Geotechnik im Fernstraßenbau
Auf der Autobahn A3 Frankfurt-Würzburg wurde im Bereich Rohrbrunn beim sechsspurigen Ausbau der Fahrbahn auf einer Länge von zirka 200 m der Unterbau mit Geogittern bewehrt und mit einer bis zu 13 m hohen Gabionenwand verblendet – in platzsparender und umweltschonender Bauweise.
Nachdem nun schon seit zwei Jahren der Verkehr über die neuartige Steilkonstruktion rollt, sind anfängliche Bedenken verflogen. Es wurden Baukosten in beträchtlichem Umfang eingespart. Messreihen der TU München bestätigen, dass bisher so gut wie keine Verformungen festzustellen waren. Voraussetzung für das Gelingen des Projekts war eine in jeder Phase präzise Bauausführung und nicht zuletzt die Verwendung von Geotechnik-Erzeugnissen renommierter Hersteller wie beispielsweise von dem Gabionen-Produzenten Rothfuss.
Platzsparender Ausbau
Die bergige Landschaft im Spessart ließ den Planern für den sechsspurigen Ausbau der A3 nur wenig Bewegungsraum, zumal eine wichtige Vorgabe lautete, möglichst jeden Eingriff in den ökologisch wertvollen Baumbestand zu vermeiden. Diese Anforderung wurde weitgehend erfüllt. Die Steilkonstruktion mit innovativer Geotechnik vermied es, die bestehende Dammböschung in den angrenzenden Wald zu verschieben (Siehe Zeichnung Baugrundmodell mit Stützkonstruktion).
Die platzsparende Erweiterung der Autobahn gelang mit einer spektakulären Bauweise, die in Deutschland in dieser Größe bisher einmalig ist. Um keinen zusätzlichen Grund zu verbrauchen, wurde die bestehende Böschung in eine nahezu senkrecht aufragende Stützkonstruktion umgebaut. Das bildete den Untergrund für die benötigte Fläche für die zusätzlichen Fahrspuren. Eindrucksvoll ist die mit geotechnischen Verfahren erzielte Lösung allemal.
Zur Bewehrung des Bodens wurden Geogitter aus Kunststoff in horizontalen Lagen im Abstand von jeweils einem halben Meter eingebaut und an der Front umgeschlagen. Über eine Stufe im Planum wurden die Rückumschläge während des weiteren Aufbaus der Stützkonstruktion vorgespannt, um die frontseitigen Verformungen zu minimieren. Die Gabionen als Vorsatzschale wurden nicht an den Geogittern selbst befestigt, sondern mit zusätzlichen, an die Gabionen horizontal angeschlossenen Stahlmatten in der Konstruktion verankert. Die verwendeten Gabionen vom Typ monotec der Firma Rothfuss gelten als äußerst robust. Ihre punktgeschweißten Ösen an den Mattenrändern halten Belastungen aus, die das Mehrfache dessen betragen, was in der Realität auftreten kann. Um mögliche Verformungen zu reduzieren, wurden die Drahtgitterkörbe in den unteren Lagen der Stützwand mit Überdeckungen größer als sechs Meter durch zusätzliche Distanzhalter verspannt.
Die Geogitter zusammen mit den Gabionen durchziehen das Bauwerk mit einem Stützgerüst, das Verschiebungen im Straßenunterbau praktisch unmöglich macht. Die hohe Verdichtung des Erdreichs beugt Setzungen vor. Da die gewählte Konstruktion ein Pilotprojekt darstellt, wurden über die Länge des Bauwerks drei Inklinometer zur Neigungsmessung unmittelbar hinter der Gabionenfront installiert.
Um eventuelle Verformungen in den einzelnen Geogitterlagen zu erfassen, wurden in einem Messquerschnitt über das gesamte Querprofil der bewehrten Stützkonstruktion induktive Wegaufnehmer eingebaut. Die Dauerüberwachung des Bauwerks wurde dem Zentrum Geotechnik der TU München übertragen. Gemäß den bisher ermittelten Messergebnissen bewegen sich die Verformungen im Bereich weniger Millimeter. Für ein Bauwerk dieser Größe sind es sensationell gute Werte.
