Erlebnisraum Neckar
Umgestaltung des WasenufersEine bereits realisierte Maßnahme des Projekts ist die Umgestaltung einer Grünfläche neben dem Parkhaus Mühlgrün. Hier setzten die Planer bei der Flächenbefestigung auf den Stuttgarter Sickerstein.
Die schwäbische Metropole Stuttgart lag ursprünglich am Nesenbach – einem kleinen, inzwischen fast komplett verdolten Bach. Durch die Vereinigung mit Cannstatt im Jahre 1905 erhielt die Stadt ihren größten und ältesten Stadtbezirk und rückte dazu auch an den Neckar. Dieser prägt seit jeher die Landschaft kulturell und räumlich. In vielen Bereichen gehen gewerblich genutzte Grundstücke, Straßen und Industrieanlagen direkt bis ans Wasser; das Ufer ist hier allerdings öffentlich nicht zugänglich. Das räumliche Gefüge aus überwiegend kommerziellen und infrastrukturellen Nutzungen führte über die Jahre dazu, dass die Stuttgarter dem Fluss lange Zeit nur wenig Interesse entgegenbrachten. Doch mit der sich wandelnden Stadtgesellschaft und einem veränderten Alltags- und Freizeitverhalten ergeben sich neue Bedürfnisse und der Anspruch an das, was Stadtraum leisten soll. Wo das Neckartal früher vorwiegend als Ort der ökonomischen Wertschöpfung gesehen wurde, besteht inzwischen das Bedürfnis, sich den Fluss als Ort der Erholung, Freizeitgestaltung und nachhaltigen Mobilität zu erschließen. Mit dem Masterplan „Erlebnisraum Neckar“ versuchen die Verantwortlichen der Stadt nun, Stuttgart wieder als Stadt am Fluss erlebbar zu machen. Zentrales Projekt hierbei ist die Umgestaltung des Wasenufers. Einige Vorhaben wie z.B. Anlegestellen für Flusskreuzfahrtschiffe und eine Wasenquerung sollen bis zum Jahre 2022 abgeschlossen sein.
Parkhaus Mühlgrün
Dunkel, schmutzig und schlechte Lage: So beurteilten Cannstatter Bürger das unmittelbar am Neckar gelegene Parkhaus Mühlgrün aus dem Jahre 1988. Obwohl es nur wenige Schritte von der Cannstatter Altstadt entfernt ist, schien das Parkhaus im Bewusstsein der Menschen nie richtig anzukommen. Einen weiteren Grund vermuteten Cannstatter Bezirksbeiräte schon lange im wenig ansprechenden Umfeld des Parkhauses. Axel Mundsinger von den Landschaftsarchitekten Mundsinger + Hans aus Ostfildern schildert die Situation: „Der Bereich machte seit langem einen tristen Eindruck. Trampelpfade, schütteres Gras und fehlende Aufenthaltsqualität erzeugten keinen einladenden Eindruck. Außerdem fehlten Sitzmöglichkeiten und eine Öffnung des Platzes zum Neckar.“
Aus diesem Grund entschieden sich die Verantwortlichen dazu, aus der Fläche erneut einen Platz zum Verweilen zu machen. Mit Geld aus der Stadtentwicklungspauschale sollte der Platz neu strukturiert werden: „Mit Hilfe eines geeigneten Pflasterbelages sollte die Fläche so umgestaltet werden, dass die vorhandenen Platanen in einem Platz sitzen und die Wurzelbereiche so gering wie möglich versiegelt werden. Ebenso war es geplant, Sitzmöglichkeiten unter den Bäumen zu schaffen, die sich über eine zentrale Treppenanlage bis auf den Neckardamm ziehen, sowie ein neuer barrierefreier Zugang zum Parkhaus“, so Mundsinger.
Wasserdurchlässig
Für die Pflasterung dieses etwa 600 Quadratmeter großen Platzes entschieden sich die Planer für den Stuttgarter Sickerstein des Betonwerks Adolf Blatt aus Kirchheim am Neckar. „Wie der Name schon vermuten lässt, hat dieses Steinsystem seine Heimat in der Stadt Stuttgart. Da wir es bereits bei einigen anderen Projekten in der Umgebung mit Erfolg eingesetzt haben, war es auch für diese Maßnahme die erste Wahl. Der Vorteil dieses Systems liegt in der Kombination aus zwei besonderen Eigenschaften. Erstens wird der Stein aus haufwerksporigem Beton gefertigt und erfüllt damit spielend die geforderten Werte der Stadt Stuttgart für die Wasserdurchlässigkeit derartiger Flächen“, so Mundsinger. Per Infiltrometerversuch erbrachte das Unternehmen den Nachweis. Die Messungen einer Fläche von Stuttgarter Sickersteinen im neu verlegten Zustand ergaben, dass bei der Verwendung von Splitt 1/3 Millimeter für die Fugenverfüllung Regenspenden von 7.100 Liter/(s x ha) versickert werden können. Damit werden die geforderten Werte für eine versickerungsfähig befestigte Fläche in Anlehnung an das DWA-Arbeitsblatt A 138 (2002) und an das zuständige FGSV-Merkblatt von mindestens 270 Liter/(s x ha) im Neuzustand bei weitem überschritten. Dies bedeutet, dass es auch bei einem stärkeren Regenereignis zu keinem Oberflächenabfluss kommen wird. Dazu erklärt Mundsinger: „Im Gegenteil: Das Wasser versickert in die darunter liegende Tragschicht, die dann wie ein Regenrückhaltebecken wirkt und dafür sorgt, dass das Wasser erst zeitverzögert weiter in den anstehenden Untergrund eindringt und dort von den Baumwurzeln aufgenommen werden kann.“
Ästhetisch
Ein weiterer Vorteil des Steinsystems liegt in seinen optischen Eigenschaften. Trotz seiner Wasserdurchlässigkeit hat der Stein eine sehr feinkörnige Oberflächenstruktur. Unterschiedliche Farb- und Formvarianten komplettieren die Produktpalette und bieten Gestaltungsmöglichkeiten für alle ästhetischen Ansprüche. „Um die Fläche des Platzes freundlicher zu machen und die Platanen optisch zu integrieren haben wir uns für eine farblich changierende Steinoberfläche in den Tönen anthrazit, gelb und grau entschieden. Dieses leicht wechselnde Farbenspiel erzeugt eine gewisse Wärme und wirkt nicht so kalt wie ein rein graues Material“, so Mundsinger.
Seit Ende 2017 ist der Platz neben dem Parkhaus neu strukturiert. Die neue Gestaltung und der barrierefreie Zugang zum Parkhaus tragen dazu bei, dass der gesamte Bereich wieder neu im Bewusstsein der Bürger angekommen ist. Das Projekt Erlebnisraum Neckar sieht vor, bis zum Jahr 2035 zahlreiche weitere Maßnahmen entlang des Neckarufers umzusetzen – um den Fluss für die Bürger Stück für Stück zugänglich zu machen.