„Heißes“ Projekt in der kalten Jahreszeit
Wickelrohre für Abwasser-Verbindungssammler im Thüringer Wald
Trotz umfangreicher Investitionen in den letzten Jahren herrscht in Thüringen noch erheblicher Nachholbedarf bei der Schaffung einer zeitgemäßen Abwasserinfrastruktur. 2006 betrug der Anschlussgrad der Einwohner an eine öffentliche Kanalisation erst 68 %. Auch jetzt noch werden hier also Gemeinden oder einzelne Ortslagen durch Kanalisierung neu erschlossen und an Abwasserbeseitigungsanlagen angebunden.
So auch seit Herbst 2009 in St. Kilian im Rennsteig-Gebirge. Hier galt es den Ortsteil Erlau neu zu kanalisieren und durch einen Verbindungssammler, der auch das Glaswerk Schleusingen entsorgen wird, an die Kläranlage anzuschließen. Angesichts der Dringlichkeit des Vorhabens beschloss der in Suhl ansässige Zweckverband Wasser Abwasser „Mittlerer Rennsteig“ (ZWAS), als Anlagenbetreiber nach sorgfältiger Abwägung und in Abstimmungmit dem Ingenieurbüro sthp Suhl GmbH, den Verbindungssammler im Zuge eines Winterbauvorhabens zu verlegen. Aufgrund systembedingter Vorteile entschied man sich dabei für GFK-Wickelrohre der Amitech Germany GmbH, Mochau.
Ein wichtiges Argument für den ungewöhnlichen Zeitkorridor war die Tatsache, dass die Trasse des Sammlers das Biosphärenreservat „Vessertal Thüringer Wald“ berührt. Hier galt es die ökologischen Folgen des Bauens geringst möglich zu halten – und das ist in der biologischen Winterruhe eher möglich als während des übrigen Jahres.
Bautechnisch ist ein Leitungsbau-Wintereinsatz, zumal im Thüringer Mittelgebirge, natürlich ein extrem anspruchsvolles Vorhaben. Winterliche Tieftemperaturen wirken sich sowohl auf den Boden als auch auf die Rohrwerkstoffe und sonstigen benötigten Materialien potentiell problematisch aus. Schon hier lag ein Grund für den Einsatz von GFK-Rohren. Diese sind thermisch reaktionsträge und zeichnen sich durch einen ausgesprochen geringen Ausdehnungskoeffizienten aus. Eine im Winter verlegte GFK-Leitung ist im Hochsommer definitiv noch genau so lang wie vorher. Ein weiteres Plus war gerade im Projekt Erlau das geringe Metergewicht, das den Einbau sechs Meter langer Rohre erlaubte, was wiederum die Logistik ebenso deutlich vereinfachte wie den eigentlichen Bauvorgang. Immerhin mussten 2100 Meter Rohre DN 250 und 200 Meter DN 200 in unwegsamem Gelände transportiert und verlegt werden. Unter solchen Bedingungen spielte auch eine Rolle, dass man wegen der leichten Flowtite GFK-Rohre in klassischer manueller Verlegung „mit Brechstange und Kantholz“ arbeiten konnte, wasnaturgemäß auch besonders umweltschonend ist. Besonderes Augenmerk beim Einbau durch die STL Sonneberg GmbH kam den Rohrverbindungen zu. Die Reka-Kupplungen mussten frostfrei zusammengefügt und besonders gut eingefettet werden.
Ein Kernproblem bei winterlichenLeitungsbaustellen ist bekanntlich die Frostbelastung des Bodens. Auf der Baustelle St. Kilian kam den Planern entgegen, dass der dort hohe Grundwasserstand und die erfahrungsgemäß zu erwartende Schneedecke von bis zu 80 cm Stärke den Frosthorizont auf eine Tiefe von maximal 20 cm einschränkt. Vorteilhaft wirkte sich hier der kiesige Untergrund im Sohlbereich aus. Andererseits machte der Grundwasserstand auch eine durchaus anspruchsvolle Grundwasserabsenkung und -ableitung im jeweiligen Baubereich notwendig, bevor man die Rohre im trocken gelegten Rohrgraben verlegen konnte. Ein gewisser, im Sommer unüblicher Aufwand musste auch getrieben werden, um die Bettungsmaterialien trocken und frostfrei zu lagern und zu verarbeiten.
Obwohl der Winter 2009/2010 seinem Namen bekanntlich alle Ehre machte, konnten die Terminziele bei der Verlegung des Verbindungssammlers St.-Kilian – Schleusingen mit erstaunlicher Präzision eingehalten werden. Dem vorgesehenen Abschluss des Gesamtprojektes im Herbst 2010 steht aus aktueller Sicht wohl nichts entgegen. In einem sind sich alle Beteiligten bereits jetzt einig: Die ungewöhnliche Winterbauepisode im Rennsteig war ein Erfolgserlebnis der ganz besonderen Art.n