Auf der Suche nach der wirtschaftlichsten Lösung
Am Anfang stand ein Kostenvergleich von unterschiedlichen Bauweisen. In die Berechnungen miteinbezogen wurden Winkelstützwände aus Ortbeton, Bauweisen aus Kunststoff-Bewehrter-Erde (KBE-Konstruktionen) mit verschiedenen Verblendungen bis hin zu einer Schwergewichtsmauer aus Naturstein, die gemäß der Vorabkalkulation die kostspieligste Lösung gewesen wäre. Gerade mal halb so teuer sollte die Verwendung von Gabionen und Geogittern werden. Diplom-Geologin Sibylle Glück, bei der Autobahndirektion Nordbayern zuständig für Geotechnik, hat das Projekt von Anfang bis Ende betreut und erinnert an den Beginn der Planungen: „Nach Prüfung der verschiedenen Varianten stellte sich die KBE-Konstruktion mit Gabionenverblendung eindeutig als die wirtschaftlichste Lösung heraus.“ Bei der Vorstellung des Bauwerks auf der von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) in Zusammenarbeit mit der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) abgehaltenen Erd- und Grundbautagung Anfang März in Bamberg unterstrich sie nochmals, dass dank der neuartigen Bauweise auch das angestrebte Ziel, alte Baumbestände zu schützen, erreicht wurde.
Beitrag zum Klimaschutz
Nachdem die geologischen Gegebenheiten auf dem betreffenden Abschnitt der A3 auf ihre Eignung hin überprüft und die sich daran anschließenden vorbereitenden Arbeiten abgeschlossen waren, konnte mit dem Aufbau der KBE-Konstruktion begonnen werden. Der Untergrund besteht dort hauptsächlich aus Buntsandstein, der sich hervorragend für die Bewehrung mit Geogittern eignet. Das benötigte Schüttmaterial wurde aus direkt benachbarten Geländeeinschnitten gewonnen, von einer Brechanlage vor Ort auf die geforderte Korngröße zerkleinert und unmittelbar eingebaut. Dadurch entfiel ein Großteil langer Transportwege für das Herbeischaffen von Liefermaterial wie beispielsweise Kies.
Bei der CO2-Bilanz eines Bauwerks stellen Transportkilometer und der Kraftstoffverbrauch der eingesetzten Baumaschinen wichtige Größen dar. Je weniger Material angeliefert und bewegt werden muss, umso geringer ist der Ausstoß an Kohlendioxid. Das Treibhausgas CO2 gilt in der Klimaforschung als der entscheidende Faktor für die Erderwärmung. Die Kombination von Geogittern und Gabionen mit der damit ermöglichten Verwendung von bereits vorhandenem Füllmaterial war im Fall der beschriebenen Baumaßnahme daher auch ein nennenswerter Beitrag zum Klimaschutz. Innovative Bauweisen ermöglichen im Straßenbau nicht nur Einsparungen an Kosten sondern auch an Energie, was einen verringerten Ausstoß von Treibhausgasen zur Folge hat.
Hohe Verdichtungswerte
Der ursprüngliche Zeitplan hatte einen Baubeginn im Winter vorgesehen. Deshalb schien der Einsatz von angeliefertem Material angeraten. Die Idee, stattdessen Erdreich direkt von der Baustelle zu verwenden, wurde schließlich von der ausführenden Josef Rädlinger Bauunternehmung GmbH ins Gespräch gebracht und in die Tat umgesetzt.
Johann Pirzer, der für das Projekt verantwortliche Bereichsleiter von Rädlinger, erinnert sich bei aller Zufriedenheit über das geglückte Bauwerk an „Anfangsprobleme“, beispielsweise an die „hohen Verdichtungswerte“, die er zu erreichen hatte. Wegen der speziellen Konstruktion hatten die Planer der GEOscope GmbH & Co. KG eine Proctordichte von 100 Prozent für das gesamte Bauwerk gefordert. Mit dieser außerordentlichen Vorgabe wollte man mögliche Verformungen des Bauwerks vorwegnehmen, die dauerhafte Tragfähigkeit sicherstellen und Setzungen minimieren.
Erfüllt wurden die strengen Werte bei der Verdichtung unter anderem durch die Zugabe von Wasser bis zum optimalen Wassergehalt des Füllmaterials und eine auf das Bodenmaterial abgestimmte Verdichtunstechnologie. Laufende baubegleitende Qualitätsüberprüfungen durch den TÜV Rheinland, LGA Nürnberg, achteten auf die korrekte Ausführung aller Einbauschritte. Allem Anschein nach haben sich die vielfältigen Anstrengungen ausbezahlt. Denn die bislang gemessenen Verformungen sind erheblich geringer als ursprünglich prognostiziert.
