Keine Zukunftsmusik

Runderlass: BIM-Prüfung bei Bauvorhaben der öffentlichen Hand

Bei Hochbauten ist die öffentliche Hand zukünftig verpflichtet, den Einsatz von Building Information Modeling (BIM) zu prüfen. Mit dem Erlass wird die digitale Planungsmethodik nun weiter gefördert.

Der Runderlass wurde vom Bauressort im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) am 16.01.2017 verfügt.
Dieser Erlass ist eine weitere Maßnahme der öffentlichen Hand, die der digitalen Planungs- und Bau-Methode BIM den Weg bereitet und möglicherweise zu einer Revolutionierung des Planens und Bauens in Deutschland führt. Die Tragweite des Papiers für die Planung und die Beteiligten, die Einordnung des Erlasses und die zu beachtenden rechtlichen Aspekte bei der Realisierung von BIM-Hochbauprojekten sollen im Folgenden dargelegt werden.

Die BIM-Methode

BIM beschreibt ein neues Steuerungskonzept zur kooperativen Planung, Ausführung und Bewirtschaftung von Gebäuden unter Einsatz digitaler Technik. Den Kern bildet ein 3D-Datenmodell des Gebäudes, das – im Unterschied zu den klassischen CAD-basierten Modellen – objektorientiert ist. Die einzelnen Gebäudekomponenten können mit Attributen wie Zeit- (4D) und Kostenangaben (5D) oder Informationen für die Betriebsphase (6D/7D) verknüpft werden. So kann frühzeitig festgestellt werden, ob das Bauvorhaben in Bezug auf Konstruktion, Zeit-, Material- und Kostenplanung realistisch und effizient umgesetzt werden kann. Bauzeitverzögerungen und Kostenexplosionen sollen vermieden werden. Der Ansatz, BIM nun auch im technisch anspruchsvollen Hochbau voranzutreiben, ist uneingeschränkt zu begrüßen.

Inhalt und Bewertung des Runderlasses

Zur Förderung von BIM schreibt der Runderlass vom 16.01.2017 den nachgelagerten 16 Länderbauverwaltungen vor, ab sofort bei zivilen Neu-, Um- und Erweiterungsbauvorhaben des Bundes mit einem Baukostenvolumen von mehr als fünf Millionen Euro zu prüfen, ob das Projekt BIM-tauglich ist. Soweit dies der Fall ist, muss die BIM-Methode demnach Anwendung finden. Als Verwaltungsvorschrift einer übergeordneten Behörde ist der Erlass für die Bauverwaltungen der Länder verpflichtend. Nach einer Stellungnahme des Pressesprechers des BMUB, Andreas Kübler, wurden die Landesbauverwaltungen zudem aufgefordert, auch bei eigenen Bau- und Planungsprojekten über fünf Millionen Euro die Anwendung von BIM zu prüfen. Zudem ist – so die Stellungnahme – mit den Maßnahmenträgern/Nutzern vorab zu klären, ob sie mögliche Mehrkosten durch die BIM-Anwendung übernehmen. Denn nach Auffassung des BMBU sind die entstehenden Mehrkosten bei Anwendung von BIM teilweise nicht durch die Grundleistungsbilder der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) abgedeckt.

Keine generelle Pflicht

Der Erlass begründet aber keine generelle Pflicht zum Einsatz von BIM bei öffentlich finanzierten Hochbauten, wie dies teilweise in der Presse kolportiert wird. Zum Zwecke einer größtmöglichen Förderung von BIM wäre dies – vergleichbar dem Vorgehen in einigen europäischen Ländern (zum Beispiel Großbritannien, Niederlande oder Norwegen) – begrüßenswert. Nach Bekunden des BMUB soll die weitgehend mittelständisch geprägte Planungs- und Bauwirtschaft in Deutschland durch eine BIM-Pflicht jedoch nicht „überfordert“ werden.

