Herausforderung der besonderen Art
Ein Leopard treibt seit April sein Unwesen auf der Autobahnbaustelle an der A 3 zwischen Kauppenbrücke und Anschlussstelle Rohrbrunn. Die Raubkatze, besser bekannt als Cat Kettenbagger 390DL, krallt sich in den Fels der Kategorie Buntsandstein.
Das Unternehmen Leonhard Weiss setzt die Baumaschine, die in der schweren Erdbewegung zu Hause ist, mit Baggerfahrer Klaus Trump am Steuer ein. Zusammen mit dem Arge-Partner Gebrüder Stolz müssen in 32 Monaten bis Oktober 2015 in Summe 1,7 Millionen Kubikmeter Masse entlang der 7,5 Kilometer langen Ausbaustrecke bewegt werden. Und die haben es aufgrund der auftretenden Bodenklassen drei bis sieben in sich.
Die beiden Arge-Partner müssen für den sechsstreifigen Ausbau zwischen Kauppenbrücke und Anschlussstelle Rohrbrunn plus eine Kriechspur für die Lkw am Kauppenaufstieg sorgen. Die neue Trasse rückt bei Weibersbrunn deutlich nach Süden ab. Dazu muss ein bis zu 30 Meter tiefer Einschnitt in das Gelände gegraben werden. Eine besondere Rolle spielt dabei die Großkatze: Leopard – dieser Namen prangt auf dem 90-Tonnen-Bagger mit besonderem Branding, bevor er seinen Einsatz nach einer ordnungsgemäßen Taufe und nach dem Spatenstich am 12. April aufnahm.
Das familiengeführte Bauunternehmen aus Satteldorf suchte im Vorfeld der Baumaßnahme auf Facebook nach einem Namen für das Kraftpaket. 300 Vorschläge gingen ein – drei schafften es in die engere Auswahl, der Sieger wurde mit einem Cat Baumaschinenmodell belohnt. Am Ende kürte ein Gremium den Leoparden, in der Kurzform Leo, der nicht nur Assoziationen mit dem Firmennamen Leonhard Weiss wecken soll, sondern auch noch an eine starke Raubkatze erinnert. So wie ein Leopard ungeheure Kräfte mobilisieren kann, so muss auch die Baumaschine eine gewaltige Hydraulikleistung abrufen können. Denn was von ihr besonders gefordert wird, ist Produktivität auf höchstem Niveau.
Die Baumaschine mit einer Motorleistung von 390 kW (530 PS) ist eines der Schlüsselgeräte beim sechsstreifigen Ausbau zwischen Kauppenbrücke und der Anschlussstelle Rohrbrunn und eines der Zugpferde unter den Geräten auf der Baustelle. „Ohne den Bagger hätten wir ein riesiges Problem bei der Massenbewegung. Alle schwärmen auf der Baustelle von Leo. Es war die richtige unternehmerische Entscheidung für diese Investition. Wir mussten uns zu einer Zeit festlegen, als noch gar nicht feststand, ob wir den Auftrag überhaupt an Land ziehen“, meint Simon Weilnhammer, Bereichsleiter Straßenbau aus Bad Mergentheim. Schließlich hat ein Gerät in dieser Größenklasse auch entsprechende Lieferzeiten und musste auf seinen Job vorbereitet, respektive ausgerüstet werden.
Mit 590 kN Zugkraft und einer Reißkraft von 325 kN geht es hart zu Sache. Der Bagger hat es in kurzer Zeit auf 1 300 Einsatzstunden gebracht. Doch angesichts der zum Teil vorhandenen Druckfestigkeiten und Felsklüfte kommt die Baumaschine an ihre Grenzen, immer wenn das Gerät in Bereichen der Bodenklasse sieben agiert, die als mechanisch nicht mehr lösbar gilt. „Wir sprechen hier dann von einaxialen Druckfestigkeiten von circa 40 N/qmm“, weist Bauleiter Patrick Bergelt hin. Dann hilft nur noch Dynamit – Sprengungen sind der letzte Ausweg. Doch genau diese wollte Leonhard Weiss so weit wie möglich vermeiden und suchte rechtzeitig nach einer praktikablen Alternative, für die sich das Unternehmen an die Zeppelin Niederlassung Böblingen wandte.
Dort nahmen sich die Mitarbeiter wie Martin Wurst und Joachim Fuchs der Sache an. Sie gingen in Vorleistung und gaben eine geologische Untersuchung in Auftrag. Stefan Oppermann von der Abteilung Projekt- und Einsatzberatung verschaffte sich vor Ort Klarheit über die geologische Situation. „Die gewonnenen Erkenntnisse plus die Erfahrungen aus anderen vergleichbaren Einsätzen der letzten 20 Jahre, waren die Grundlage für das Zusammenstellen eines passenden Gerätemixes für diese Baustelle“, so der Zeppelin Niederlassungsleiter Thomas Böger aus Böblingen.
