BIM im Straßen-
und Tiefbau
Die Nutzung von Building Information Modeling (BIM) im Straßen- und Tiefbau wurde bis vor kurzem in der Branche als ein Thema angesehen, das noch in weiter Ferne liegt. Doch jetzt kommt Bewegung in den Prozess und es ist dank BIM mit verbesserter Planungsqualität und effektiverer
Bauabwicklung zu rechnen.
Diese Entwicklung zur intensiven Anwendung von BIM, nunmehr maßgeblich voran getrieben durch die beiden Auftraggeber BMVI und DB, kann als sehr positiv gesehen werden. Damit geht es endlich weiter in Richtung einer modernen, vollständig modellbasierten Arbeitsweise im Bauwesen. Allerdings fällt beim aufmerksamen Studium der beiden Veröffentlichungen von BMVI und DB auf, dass die Möglichkeiten von BIM noch nicht zu Ende gedacht sind.
Bauunternehmen arbeiten bereits seit Jahren mit
Modellen
Bei der Durchsicht der Dokumente fällt auf, dass in beiden Unterlagen ein großer Schwerpunkt der Überlegungen auf das Modellieren in der Planungsphase gerichtet wird. Das ist zunächst auch richtig, weil dort aktuell die größten Defizite sind. Denn während gut organisierte Baufirmen bereits seit Jahrzehnten mit Modellen arbeiten, sind Planungen auch heute meist zweidimensional. Und das selbst bei Baumaßnahmen an Bundesstraßen. Der Text „örtlich angleichen“ als Ersatz für eine korrekte 3D-Planung ist leider noch immer ein gern angewandter Trick bei kommunalen Straßen- und Tiefbaumaßnahmen. Moderne Bau-Unternehmen modellieren bereits seit Jahren Erdbauwerke für ihre satellitengestützten Maschinensteuerun-
gen (GPS-Steuerungen), rechnen ihre Erdbauwerke über Modelle zum Beispiel mit Prismenverfahren ab und übergeben Bestandsdaten als ISYBAU-Datei im Kanalbau. Die weit verbreitete Rechnungsprüfung von Erdkörpern (REB VB 22.013 aus dem Jahr 1979, Prismenverfahren) ist bei genauer Betrachtung ein modellbasiertes Verfahren als Teil von BIM.
Leider werden die modellbasierte Abrechnung sowie die Rechnungsprüfung in den aktuellen Veröffentlichungen von BMVI und DB nicht oder nur zu wenig betrachtet. Und das, obwohl sie im Straßen- und Tiefbau bei mittleren und großen Projekte schon lange praktiziert werden. Klar ist: Wenn zukünftig die modellbasierte Planung zum Einsatz kommt, ist bereits kurzfristig ein fast vollständiger BIM-Arbeitsablauf von der Planung über die Ausführung zur Nutzungsphase des Bauwerks möglich.
Datenaustausch derzeit noch massiv gehemmt
Auch wenn der Einsatz einer modellbasierten Planung ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist, das Ziel ist damit noch lange nicht erreicht. Denn, um das System zu perfektionieren, brauchen alle am Bauwerk Beteiligten bessere Datenformate zur Übergabe von Informationen in den einzelnen Zyklen des BIM-Prozesses. Leistungsfähige Schnittstellen-Formate sind dringend erforderlich, wenn die flächendeckende Einführung von BIM beschleunigt werden soll.
Ausführende Firmen, die derzeit mit Modellen arbeiten, erzeugen diese selbst. So ist es im Straßen- und Tiefbau schon lange üblich, digitale Bestandsdaten für die Nutzungsphase eines Bauwerkes an den Bauherrn zu übergeben. Dabei haben sich Formate wie Shape oder ISYBAU etabliert. Es fehlen jedoch die leistungsfähigen Schnittstellen zwischen Planer und Ausführer.
Weil ausreichende Standards fehlen, setzt die Deutsche Bahn derzeit auf das so genannte „closed BIM“. Das bedeutet, dass die Fortschreibung des Modells im Bauprozess im nativen Format des von der DB genutzten Planungssystems Revit erfolgen muss. Wenn also ein Bau-Unternehmen zukünftig für die DB arbeiten möchte, muss es die passende Software kaufen und die eigenen Mitarbeiter im Umgang mit dem Programm schulen. So wäre das dann bei allen potentiellen Auftraggebern: Der ausführende Betrieb muss sich an das Planungssystem ankoppeln. Bei diesem Szenario wird schnell klar, dass die Akzeptanz von BIM in der Baubranche schwinden würde. Denn kaum einem Bauunternehmen ist es zuzumuten, diverse Software für diverse Auftraggeber vorzuhalten. Und doch ist der Blick in die Zukunft positiv. Denn es ist davon auszugehen, dass auch die DB offene Standards akzeptiert, sobald ein Datenaustausch verlustfrei und sicher möglich ist.