Die Wirkungskraft des Erlasses sollte dabei nicht unterschätzt werden. Der Einsatz der BIM-Methode wird durch den Erlass verbindlich zum Prüf- und Erörter-ungsgegenstand bei Hochbauprojekten. Diese Prüfpflichten greifen bereits ab einem Schwellenwert von Fünf Millionen Euro (ohne Baunebenkosten). Zudem muss im Rahmen dieser BIM-Tauglichkeitsprüfung der gesamte Objektzyklus in den Blick genommen werden. Das ist besonders mit Blick auf den potentiellen Effizienzgewinn und die Kosteneinsparung beim Einsatz von BIM im Facility Management zu begrüßen.

Darüber hinaus müssen die Bauverwaltungen die Prüfungs- und Abwägungsergebnisse zur „BIM-Geeignetheit“ in den Haushaltsunterlagen und in Prüfvermerken festhalten. Der Recht-fertigungsaufwand, BIM nicht zu verwenden, nimmt zu. Dies wird umso mehr gelten, wenn sich die Erwartungen in Bezug auf Kosten- und Zeitersparnisse bei Anwendung von BIM realisieren.

BIM-Förderung in Deutschland

Der Runderlass steht in der Reihe einer Vielzahl öffentlicher (Förder-)Maßnahmen, die das Ziel haben, die Implementierung von BIM in der Planungs- und Baubranche zu befördern. Bislang wurde die Etablierung der BIM-Methodik in erster Linie durch das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) vorangetrieben.

Nach dem vorgestellten Stufenplan des BMVI vom 15. Dezember 2015 soll die BIM-Methodik ab 2020 in der Regel bei allen
Infrastrukturprojekten des BMVI eingesetzt werden. Das BMVI setzt nicht nur auf eine Prüfpflicht, sondern sieht die weitgehende Pflicht zum Einsatz von BIM vor. Der Stufenplan wird flankiert durch einen Masterplan Bauen 4.0 vom 24.01.2017 des BMVI. Danach soll unter anderem eine eigene BIM-Cloud für Material- und Bauteilkomponenten im Infrastrukturbereich aufgebaut werden sowie der Einsatz von Drohnen für die Gewinnung von BIM-Daten getestet werden.

Zudem plant das BMVI gemäß der am 24.05.2017 vorgestellten „Strategie zur Planungsbeschleunigung“, dass BIM-Modelle zukünftig die Grundlage für Genehmigungsverfahren bilden sollen. Es wäre ein beinahe revolutionärer Schritt, sollten die Genehmigungsbehörden zukünftig BIM-Planungen vollständig digital weiterverarbeiten. Genehmigungsverfahren könnten so schneller und effizienter werden.

Rechtliche Umsetzung von BIM

Angesichts der zunehmenden öffentlichen Förderung von BIM ist klar: Der gesamte Planungs- und Baumarkt wird sich mit BIM auseinandersetzen müssen. Damit rückt auch die Frage der rechtssicheren Umsetzung von BIM für die Beteiligten ins
Zentrum. BIM erfordert eine deutlich stärkere Zusammenarbeit und Transparenz zwischen den Projektbeteiligten, kann eine frühere Einbindung der Baubeteiligten begünstigen und führt zu Leistungsverschiebungen im iterativen Planungsprozess. Diese Abläufe stehen konträr zu den tradierten Denkweisen, die durch einen sequentiellen Projektvorschritt geprägt sind und von einer Vielzahl von Einzelverträgen ausgehen.

Eine konzeptionell vielversprechende Methode, diese Besonderheiten vertraglich abzubilden, stellen Mehrparteienverträge dar, wie sie im angelsächsischen Raum zum Teil bereits gebräuchlich sind. Damit ist ein einziger Vertrag zwischen Bauherrn und den weiteren relevanten Projektbeteiligten gemeint. Dieses Vertragsmodell ist für den Projekterfolg allerdings nicht zwingend. Denn die Besonderheiten der Zusammenarbeit im gemeinsamen BIM-Modell können vertragsrechtlich auch einzelvertraglich auf Grundlage BIM-spezifischer Vertragsregelungen abgebildet werden.