Das Ergebnis der Untersuchungen: ein Großbagger mit flach aufbauendem Schnellwechselsystem,sodass der Fahrer mit entsprechenden Anbaugeräten dem Sandstein Herr werden kann. Darum wurde der Bagger mit einem Reißzahn bestückt, um den Sandstein zu lockern. Mit einem 5,2 Kubikmeter großen Löffel wird dieser mit vier Ladespielen auf Dumper vom Typ Cat 730 verladen.
Ein Novum für den 90-Tonnen-Bagger: Er nutzt ein vollhydraulisches Schnellwechselsystem, um den Reißzahn und Löffel zügig gegeneinander austauschen zu können. Angesichts des verschleißintensiven Einsatzes sind die Zahnspitzen des Grabgefäßes besonderen Belastungen ausgesetzt. Um sie möglichst lange einsetzen zu können, werden sie alle 300 Betriebsstunden gewechselt. Selbst an den Wechselvorgang wurde gedacht: Man muss nur eine Kugelbefestigung lösen und schon liegen die Zähne frei.
Sind die Felsbrocken jedoch eine Nummer zu groß für den Leo, kommen 30-Tonnen Bagger mit Hydraulikmeißeln ins Spiel, um den Fels auf Einbaugröße zu zerkleinern. Dumper bringen das Material dann beispielsweise zur Talbrücke Aschafftal, wo es als Vorschüttung für die Widerlager der späteren Talbrücke dient. Nach dem Abladen greifen Raupen ein, die das Material verteilen. Zudem sind zwei Prototypen einer speziellen Walze im Einsatz, an deren Bandage kleine Felsmeißel wie Spikes angebracht sind, die sich über Vibration in den Stein bohren, ihn aufbrechen und für die Zerkleinerung sorgen.
„Was wir hier im Autobahnbau und in der Erdbewegung leisten, ist zweifelsfrei von höchstem Niveau. Das vorherige Los war schon anspruchsvoll und auch danach ist es nicht einfach. Aber es gibt an der A 3 kaum ein Los, das so schwierig ist wie dieses“, beschreibt Projektleiter Ralf Roch die Einsatzbedingungen. Das liegt nicht nur an den 500 000 Kubikmetern Fels in bis zu 25 Metern Tiefe, sondern auch die beiden Arge-Partner haben es hier mit veränderlich festen Gesteinen zu tun. „Sobald das Gestein gelöst wird, verändert es die Form und wird zu Sand. Entweder ist es hier staubtrocken oder es schmiert“, so der Projektleiter. Bei Regen sind die Bautrassen kaum noch befahrbar.
Damit nicht genug – eineweitere Schwierigkeit besteht am Anfangdes Kauppenaufstiegs. Hier gibt es einen Hang, 17 Grad geneigt, der jederzeit aufgrund seiner Geologie und aufgrund sogenannter hangparalleler Gleitschichten abrutschen könnte. Im Volksmund heißt es „Wilder Fels“. An dieser Stelle müssen 900 000 Kubikmeter Masse bewegt werden, um den Höhenunterschied von alter und neuer Autobahn auszugleichen. Schon vor den Erdarbeiten wurde die bestehende Autobahn mit einem Berliner Verbau gesichert. Fahren nun die Baumaschinen in den Hang hinein, steht ein Geologe zur Seite, der die Arbeiten beobachtet und darauf achtet, ob sich Risse bilden, die einen Hangrutsch ankündigen. Zur weiteren Sicherheit wird mithilfe von Vermessungstechnik jede kleinste Veränderung registriert. Schließlich geht es um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer und der Mitarbeiter, die dort unter anderem 14 Meter hohe bewehrte Erden einbauen. Notfallpläne wurden vorsorglich ausgearbeitet. Sollte es nötig werden, wird die Autobahn gesperrt.
Eine weitere Besonderheit: 350 000 Kubikmeter an Erdmassen müssen nach dem Ausbau erst einmal zwischengelagert werden. Dafür wurden eigens Deponien angelegt. Die Erdmassen dienen später unter anderem dem Lärmschutz von Weibersbrunn. Doch wegen der bestehenden Autobahn können sie erst später aufgebracht werden. Als die Fahrspuren in den 1950er-Jahren errichtet wurden, sah die Planung vor, ein vorhandenes Tal aufzuschütten. „ Nun hat man festgestellt, dass sich der Luftstrom Richtung Weibersbrunn geändert hat. Das Schließen des Tales hatte Folgen für den Wildwechsel und das Klima. Das soll sich ändern“, so Bergelt. Die Konsequenz: Das Tal muss wieder geöffnet werden. Dazu müssen 210 000 Kubikmeter Erdmaterial aus dem Tal herausgeschafft werden. Welche Summen hier bewegt werden, wird anhand eines Vergleichs deutlich: Für die Südumgehung in Bad Mergentheim, eine der größeren Einzelmaßnahmen in Baden-Württemberg, waren 120 000 Kubikmeter Erdbewegung erforderlich. An der A 3 ist es das 14-fache davon.
