„Mosaik“-Design mit
Fassaden-Gabionen
Entlang der A8 bei Karlsbad verleihen seit kurzem mit Granitstein gefüllte Fassaden-Gabionen einer gewaltigen Stützwand über 700 m einen natürlich leichten Look. Das gesamte Bauwerk vermittelt den Eindruck eines großflächigen Mosaiks.
Die Vorsatzschale aus Granitstein, eingepackt in fast 5000 schmale Gitterkörbe, verschönert eine unansehnliche Bohrpfahlwand. Das Bauwerk ragt an den höchsten Stellen neun Meter nach oben und stützt den dahinter liegenden Berg ab. Wegen der komplizierten geologischen Verhältnisse und infolge des hohen hydrostatischen Drucks in dem Bereich mussten die Beton-Bohrpfähle bis zu 16 m in den Untergrund getrieben werden. Laut Regierungspräsidium Karlsruhe, zuständig für die Planung und die Bauüberwachung, waren in erster Linie gestalterische Gründe ausschlaggebend für die Wahl der Gabionenverkleidung. Die Befüllung mit Naturstein bindet das Bauwerk in die Umgebung ein. Mit ihrem filigranen Fugenbild nehmen die Wandverkleidungskörbe der wuchtigen Betonstützwand optisch ihre Massivität.Die Gabionen bilden eine Vorsatzschale aus naturbelassenen Materialien, was erfahrungsgemäß zu einer breiten Akzeptanz in der Bevölkerung führt. Neben dem unbestreitbar guten Aussehen haben die Gitterkörbe den Vorteil, dass sie Le-
bensräume für Kleinlebewesen bereitstellen und deshalb als naturnahe Form der Landschaftsgestaltung wahrgenommen werden.
Vorhang aus Naturstein
Das Konzept eines „Vorhangs“ aus Naturstein war nicht vollkommen neu. Vorgesehen war diese Lösung laut Regierungspräsidium Karlsruhe bereits vor einiger Zeit bei einem vergleichbaren Bauvorhaben, für das die Planung aber noch nicht abgeschlossen ist. Erstmals sichtbar ist die Idee nun an der Stützwand entlang der A8 bei Karlsbad.
Realisiert wurde das innovative Design mit Wandverkleidungskörben (WVK) des Premiumherstellers Rothfuss. Das Unternehmen mit Stammsitz in Hemmingen im Landkreis Ludwigsburg gehört zu den führenden Herstellern von langlebigen Drahtprodukten im Bereich Geotechnik. Bei Fassaden-Gabionen verfügt die Firma zudem über jahrelange Erfahrung. Die sichere Verankerung der gewichtigen Steinkörbe wird von einem Hängesystem gewährleistet, das von Rothfuss entwickelt worden ist. Die Planer konnten auf ein technisch ausgereiftes System zurückgreifen.
Pflegeleichter Unterhalt und lange Lebensdauer
Diese innovative Bauweise ist landesweit bisher einmalig. Das für das Gesamtprojekt zuständige Baureferat Mitte beim Regierungspräsidium Karlsruhe hält die Gabionenlösung grundsätzlich für geeignet, um optisch unattraktive Unterkonstruktionen durch einen „Gesteins-Vorhang“ aufzuwerten. Die geringen Aufwendungen für den Unterhalt und die lange Haltbarkeit der korrosionsgeschützten Gitterkörbe sind weitere Positivkriterien gewesen, unterstreicht Projektleiter Hellinger. Tatsächlich wäre eine Reparatur im Falle einer Beschädigung der Verkleidung unkompliziert. Die Gesteinskörbe können einzeln ausgehängt und durch neue ersetzt werden. Im Schadensfall kann auch die Unterkonstruktion punktuell instandgesetzt werden. Auf einen weiteren, nicht unwesentlichen Vorteil verweist Gilbert Waldmann vom Karlsruher Ingenieurbüro Obermeyer Planen und Beraten, das mit der Ausschreibungsplanung beauftragt war. Bauwerke entlang einer Schnellstraße neigen dazu, stark zu verschmutzen. Der von vorbeibrausenden Fahrzeugen aufgewirbelte Dreck fällt auf einer Gabionenwand erheblich weniger auf als beispielsweise auf einer glatten Betonoberfläche.
Fertigstellung in Rekordzeit
Insgesamt lieferte das Unternehmen Rothfuss 4 935 Gabionen für sein bislang größtes Wandverkleidungs-Projekt. Wie bei einem derartigen Vorhaben üblich, stand auch die A8-Ausbaustrecke zwischen Pforzheim-West und Karlsbad unter einem enormen Fertigstellungsdruck. Kurz nach Lieferung der ersten Gabionen Mitte September wurde bekannt, dass die ursprünglich angesetzte Einbauzeit von neun Wochen auf sechs Wochen verkürzt werden musste, um mit der geplanten Umlegung der Fahrbahn nicht in Verzug zu geraten.