So können zum Beispiel die rechtlichen Aspekte bei der Anwendung von BIM in einheitlichen BIM-spezifischen Vertragsregelungen (BIM-VR) zusammengefasst werden. Die komplexen technischen und organisatorischen Anforderungen beim Arbeiten mit BIM werden für gewöhnlich in einem BIM-Pflichtenheft und einem BIM-Abwicklungsplan (BAP) hinterlegt. Dadurch wird
gewährleistet, dass die BIM-Anforderungen einheitlich in alle Verträge einfließen.

Auftraggeber-Informations-Anforderungen

Von zentraler Bedeutung für den Projekterfolg sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Auftraggeber-InformationsAnforderungen (AIA), auf die die BIM-Anhänge aufsetzen. Die Erstellung entsprechender AIAs wird mittlerweile in der im März 2017 veröffentlichten internationalen DIN 19650-2:2017 empfohlen. Auch der Stufenplan des BMVI empfiehlt die Erstellung von AIAs. In den AIAs wird durch den Auftraggeber vorab festgelegt, welche Ziele und Anwendungsfälle er mit BIM verfolgt, welche
Daten wann benötigt werden und welche Software und Dateiformate zu nutzen sind. Zudem wird geregelt, an welchen Übergabepunkten die Daten in das Gebäudemodell eingepflegt werden.

Vertraglich Aufgaben und Honorierung festlegen

Aufgrund des kollaborativen Ansatzes ist darauf zu achten, dass die Koordinierungs- und Integrationsaufgaben der Projektbeteiligten an dem gemeinsamen Modellinhalt vertraglich im Einzelnen abgebildet werden. So ist zum Beispiel genau festzulegen, welcher Fachplaner das BIM-Modell in welcher Detaillierungs-tiefe (Level of Detail, LoD) schuldet. Ebenso wichtig ist es zu
klären, welcher Akteur das BIM-Management übernimmt und wie dessen konkreter Aufgabenabschnitt abgesteckt wird.

Zentral ist auch die Frage der Honorierung beim Einsatz von BIM. Entgegen verschiedener Stimmen finden die in der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) niedergelegten Vergütungsmechanismen auch beim Einsatz von BIM grundsätzlich Anwendung. Die HOAI ist methodenneutral. Allerdings ist hinsichtlich der Vergütung genau zu prüfen und gegebenenfalls vertraglich klarzustellen, welche BIM-relevanten Leistungen dem zwingenden Preisrecht der HOAI
unterliegen und welche als sogenannte „Besondere Leistungen“ frei verhandelbar sind. Daneben bringt die Implementierung von BIM in der Vertragsgestaltung weitere Herausforderungen mit sich. Hierzu zählen vor allem die Zuweisung von Nutzungs- und Datenhoheitsrechten sowie das Datenschutzrecht – Rechtsthemen, die in der bisherigen Praxis eine eher untergeordnete Rolle gespielt haben. Denn digitale Daten können einfacher zirkulieren und weisen eine sehr viel höhere Informationsdichte auf als bisherige CAD-basierte Planungen. Von zentraler Bedeutung sind schließlich haftungs- und versicherungsrechtliche Aspekte.

Fazit

Mit dem BMUB intensiviert – neben dem BMVI – nunmehr ein zweites Ministerium ganz erheblich die Förderung des Einsatzes von BIM. Es ist davon auszugehen, dass auf Grundlage dieser Initiativen zumindest die öffentlichen Bauherrn BIM kurzfristig umfänglich anwenden werden. Dieser Digitalisierungsschub dürfte auf die privaten Bauherrn und auf die gesamte Planungs- und Baubranche ausstrahlen, sodass ein flächendeckender Einsatz von BIM bei Planung und Bau keine ferne Zukunftserwartung mehr ist, sondern bald Realität werden wird.

CMS Hasche Sigle

www.cms-hs.de

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