Feinabstimmung der Einbauschritte
Der zügige Baufortschritt hing entscheidend von der Koordination der beteiligten Firmen ab. Nach dem Aufbau einer Schicht mit Gabionen einschließlich ihrer Befüllung mit Kalkstein wurde jeweils eine Lage Geogitter ausgelegt; dann folgte die Hinterfüllung mit dem aufbereiteten Sandsteinmaterial. Die wiederkehrenden Arbeitsschritte erforderten eine sorgfältige und detaillierte Abstimmung zwischen der Erdbaufirma und des für den Bau der Gabionenwand zuständigen Subunternehmens Nacken GmbH.
Aus der Sicht von Johann Pirzer, Bereichsleiter des Generalauftragnehmers, waren die Arbeitsabläufe etwas gewöhnungsbedürftig. Die Erdbau-Firma Rädlinger sei schließlich in der Lage, bei einem großen Tiefbau-Vorhaben täglich bis zu 10.000 Kubikmeter Material einzubauen, sagt er, während es bei der von ihm betreuten KBE-Konstruktion auf der A3 meist nicht mehr als 400 Kubikmeter gewesen seien. Dass die Steilkonstruktion dennoch in nur 12 Wochen Bauzeit fertig gestellt wurde, ist ein Hinweis darauf, dass durch die intelligente Verknüpfung innovativer Baumaterialien an anderer Stelle Zeit gespart wurde.
Gabionen mit Sonderzuschnitt
Das schwäbische Unternehmen Rothfuss hat vor nunmehr 25 Jahren die punktgeschweißten Gittermatten für den Einsatz im Gabionenbau auf dem deutschen Markt eingeführt. Wichtige Belastungstests, die Standards für den Rest der Branche setzten, wurden von Rothfuss durchgeführt. Wenn Statiker heute in der Lage sind, die Dauerhaftigkeit von Gabionen-Konstruktionen mit ausreichender Zuverlässigkeit zu kalkulieren, ist dies nicht zuletzt auch das Verdienst von Rothfuss.
Da die Gabionenwand in bergigem Gelände liegt und die darüber führende Straße an dieser Stelle leicht ansteigt, war es auch sehr wichtig, dass der Lieferant der Gitterkörbe in der Lage war, ohne größere Zeitverzögerung Gabionen mit Sonderzuschnitten zu fertigen. Über eine solche Flexibilität verfügt ein Unternehmen wie Rothfuss, das im Inland für den heimischen Markt fertigt. Gabionen in Sondergrößen herzustellen, gehört zum täglichen Geschäft des Unternehmens. Einbaufirmen wissen es zu schätzen, wenn sie an kniffligen Stellen die Gittermatten nicht von Hand zurecht biegen müssen.
Mit Hilfe von Ökobilanzen versucht man die Umwelteinwirkungen von Produkten während ihres gesamten „Lebensweges“ zu bewerten. Auch Bauwerke können mit solchen Kalkulationen hinsichtlich ihrer Öko-Verträglichkeit erfasst werden. In die Analyse mit eingeschlossen sind der Energie- und Maschineneinsatz bei der Rohstoffgewinnung sowie sämtliche Schritte zur Fertigung des Produkts, der Transport zum Einsatzort und die Phase seiner Nutzung. Eine maßgebliche Größe, die dabei ermittelt wird, ist die Summe des gesamten Energieverbrauchs auf dem Herstellungs- und Nutzungspfad, der so genannte „kumulierte Energieaufwand“ (KEA). In die Berechnungen fließt auch die spätere Entsorgung mit ein, vor allem wenn diese aufwendig und mit Umweltgefährdungen verbunden ist. Vergleichende Ökobilanzen erlauben es auch, unterschiedliche Bauweisen hinsichtlich ihrer Umweltverträglichkeit zu bewerten und gegeneinander abzuwägen.
Da im Straßenbau große Mengen an Material bewegt werden, wirkt sich der effiziente Einsatz von Baustoffen erheblich auf den KEA aus. Ins Gewicht fallen auch Treibstoffe für den Transport und die Baumaschinen. Je weniger Material aus großen Entfernungen angefahren werden muss und je weniger Aufwand für die Verarbeitung der Stoffe anfällt, umso positiver sieht die Umweltbilanz aus.Bauweisen, die einen vergleichsweise höheren Verbrauch an Energie erfordern, führen auch zu einem Anstieg des Kohlendioxid-Ausstoßes. Bei einem Großprojekt können sich die zusätzlichen CO2-Emissionen auf einige Tausend Tonnen addieren.