GFK- Kurzrohrlining:
Premiere unter Gleisen
Der Mischwassersammler Cannstatter Straße in Mettingen gehört zu den zentralen Strängen des Kanalisationsnetzes von Esslingen am Neckar. Aufgrund fehlender Resttragfähigkeit mussten mehrere Abschnitte des Abwassersystems im Bereich des S-Bahnhofs mit Priorität saniert werden.
Keine Resttragfähigkeit vorhanden
Wie eine gründliche Untersuchung der begehbaren, zwischen 1910 bis 1921 erbauten Stampfbeton-Haubenprofile gezeigt hatte, waren sie vor Jahrzehnten in einem nach heutigen Maßstäben minderwertigem Beton ausgeführt worden, so dass aktuell keine Resttragfähigkeit mehr nachgewiesen werden konnte und die Sammler in den „Altrohrzustand IIIa“ gemäß DWA A 143-2 einzustufen waren. Ein hoch problematischer Befund vor allem angesichts der Tatsache, dass die Sammler eine viel befahrene innerörtliche Landstraße unterquerten und dauerhaft erheblichen Verkehrslasten ausgesetzt sind.
GFK- Kurzrohrlining die beste Option
Da bei diesem Befund unter den vorhandenen Rahmenbedingungen „Gefahr im Verzug“ gegeben war, wurde in drei Haltungen eine Stahl-Halbschale eingesetzt, um das Bauwerk statisch zu sichern und zugleich Zeit für eine grundlegende Sanierung zu gewinnen. Beim Sanierungskonzept, das die ISAS Ingenieure für die Sanierung von Abwassersystemen GmbH, Füssen, daraufhin für die Stadt Esslingen ausarbeiteten, lag der Fokus auf einer – selbstverständlich – „grabenlosen“ Lösung, die zum einen den anspruchsvollen statischen Vorgaben des Falles gerecht wurde, zugleich aber die hydraulische Kapazität des Sammlers weitest möglich erhielt. Vor diesem Hintergrund fiel die Verfahrensentscheidung der Sanierungsexperten für ein Lining mit Kurzrohren aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff (GFK). Diese zeichnen sich nicht nur durch exzellente statische Kennwerte aus; sie bieten die Standsicherheit von Stahlbetonrohren vor allem schon bei einem Bruchteil von deren Wandstärke und Gewicht. Das geringe Metergewicht erleichtert zudem die baupraktische Handhabung auch von Rohren begehbarer Nennweite erheblich.
Dritter Bauabschnitt:
Zustimmung im Einzelfall
Da die einzelnen Sanierungsabschnitte jeweils unterschiedliche Querschnitte bzw. Dimension hatten, mussten entsprechend unterschiedliche GFK-Rohrquerschnitte festgelegt, produziert und eingebaut werden. Zu sanieren waren in erster Linie Haubenprofile mit Trockenwettergerinne in den Abmessungen 1400/1300 und 1700/1400 sowie die zugehörigen Schachtbauwerke.
Im Laufe des Planungsprozesses, der ursprünglich nur die Bereiche nördlich der Bahntrasse Stuttgart-Ulm zum Gegenstand hatte, wurde das Vorhaben aus ökonomischen Gründen um den dritten, die Bahn unterquerenden Abschnitt erweitert. Die Montage-Baugrube, von der aus die beiden ankommenden Haltungen saniert werden sollten, war nämlich so aufwändig, dass man sich entschloss, von hier aus auch gleich die dritte, abgehende Haltung, ein Stampfbeton-Haubenprofil 2400/1850, zu renovieren. Damit bekam das Projekt, das nunmehr eine Bahnliegenschaft nicht nur berührte, sondern unterquerte, eine „besondere Note“: Nicht nur war man hier durch den Zugverkehr auf der mehrgeleisigen Trasse mit Eisenbahnverkehrslasten konfrontiert, sondern auch mit den einschlägigen Vorschriften des Eisenbahnbundesamtes (EBA). Diese aber schließen einen Einsatz des für die übrige Planung favorisierten Rohrwerkstoffs GFK im Bundesbahn-Fahrbereich grundsätzlich aus. Um am favorisierten Rohrwerkstoff GFK festhalten zu können musste eine Zustimmung im Einzelfall für das Projekt Esslingen durch das EBA erwirkt werden. In enger und intensiver Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber, Gutachter, Hersteller und EBA bzw. DB Netz AG wurden die statischen Grundlagen abgestimmt und das Rohrdesign der GFK-Kurzrohre festgelegt. Insbesondere musste ein Dauerschwingnachweis geführt sowie die Verformungsbegrenzung auf 2% des Durchmessers, maximal 10 mm, eingehalten werden.