Die größte Herausforderung, die es zu meistern galt, war der punktgenaue Materialfluss nach dem „Just-in-Time“-Prinzip, abgestimmt mit dem Montagefortschritt auf der Baustelle. Das Befestigungssystem wurde in genau getakteten Arbeitsschritten angebracht. Insgesamt mehr als zehn Kilometer verzinkte C-Schienen, an denen die Wandverkleidungskörbe eingehängt sind, mussten im richtigen Moment zur Stelle sein. Verschraubt sind diese Hängeschienen an vertikalen Stahlprofilen, die mit sechseinhalbtausend Ankerbolzen an der Bohrpfahlwand gesichert sind. Zwecks Erhöhung der Stabilität sind am unteren Ende dieser senkrecht stehenden Stahlprofile Fußplatten angeschweißt. Sämtliche Metallteile sind verzinkt.
Mit der gesamten Montage der Wandverkleidung hatte der Generalunternehmer Max Bögl eine Spezialbaufirma beauftragt. Das Meiste war Handarbeit. 25 Mann, aufgeteilt in mehrere kleine Teams, bewältigten die Aufgabe nicht zuletzt dank des ausgeklügelten Rothfuss-Systems in der Rekordzeit von etwas weniger als sechs Wochen. Dabei hatten sie gewaltige Massen zu bewegen. Allein die Steinkörbe mit ihrer Granitbefüllung wiegen rund 518 Tonnen. Hinzu kam das massive Hängegerüst der Unterkonstruktion aus Stahl.
Manfred Beckert, technischer Leiter bei Rothfuss und für das Projekt verantwortlich, war vor allem wegen des Unterschreitens der Zeitvorgaben zufrieden. Erfreut zeigt er sich auch über den breiten Zuspruch zu dem gelungenen Design: „Schon während der Planungs- und Bauphase stieß diese innovative Lösung auf vielseitiges Interesse. Seit der Fertigstellung erfährt die mit unseren Wandgabionen erzeugte architektonische Ästhetik allgemein viel Lob und Anerkennung.“
Passgenaue Elemente
Voraussetzungen für ein ebenmäßiges Fugenbild bei gleichzeitig schneller Bauausführung sind passgenaue Körbe und besondere Sorgfalt bei der Montage. Für die zügige Befüllung auf der Baustelle fertigte man schräg gestellte Tische, auf denen man die Granitsteine mühelos in die Gabionen schieben konnte. Um sicherzustellen, dass die Gitterkörbe kompakt gefüllt waren, wurde ein Teil der Steine von Hand nachgeschichtet. Zusätzlich wurden die Körbe, soweit nötig, leicht gerüttelt.
Die formstabilen Rothfuss-Gabionen und ihre fachgerechte Befüllung garantierten anschließend ein zügiges und störungsfreies Aufhängen der Körbe am zuvor montierten Stahlgerüst an der Bohrpfahlwand. Nach außen zeigt sich die genaue Arbeit in Form von tadellosen Ansichten. Die vertikalen und horizontalen Linien scheinen wie mit der Schnur gezogen zu sein. Udo Bauer, Bauleiter von Seiten des Generalunternehmers Max Bögl, äußerte sich zufrieden mit dem Aussehen der Wand. Im Rückblick auf die Bauphase erinnert er aber auch an den erhöhten Personaleinsatz.
Da Erfahrungswerte hinsichtlich der Montagezeiten bei einem derartigen Großprojekt fehlten, war Improvisationstalent gefragt, vor allem angesichts des verkürzten Termins zur Fertigstellung. Erfreulich sei letztlich, sagt Bauer, dass alles rechtzeitig fertig geworden sei.
Verbesserter Lärmschutz
Die Stützwand hat auch die Funktion, naheliegende Wohngebiete vor Verkehrslärm zu schützen. Der großräumigen Ausbreitung des Verkehrslärms wird allein schon durch die Absenkung der neuen Fahrbahn um mehrere Meter in einen Geländeeinschnitt stark entgegengewirkt. Zusätzlich bricht die zerklüftete Oberfläche der Gabionen-Verkleidung den Schall, was die Schallausbreitung weiter vermindert. Auch wenn letztlich gestalterische Gründe den Ausschlag für den „Vorhang“ aus Granitstein gegeben haben, sieht man beim Regierungspräsidium Karlsruhe den zusätzlichen Vorteil, dass Gabionen mit ihrer diffusen Oberfläche sich „tendenziell besser als Lärmschutz“ eignen als glatte Betonschalen.