Anders als die DB spricht sich das BMVI - wie es für öffentliche Auftraggeber verpflichtend ist - für einen offenen Standard aus. Bezeichnet wird dieses System als so genanntes „open BIM“. Im Stufenplan des Bundesministeriums werden die Industry Foundation Classes (IFC) angesprochen, die von der Organisation buildingSMART gepflegt werden. Im weiteren wird der deutsche Objektkatalog Straßenbau (OKSTRA) erwähnt.
Allgemeingültige Standards sind dringend notwendig
Das „open BIM“ ist also grundsätzlich die zukunftsträchtige Variante der Nutzung von durchgehenden Modellen im Bauwesen. Während sich IFC im Hochbau als alleiniger offener Standard etabliert hat, leidet die Anwendung dort im wesentlichen an der unvollständigen und unterschiedlichen Implementierung in den diversen Branchensoftware-Produkten.
Im Bereich Straßen- und Tiefbau und generell im Arbeitsgebiet Infrastruktur stehen sowohl Anwender als auch Softwarehersteller der Herausforderung diverser Formate gegenüber. Die wichtigsten Datenformate sind DXF/DWG, REB, LandXML, ISYBAU und OKSTRA. Alle diese Formate haben Vorteile, einige von ihnen aber auch gravierende Nachteile. Deshalb ist es zwingend notwendig, dass dieser Format-Mix durch einen geeigneten Standard abgelöst wird. Zudem ist es wichtig, bei neuen Standards für den Straßen- und Tiefbau die Planung nicht als statisches Modell - wie im Hochbau - zu übergeben. „Vor der Schaufel ist es dunkel“, sagt ein markantes Baustellen-Sprichwort. Diese Aussage kann als Sinnbild dafür herangezogen werden, dass Änderungen am Modell durch Unvorhergesehenes während der Ausführung im Straßen- und Tiefbau eher die Regel sind als die Ausnahme.
Zusätzlich müssen im Straßen- und Tiefbau in der Ausführungsphase verschiedene Modelle vorgehalten werden. Typisches Beispiel hierfür ist der Planumshorizont einer Straße im Einschnitt. Aus Sicht der Massenermittlung ergeben die seitlichen Böschungen und Drainagegräben im Querschnitt mit dem eigentlichen Planum eine durchgehende Linie. Zur Nutzung moderner Maschinensteuerungen müssen jedoch in der Arbeitsvorbereitung daraus mehrere Modelle erzeugt werden. Dazu gehören ein seitlich um mindestens 50 cm verbreitertes Planum für den Grader bzw. die Planierraupe sowie weitere Modelle für die Bagger, die Gräben und Böschungen herstellen.
Klar ist: Feste 3D-Geometrien aus der Planung können ausführende Betriebe bei notwendigen Änderungen nur durch neu konstruierte Geometriekörper ersetzen. Das ist sehr zeitaufwändig und damit kostenintensiv. Deshalb muss es das Ziel sein, dass alle geplanten Bauteile offene Parameter haben, die dann leicht geändert werden können. Das jeweilig eingesetzte Graphik-System generiert die 3D-Geometrie nach dem Abschluss der Änderung dann automatisch neu.
Einführung von BIM ist auf dem richtigen Weg
Es ist von großem Vorteil für das gesamte Bauwesen, dass das BMVI und die DB die Zeichen der Zeit erkannt haben und Veröffentlichungen zum Thema BIM herausgegeben haben. Mit der Einführung von BIM wird sich die Planungsqualität erheblich verbessern. Auch wenn allgemein anerkannte Übergabeformate derzeit noch fehlen oder unvollständig sind, lassen sich Baumaßnahmen in naher Zukunft noch effektiver abwickeln. Sicher ist, dass ein modernes Bau-Unternehmen unabhängig von der weiteren Entwicklung auch heute schon mit einer geeigneten Software die volle Wertschöpfung aus der modellbasierten Arbeitsweise ziehen kann.
Frank Kocher