkosmetiksysteme rein auf die optische Gestaltung beschränken. Hier zählen Farbenvielfalt und leichte Verarbeitung. Diese Produkte erfüllen auch die Anforderungen der EN 1504-3, allerdings als statisch nicht relevante
Mörtel der Klassen R1 bis R2 [5].
Das grundsätzliche Vorgehen bei einer Mängelbeseitigung ist in folgende drei Schritte unterteilt [2;7]:
1. Gemeinsame Festlegungen von Auftraggeber und -nehmer
2. Verfahrensentwicklung und Herstellung von Erprobungsflächen
3. Ausführung am Bauteil
In der Festlegung der hinzunehmenden Unregelmäßigkeiten und der Entscheidung, wie die Mängel beseitigt werden (Schritt 1), entziehen sich Auftraggeber und Auftragnehmer meist der
Verantwortung. Daher werden Erprobungsflächen angelegt (Schritt 2), die das Verfahren zur Mängelbeseitigung festlegen und praktisch darstellen. Erst dann beginnen die Ausführungsarbeiten (Schritt 3).
Fachpersonal
Für eine Instandsetzungsmaßnahme müssen ausführende Betriebe besondere Anforderungen nach DAfStb-Richtlinie, Teil 3 [4], erfüllen und den Nachweis über einen zertifizierten Fachmann mit SIVV-Schein (Schützen, Instandsetzen, Verbinden und Verstärken von Betonbauteilen) erbringen. Betonkosmetik kann hingegen durch handwerklich begabte Betonkosmetiker, Spachtler oder Verarbeiter mit künstlerischen und restauratorischen Kenntnissen verarbeitet werden. Mittlerweile gibt es viele Fachfirmen für Betonkosmetik auf dem Markt, die hochwertige Korrekturen an Betonflächen vornehmen können – von einer deutlichen Verbesserung des optischen Erscheinungsbildes bis hin zu einer nahezu unsichtbaren kosmetischen Behandlung mit Sichtbetoncharakter.
Betonkosmetik
„Misslungene“ Beton- und Sichtbetonflächen schaden nicht nur der optischen Wirkung, sondern auch der Akzeptanz des Bauwerks sowie der Bauweise und stellen damit ein wirtschaftliches Risiko dar. Umso wichtiger ist es, die Chancen zu nutzen, die eine moderne Betonkosmetik bietet, und entsprechende Fehlstellen fachgerecht zu reprofilieren. Dazu gibt es eine Reihe von Lösungen, die auf unterschiedliche Zielsetzungen ausgerichtet sind. Im Folgenden werden die Zielsetzungen näher erläutert.
Ziel 1: Mäßig hohe Anforderung an die Oberfläche
Wenn eine Ausbesserung schnell und einfach verlaufen soll, werden zunächst Zementleim, Staub und alle trennwirkende Substanzen entfernt. Der fehlerhafte Untergrund wird vorgenässt und unmittelbar danach mit mittelfeinen bis feinen Spachteln ausgebessert. Viele Hersteller bieten hierfür gebrauchsfertige, hydraulisch abbindende Spachtel, die vorwiegend der einfachen, schnellen und sauberen Reprofilierung dienen. Die Produkte sind i. d. R. kunststoffvergütet und müssen eine geprüfte Wetter-, Frost- und Lichtbeständigkeit vorweisen. Die damit hergestellten Oberflächen sind im Einklang mit dem DBV-Merkblatt Sichtbeton [6], wenn der Gesamteindruck mit dem vertraglich vereinbartem Aussehen übereinstimmt.
Ziel 2: Hohe Anforderung an die Oberfläche
Soll die Oberfläche wirklich makellos sein, werden komplexe Betonkosmetiksysteme bestehend aus Haftbrücken, Grob- und Feinspachteln eingesetzt. Für das extrem feine Finish werden auch Superfeinspachtel und für die schattierungs- und wolkenfreie Verarbeitung spezielle Werkzeuge wie z. B. Gummireibebretter, Reibeschwämme etc. verwendet. Der Auftrag einer Haftbrücke erfolgt auf den vorgenässten, matt-feuchten Untergrund, in den diese mit einem Pinsel oder Quast „einmassiert“ wird. Damit wird ein starker Haftverbund des darauf aufzubringenden Grobspachtels zum Untergrund hergestellt.
Auf der matt-feuchten Haftbrücke erfolgt der Grobspachtel-auftrag. Grobe Spachtel sind in spachtelbarer Konsistenz im Überschuss aufzutragen, damit Kanten und Ecken danach leicht nachgeschnitten und ausgebildet werden. Für anspruchsvolle und großflächige Grobspachtelungen sind faserverstärkte Produkte anzuwenden. Die darin enthaltenen Fasern verhindern Spannungsrisse, die durch eine zu schnelle Trocknung auftreten können. Sobald der Grobspachtel standfest ist, kann die Fein- oder Superfeinspachtelung beginnen und partiell oder großflächig erfolgen. Bei einer großflächigen Spachtelung wird meist der Begriff Sichtkosmetik verwendet, denn eine gespachtelte Oberfläche weist eine andere Porosität und Schattierung als Beton auf. Es gibt eine große Farbenvielfalt je nach Produkt und Hersteller.
Wenn der gewünschte Farbton nicht haargenau in gebrauchsfertiger Form vorhanden ist, können pigmentierte Additive dem Fein- oder Superfeinspachtel zugegeben werden. Diese ermöglichen dann das individuelle Angleichen der gespachtelten Fläche an den ursprünglichen Betonfarbton. Hierbei sind Erprobungsflächen zu erstellen.
Ziel 3: Extrem hohe Anforderung an die Oberfläche zur
Erhaltung des Betoncharakters
Wenn die natürliche Sichtbetonoptik einer Betonoberfläche wiederhergestellt werden soll, sind komplexe Techniken restauratorischer Art anzuwenden. Die Kosten solcher Gewerke betragen i. d. R. mehrere hundert Euro pro Quadratmeter, variieren aber abhängig von der ausführenden Firma. In der Praxis sind diese Techniken unter „Betonretusche“ bekannt. Hierbei werden lasierende Materialien verwendet. Das sind i. d. R. Mineralfarben, z. B. Silikatfarben, Kalkfarben und Dispersionssilikatfarben.
Fazit
Um ein hochqualitatives Erscheinungsbild einer Betonoberfläche zu erreichen, sind umfangreiche Fachkenntnisse in Baukon-struktion, Bauchemie und Baustoffkunde sowie Schalungstechnik erforderlich. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass dabei handwerkliche Unregelmäßigkeiten nicht immer zu vermeiden sind. Treten Fehler auf, ist es gut zu wissen, wie diese nachträglich korrigiert werden können. Mit der geeigneten Betonkosmetik und/oder Betonretusche kann eine makellose Betonoptik geschaffen
werden.
Da die DIN 18217 für Ortbeton- und Betonfertigteilflächen entsprechende material- und fachgerechte Ausbesserungen für zulässig erklärt, können danach keine Qualitätsminderungen am Beton mehr geltend gemacht werden. Die Entscheidung, ob eine Sichtbetonkosmetik ausgeführt wird, liegt in den Händen der
Vertragsparteien, die sich vorab auf einen kreativen Sichtbetonkosmetik-Entwurf samt Materialauswahl einigen müssen, der vor Umsetzung der Ausbesserungsmaßnahme auf seine Tauglichkeit geprüft sein muss.