Um künftig mit Wandverkleidungskörben eine weiter verbesserte Dämmung des Reflexionsschalls zu erreichen, ließ Rothfuss kürzlich aufwändige Untersuchungen beim Fraunhofer-Institut für Bauphysik durchführen. Unter welchen Voraussetzungen Gabionen den Schall am stärksten absorbieren, war die zentrale Frage der Testreihe. Die bisherigen Prüfergebnisse sind ermutigend: In Verbindung mit einem Absorber erreichen bestimmte Gesteinsfüllungen Messergebnisse, die als „hochabsorbierend“ gelten.
Dass harte Betonflächen akustisch wie eine Echowand wirken und mehr Lärm reflektieren als eine unregelmäßige, poröse Oberfläche, liegt auf der Hand. Die jüngst durchgeführten Messungen durch ein wissenschaftliches Institut liefern nun nachprüfbare Werte, die Ingenieure bei ihren Kalkulationen verwenden können.
Schwierige geologische Verhältnisse
Bis zu 16 m tief reicht die Bohrpfahlwand in den Boden. Diese massive Bauweise war notwendig wegen des besonderen Aufbaus des Untergrunds. In der oberen Schicht befindet sich wasserdurchlässiger Muschelkalk, darunter Buntsandstein, der wegen der darin eingelagerten Tonsteine wie eine Dichtungsschicht wirkt. In dem Bereich des Autobahnausbaus lagert also nicht weit unter der Oberfläche ein Grundwasserkörper aus Muschelkalk wie eine Art Schwamm über der nahezu wasserundurchlässigen Buntsandsteinschicht. Dies hat zur Folge, dass sich in dem Berg hinter der Stützwand ein hoher hydrostatischer Druck aufbauen kann. Bohrungen im Rahmen der ersten Geländeerkundungen, begleitet von Mailänder GeoConsult (Karlsruhe), ergaben zwar, dass keine allzu große Grundwasserneubildung im Gange war. Bei Starkniederschlag über einen längeren Zeitraum kann sich jedoch Wasser aufstauen und zu einem beachtlichen hydrostatischen Druck führen, betont die für die ursprünglichen Grundwassererkundungen zuständige Geologin, Dr. Ulrike Mainka.
Aufgrund der besonderen geologischen Verhältnisse musste die Stützwand so tief gesetzt werden, dass sie in die Buntsandsteinschicht einbindet. Andernfalls könnte Wasser unter dem Wandfuß durchdringen, in den Fahrbahnbereich gelangen und schlimmstenfalls Auftriebskräfte auslösen, welche in der Lage wären, die Fahrbahn anzuheben. Denn die Straße liegt immerhin noch auf einem vier Meter hohen Bett aus Muschelkalk.
Daueranker im Felsbereich
Die Planer gingen davon aus, dass die Stützwand zumindest zeitweise hydrostatisch belastet ist. Als Bemessungswasserstand nahmen sie die Oberkante der Bohrpfahlwand an. Dies musste als Bemessungsgrundlage angesetzt werden, um alle denkbaren Belastungen aufnehmen zu können. Hierzu wurden im Luftbereich an der Bohrpfahlwand Dauerlitzenanker eingebaut. Diese „Felsnägel“ reichen bis zu 30 Meter in den Untergrund. Jeder Anker kann eine Zugkraft von 1 600 kN aufnehmen, was einer Gewichtskraft von 160 t entspricht. Laut Projektleiter Stephan Hellinger vom Regierungspräsidium wurden konstruktiv alle Vorkehrungen getroffen, um die Gefahr von Auftriebskräften im Fahrbahnbereich auszuschließen. Da auch auf der gegenüberliegenden Nordseite Grundwasser zufließen kann, wurden dort Drainageschlitze eingebaut. Aufgrund der Empfehlung im Baugrundgutachten, erstellt von der Ingenieur-Gruppe Geotechnik, IGG Kirchzarten, wurde die Stützwand nicht durchlässig, sondern dichtend ausgeführt, und zwar in Form einer überschnittenen Bohrpfahlwand. Dazu wurden zunächst Pfähle (Durchmesser 120 Zentimeter) im Abstand von 90 cm gebohrt. Beim anschließenden Setzen der Pfähle in den Zwischenräumen wurden die benachbarten Pfähle wieder angebort. Durch die Überschneidung ergibt sich eine weitestgehende Dichtigkeit von theoretisch 100 Prozent.
Der sechsstreifige Ausbau der A8 zwischen den Anschlussstellen Karlsbad und Pforzheim-West erstreckt sich über neuneinhalb Kilometer. Das Projekt ist in vier Lose aufgeteilt, wobei der in diesem Artikel behandelte Abschnitt bei Mutschelbach als der anspruchvollste Bereich gilt. Die Gesamtbaukosten sind mit 140 Millionen Euro veranschlagt.
Rothfuss GmbH u. CO. KG