Über 60 Millionen Euro lässt sich die Bundesrepublik, vertreten durch den Freistaat Bayern und die Autobahndirektion Nordbayern, den Ausbau kosten. Rund ein Fünftel der Kosten macht alleine der Erdbau aus. Die übrigen Kosten verursacht der Oberbau, die Frostschutzschicht von 150 000 Kubikmetern, der Asphalteinbau von 260 000 Quadratmetern und das Verlegen von Rohrleitungen auf einer Länge von 40 000 Metern. Hinzu kommen noch sechs Brückenbauwerke, die parallel von den Firmen Max Bögl, Berger Bau, Streicher und Hörnig errichtet werden. Zur Maßnahme gehören ferner eine Grünbrücke für den Wildwechsel und eine Überführung für die Staatsstraße 2308. Die Anschlussstelle Weibersbrunn wird umgebaut. Bestehende Bauwerke müssen abgebrochen werden und ein Regenrückhaltebecken in Stahlbeton gilt es zu errichten. Die Lärmbelastung der Gemeinde Weibersbrunn soll durch ein Abrücken der Trasse und die Erstellung eines Lärmschutzwalls verringert werden.
Der Neubau der A 3, die Ende der 1950er- und Anfang der 1960er-Jahre als vierstreifige Autobahn durch den Spessart und Steigerwald gebaut wurde, ist aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens erforderlich, das sich von Jahr zu Jahr erhöht hat. 2013 beträgt es über 62 000 Fahrzeuge am Tag. Neueste Prognosen gehen ab 2020 von rund 76 000 Fahrzeugen aus, die Richtung Frankfurt bzw. Nürnberg rollen. Zahlreiche Staus und vermehrte Unfälle sind an der Tagesordnung. Doch nicht nur die immer größere Blechlawine rechtfertigt die Baumaßnahme an der A 3, die Bestandteil des transeuropäischen Verkehrsnetzes ist und die Beneluxstaaten mit Südeuropa und Bayern mit den Zentren am Rhein verbindet. Die alte Fahrbahn wies enge Radien, große Steigungen und eine geringe Sichtweite auf. Deswegen sind alleine 120 000 Kubikmeter Massenbewegung erforderlich, um durch das Abflachen der engen Kurven die Strecke zu begradigen.
Lange vor der Angebotsabgabe am 28. September 2012 war die Bietergemeinschaft, bestehend aus den Firmen Leonhard Weiss und Gebrüder Stolz, mit den Vorbereitungen beschäftigt. Alleine der gedruckte Bauvertrag samt Vorbemerkung und Leistungsverzeichnis ist rund zehn Zentimeter dick. Als die Auftragsvergabe am 11. Februar dieses Jahres erfolgte, musste es Schlag auf Schlag gehen, um die Baustelle einzurichten und Equipment heranzuschaffen. Im Durchschnitt hat die Arge bis zu 15 Bagger, fünf Raupen, 14 Dumper, darunter drei neue Cat 730, sowie 14 Einbauwalzen im Einsatz. Den Maschinen stehen derzeit rund 65 Mitarbeiter von Leonhard Weiss zur Seite. Wenn im nächsten Jahr die Streckenarbeiten fortgeführt werden, wächst der Personaleinsatz noch einmal auf 200 Mitarbeiter an.
„Typisch für unsere Firmenkultur und unser Erfolgsrezept ist eine ruhige Führung“, erklärt Simon Weilnhammer. Ihn unterstützen Projektleiter Ralf Roch, Bauleiter Patrick Bergelt, Vermesser Daniel Lechner, Kaufmann Klaus Disam und Oberpolier Markus Landwehr mit seiner Mannschaft. Dieselbe Personalstruktur liefert auch der Arge-Partner, die Firma Gebrüder Stolz, mit dem Bauleiter Matthias Pfleger, Vermesser Michael Seidlitz, Kaufmann André Reinisch und Oberpolier Bernd Vorndran.
Das Team von Leonhard Weiss hat nicht nur an der A 3 gut zu tun – ein weiterer Auftrag liegt 15 Kilometer entfernt. Für den 925 Meter langen Schwarzkopftunnel auf der Strecke Hanau – Nantenbach zwischen Laufach und Heigenbrücken muss bis 2017 eine rund sieben Kilometer lange Umfahrungsspange mit vier neuen Tunneln gebaut werden. Wieder ist das Bauunternehmen Teil der Arge, die für die Deutsche Bahn für 226 Millionen Euro die Bauleistung für die Umfahrung des Schwarzkopftunnels erbringt.