Statische Vorgaben erfüllt
Die GFK-Kurzrohre der Amiantit Germany GmbH mit einer Rohrsteifigkeit SN 40.000 bei 46,5 mm Wandstärke bestätigten die statischen Vorgaben in den Materialversuchen und wurden somit zum Einbau für das Projekt Esslingen freigegeben.
Nachdem die ankommenden „kleineren“ Profile des Sammlers bis Ende 2015 bereits erfolgreich mit maßgefertigten GFK-Haubenprofilen des System Amiren der Amiantit Germany GmbH durch die Fa. Bramm Bau eingebaut worden waren, stand zu Jahresbeginn 2016 dann der letzte und größte Bauabschnitt unterhalb der Bahntrasse an. Hierfür waren die GFK-Kurzrohre entsprechend der statischen und geometrischen Vorgaben mit einem Außendurchmesser von DA 1624 und 46,4 Millimeter Wandstärke gefertigt worden.
Anspruchsvolle Bauausführung
Voraussetzung ihres Einbaus war jedoch eine Erweiterung des Profils im Sohlbereich. Dazu wurde das vorhandene Steinzeug-Gerinne DN 250 vorangehend zum Einbau aus dem Profil entfernt. Die je drei Meter langen und knapp 1,5 Tonnen schweren GFK-Rohre wurden in die Montage- Baugrube eingehoben und im Eingang zu dem zu sanierenden Profil auf einen stählernen, nach den Abmessungen des Sammlers konstruierten Einfahrwagen der Fa. Bramm Bau GmbH gesetzt. Die Bemessung dieses Einfahrwagens hatte zu berücksichtigen, dass auf den Bermen des Haubenprofils beiderseits der ankommende Trockenwetterabfluss über Sammelleitungen DN 250 abgeleitet wurde.
Nach Einbau des kompletten Rohrstranges wurde der Ringraum zwischen GFK-Kurzrohren und Bauwerk lagen- und abschnittsweise mit einem zementbasierten Dämmer verfüllt, bevor in einem letzten Arbeitsgang die in der Montage-Baugrube ein- und abgehenden Kanäle an einen neu gesetzten GFK-Schacht DN 2500 angeschlossen wurden. Ein technisch vergleichbarer Schacht war bereits im voran gehenden Sanierungsabschnitt gesetzt worden. Dieser Schacht mit den Anschlüssen für die unterschiedlichen einmündenden Profile war eine maßgefertigte Spezialkonstruktion, die so nur auf GFK-Basis wirtschaftlich herstellbar ist. Zudem hat dies den Vorteil, dass das komplette Hauptsammler-System in der Cannstatter Straße nun eine einheitliche, und dauerhaft hoch belastbare Materialbasis hat.
Im Rahmen der Planung und Realisierung dieser höchst anspruchsvollen und derzeit wohl einzigartigen Sanierungsmaßnahme war stets eine offene und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Stadt Esslingen am Neckar gegeben. Ohne diese Unterstützung und die Bereitschaft der Stadt, des Eisenbahnbundesamtes und der DB Netz AG auch neue Wege in der Sanierung der Hauptsammler zu gehen, wäre ein solches Projekt nicht möglich gewesen.