LARA: Der Röntgenblick für den Tiefbau

Beim Aushub von Baugruben zu Wartungszwecken kommt es auf Grund
unzureichender Positionsangaben immer wieder zu massiven Schäden an
Versorgungs- und Telekommunikationsleitungen. Ein Augmented Reality-System, das einen virtuellen Blick auf die Infrastruktur unter der Erde ermöglicht, soll
zukünftig helfen, solche Schäden zu vermeiden.

Allein in Deutschland entsteht aufgrund unzureichender Positionsangaben jedes Jahr ein Gesamtschaden von rund 200 Millionen Euro, Personenschäden und weitere Folgeschäden am Eigentum Dritter nicht eingerechnet*. Das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) bringt seine Kompetenzen aus dem Forschungsbereich Erweiterte Realität/Augmented Vision in das europäische Forschungsprojekt ein. LARA steht für „LBS Augmented Reality Assistive System for Utilities Infrastructure Management through Galileo and EGNOS“.

Basis des neuartigen Systems ist ein mobiles Gerät, eine Art Touchpad, das mit einer Kamera und Sensoren zur Geolokalisation für die globalen Satellitennavigationssysteme (GNSS) Galileo und EGNOS ausgestattet ist. Es ermöglicht einen virtuellen Blick auf die Infrastruktur unter der Erde. LARA unterstützt Techniker und Arbeiter von Versorgungsanstalten und  -unternehmen oder Tiefbauämter bei der genauen Planung und Durchführung von Aushubarbeitern und zeigt durch das Kamerabild die darunterliegenden Versorgungsleitungen an, zum Beispiel Glasfaserkabel, Strom-, Gas- oder Wasserleitungen. Das System wird in einer Zusammenarbeit von verschiedenen Organisationen entwickelt. Kleine und mittlere Unternehmen, Großunternehmen, Universitäten und Forschungsinstitute bringen ihr jeweilige Expertise in das Projekt ein.

Intelligente Systeme für schwierige Bedingungen

Wissenschaftler am DFKI entwickeln ein Augmented-Reality-Verfahren zur präzisen dreidimensionalen Darstellung der unterirdischen Infrastruktur. Das System integriert dabei Positionsangaben und Informationen über unterirdische Knotenpunkte aus öffentlichen Datenbanken und 3D-Geoinformationssystemen. Die besondere Herausforderung besteht darin die Entwicklungen aus dem Labor an die Gegebenheiten auf der Straße anzupassen. Die Daten aus den Navigationssystemen werden mit dem realen Kamerabild zusammengeführt. Die Sensor-Fusion ist unter den gegebenen Bedingungen eine besondere Herausforderung. Professor Dr. Didier Stricker, der Leiter des Forschungsbereichs Erweiterte Realität/Augmented Vision am DFKI: „Das Szenario einer Baustelle stellt besondere Anforderungen an die eingesetzten Technologien. Die zumeist schwierigen und wechselhaften Lichtverhältnisse im Freien erschweren eine Bilderkennung ebenso wie die sich durch Erdarbeiten ständig ändernde Struktur des relevanten Bereiches. Des Weiteren sind die zugrundeliegenden öffentlichen Daten nicht immer exakt und müssen mit den übrigen Informationen abgeglichen werden. Dem begegnen wir mit einem intelligenten System, welches sich vor Ort anpasst, sodass die Visualisierungen aus jedem Blickwinkel präzise dargestellt werden.“

Vielversprechende Anwendungen mit hohem

Marktpotential

Endbenutzer des Systems sind beispielsweise Techniker und Arbeiter im Bereich Versorgungstechnik, von privaten Unternehmen oder Tiefbauämtern. In der späteren Anwendung plant ein Techniker zunächst wie üblich die Aushubarbeiten im Büro. Nach Eingabe der Geokoordinaten der Baustelle, zeigt die LARA-App ihm die installierten Rohrleitungen als Einblendungen über einer Karte des Areals an. Vor dem Aushub navigiert ihn das System im 2D-Modus zur genauen Position. Dort zeigt der 3D-Modus die unterirdischen Leitungen als Einblendungen in das reale Kamerabild an. In diesem Modus werden zudem die Informationen über die Rohrleitungen in strukturierten Ebenen eingeblendet, sodass der Benutzer zwischen verschiedenen Ansichten wechseln kann. Wenn die Arbeiter mit dem Aushub beginnen, erhalten sie genaue Informationen, auf welche Rohre oder Leitungen sie besonders achten müssen und welche Hindernisse sie erwarten. Bemerken sie, dass die Angaben nicht stimmen, können sie ein Update anfordern und falls notwendig die zugrundeliegenden Geokoordinaten korrigieren. Die entwickelten Geräte und Applikation von LARA sollen in kommerzielle Produkte und Dienste überführt werden. Die Einbeziehung von Endnutzern in das Projekt wird das Konsortium auf pragmatische Weise hin zu einer markttauglichen und wettbewerbsfähigen Ausrichtung führen. Alle Unfälle bedeuten höhere Betriebskosten für Unternehmen, entweder durch Strafen, mittelbare Unfallkosten oder als Entschädigungen an Dritte, die in der Regel schwer zu quantifizieren sind. Die LARA-Technologie ermöglicht es Benutzern, diese Kosten zu vermeiden. Die zu erwartenden ökonomischen Auswirkungen von LARA für den Sektor der Wartung und Verwaltung von unterirdischer Versorgungsinfrastruktur sind beachtlich. Investitionen in LARA-Produkte und begleitende Dienste werden letztendlich dazu führen, dass die Endnutzer langfristig eine erhöhte Produktivität und Ressourceneffizienz erreichen sowie die Gesamtkosten für das Ausheben von Baugruben verringern. Aushubarbeiten werden künftig schneller und kostengünstiger durchgeführt werden können.

„Als nächsten Schritt testen wir die neue Hard- und Software auf Herz und Nieren, denn nur so ist es gewährleistet, dass unsere Entwicklungen auch nachhaltig in neue Produkte münden“, so Dr. Alain Pagani, der DFKI-Projektleiter von LARA. Im September finden erste Feldtests in Kozani, Griechenland, statt. Weitere Experimente sollen dann Anfang November in Birmingham, Großbritannien, folgen. Ein erster Prototyp des LARA-Systems wurde bereits Ende Mai auf der European Space Solutions in Den Haag, Niederlande, präsentiert.

* Quelle: Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V., 2015

DFKI

Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz

www.dfki.de

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